Quang Huy Ly Pham berichtet tags darauf von dem durch ihn vereitelten Einbruch. Foto: Riesterer

Einbruch bei Optiker vereitelt. Polizei rät: Nicht wegsehen, aber eigene Sicherheit bedenken. Mit Kommentar

VS-Schwenningen - Dank der Zivilcourage und des mutigen Einsatzes eines jungen Zeugen hat die Polizei in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einen Einbrecher festgenommen, der zuvor das Optikergeschäft Villinger in der Schützenstraße bestohlen hatte.

Dem Ehepaar Villinger, das in der Schützenstraße seit mehr als 30 Jahren ein Optikergeschäft betreibt, ist der Schrecken am Donnerstag noch anzusehen. "Ich hab’ erst mal nur einen Schlag gehört. Zuerst dachte ich, draußen wäre ein Unfall passiert und habe aus dem Fenster geschaut", erinnert sich Mathias Villinger – seine Frau Doris und er wohnen in den Räumlichkeiten oberhalb des Geschäfts. Doch es hatte sich kein Unfall ereignet. Das Geräusch war entstanden, als die Fensterscheibe der Warenauslage mit einem Hammer zertrümmert wurde.

Doch dabei beließ es der Täter nicht: Kaum hatte Villinger das Fenster geöffnet, "da hat es ein zweites Mal gerumst. Und uns wurde klar: Da will jemand einbrechen". Wegen eines Vordaches habe er die Vorgänge am Straßenrand vor dem Geschäft oder den Täter selbst nicht beobachten können. "Ich habe nur gerufen: ›Was ist denn da los?‹" Doch Hilfe sollte bald kommen.

Denn gerade zur selben Zeit wollten der 27-jährige Donaueschinger Quang Huy Ly Pham und seine Freundin auf einem Parkplatz an der gegenüberliegenden Straßenseite in ihr Auto einsteigen. "Meine Freundin hat ein lautes Klirren gehört", erzählt Pham. "Und dann haben wir gesehen, wie ein Mann das Schaufenster des Geschäfts ausräumt." Als sich Pham langsam nähert und auf sich aufmerksam macht, ergreift der Täter die Flucht. Der 34-Jährige hatte zu diesem Zeitpunkt nach Angaben des Ehepaars Villinger Brillen im Wert von etwa 2000 Euro erbeutet.

"Ich betreibe in Donaueschingen selbst ein Tattoo-Studio und kann die Frustration nachvollziehen, wenn man nach so einer Sache erfolglos Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Weil ich mir wünschen würde, dass man auch hilft, wenn bei meinem Geschäft eingebrochen wird, war es für mich selbstverständlich, einzuschreiten", erklärt der 27-Jährige.

Die beiden Zeugen reagieren genau richtig

Also nimmt Pham die Verfolgung des Mannes auf, kann ihn auf Höhe des nahe gelegenen Christlichen Zentrums stellen, überwältigen und festhalten, bis die Polizei eintraf. Diese hat parallel seine Freundin benachrichtigt.

"Hut ab, dass sie so hilfsbereit waren. Wir freuen uns sehr, dass die beiden jungen Menschen so großartig reagiert haben – überhaupt, dass es so was noch gibt", betont Doris Villinger. Das einzige, was das Unternehmerpaar noch umtreibt: "Wir hatten richtig Angst, dass dem jungen Mann etwas passiert."

Er selbst kenne den Ablauf des Vorfalls im Einzelnen nicht, etwa, ob der Zeuge dem Einbrecher körperlich auf den ersten Blick deutlich überlegen war. Deshalb könne er nicht abschätzen, ob das Einschreiten des 27-Jährigen in dieser Form angemessen war, erklärt Michael Aschenbrenner, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Sicher sei: "Wenn Rechtsbrecher in solchen Situationen in die Enge getrieben werden, kann es vorkommen, dass sie sich wehren. Schon ein Messer kann dann eine gefährliche Waffe sein, und der Helfende begibt sich gegebenenfalls in eine lebensbedrohende Situation." Trotzdem sei vor allem hervorzuheben, dass der junge Mann sich sehr mutig verhalten habe. "Dass der Täter gefasst wurde, war definitiv ihm zu verdanken." Ein solcher Einsatz der Zivilcourage sei nicht alltäglich.

"Die Polizei sagt unabhängig von dieser Sache: Zeugen sollten nie wegschauen. Man hat das Recht, einzugreifen. Aber man muss dabei natürlich die eigene Sicherheit im Blick haben", betont Aschenbrenner. Deshalb sei es – nach Abschätzung der eigenen Gefahr – genauso hilfreich, einen Notruf abzusetzen, sich die Statur und das Aussehen des Täters einzuprägen oder diesen aus sicherer Distanz zu verfolgen. Als ob er diese Worte des Polizeisprechers gehört hätte, erklärt Pham, der bis zum Gang in die Selbstständigkeit 2015 in einem Schwenninger Tattoo-Studio beschäftigt war: "Es passieren so viele üble Dinge. Da ist es doch wichtig, nicht wegzuschauen."

Positiv aus negativer Sache herausgekommen

Beim Gerangel zog sich der Brillendieb zwei Kopfplatzwunden zu, die im Schwarzwald-Baar-Klinikum behandelt wurden. Er muss sich nun in einem Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls von Diebstahl verantworten. Auch Pham verletzte sich an der Hand – zudem beschädigte der Täter sein Handy. In solchen Fällen hätten Helfer, auch bei materiellen Schäden, rechtliche Ansprüche gegenüber dem Täter. "Wenn dieser sie finanziell nicht begleichen kann, gibt es noch Opferschutzorganisationen wie den ›Weißen Ring‹, die auch Helfern beratend zur Seite stehen", erklärt Aschenbrenner.

Das Ehepaar Villinger kam mit einem Schaden von 6000 Euro für die Fenster und einem großen Schrecken davon. Wichtiger sei jedoch das Positive, was die beiden in der Nacht auf Donnerstag erlebt haben. "Alle haben so wunderbar reagiert. Der tolle Einsatz der jungen Leute. Wie schnell die Polizei und die Feuerwehr vor Ort waren und uns die zerbrochenen Scheiben abgedeckt haben. Auch unsere Nachbarn haben beim Auffegen der Scherben mitgeholfen", zählt Doris Villinger auf. "Das alles lässt die Sache im Nachhinein nicht mehr so schrecklich erscheinen."

Zivilcourage ist nicht ausgestorben

Von Fabian Riesterer

Sie sind also entgegen weitläufiger Meinung nicht ausgestorben, die jungen Menschen, die Zivilcourage zeigen. Ein Paradebeispiel ist der 27-Jährige, der am Mittwoch in der Schützenstraße einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt, verfolgt, gestellt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten hat. Damit bricht der tätowierte Mann zudem mit dem Klischee, dass er selbst auf der Täterseite zu suchen sein müsste. Der 27-Jährige argumentiert stattdessen, dass ein jeder sich Hilfe erhofft, wenn man selbst Opfer einer Untat wird – und nahm bei seiner Entscheidung in Kauf, von einem in die Enge getriebenen Einbrecher verletzt zu werden. Hut ab! Zum einen kann sich an dieser Aktion jeder ein Beispiel nehmen, zum anderen zeigt sie deutlich, dass Menschengruppen aufgrund ihres Alters oder Aussehens nicht über einen Kamm geschoren werden sollten.