VS-Schwenningen - Zum ersten Mal sind am Freitag in Schwenningen im Zuge der "Fridays for Future"-Bewegung Schüler, Studenten und Unterstützer auf die Straße gegangen. Etwa 250 Personen nahmen an dem lauten Protestmarsch durch die Neckarstadt für den Klimaschutz teil.

"So, wir gehen jetzt los. Und denkt daran: Ihr müsst immer laut sein!", ruft Mona Schirmaier ins Megafon und die etwa 250 Schüler und Studenten, die sich am Schwenninger Bahnhof versammelt haben, brechen in laute Jubelstürme aus. Im Anschluss setzt sich der Tross mit dem Ziel Muslenplatz die Erzbergerstraße entlang in Bewegung. Angeführt von einem Bollerwagen, über den entweder Musik gespielt wird, oder über den die Klimaschutz-Parolen hallend in die Straßen getragen werden, die Schirmaier oder ein anderes Mitglied aus dem etwa zehnköpfigen Kern-Organisationsteam vorgeben.

Und bei "Streik in der Schule, Streik in der Fabrik, das ist unsere Antwort auf Eure Politik!" oder "Wer nicht hüpft, der ist für Kohle!" können die jungen Teilnehmer sofort enthusiastisch mitrufen, denn zuvor am Bahnhof hatten Schirmaier und Co. nicht nur ihre Unterstützer begrüßt, sondern mit diesen die vorgegebenen Schlachtrufe gleich einmal kräftig eingeübt.

Anhand einiger emotionaler Reden heizen dort unter anderem Helena Lützow, Benjamin Bauhof oder Laetizia Seyboldt die Menge ein – und bekommen Unterstützung von Frank Duden, der sich ebenfalls das Mikrofon geben lässt. "Ich möchte euch Mut machen", sagt der Mann mit angegrautem Bart. "Schaut, was wir damals bei der Nachrüstung erreicht haben. Wir hatten Angst vor einem Atomkrieg, ihr vor dem Klimawandel. Aber ich bin mir sicher: Wenn ihr dran bleibt, werdet ihr am Ende belohnt!"

Doch die Demonstranten reden nicht nur am Freitagmittag: Beim Kreisverkehr Neckar-/Wannen-/Alte Herdstraße angekommen zeigen sie symbolisch, was ihrer Meinung nach passiert, wenn sich in der weltweiten Klimapolitik nichts ändert. Sie sterben. So werden Duzende Autofahrer Zeuge, wie die kurzzeitig reglosen Körper mit Kreide umkreist werden – die Umrisse bleiben als Mahnmale zurück. Während der etwa zehnminütigen Aktion ist kein ungeduldiges Hupen zu hören.

Auch die anderen Schwenninger Passanten finden gut, was der Klimaschutz-Tross bewirken will. "Immer heißt es, die jungen Leute machen nichts. Da sehen wir doch, dass das nicht stimmt", sagt eine ältere Dame am Rösslekreisel und lächelt in die Menge. Ihr Lächeln wird noch breiter, als sie die ausgelassene Stimmung betont, während die Demonstranten eben dort eine Klimaschutz-Polonaise ansetzen. Ausgelassen ist die Stimmung tatsächlich. Auch die andere Vorgabe der Organisatoren – bleibt friedlich – setzen alle um.

Über die Stationen Rathaus und Stadtkirche kommt der Tross auf dem Muslenplatz an. Hier ist wieder Gelegenheit, Missstände anzuprangern und Besserungsvorschläge zu äußern. "Die Menge an Öl, die täglich gefördert wird, hätte als Würfel eine Kantenlänge von 200 Metern. Stellt euch den mal hier auf dem Muslenplatz vor", ruft Jonas Klein. Für seinen nächsten Satz erntet er noch mehr Applaus: "Dass wir als Schulschwänzer oder ›Unfug for Future‹ betitelt werden, zeigt doch nur, dass wir das Richtige tun!"

Die Organisatoren möchten jeden ersten Freitag im Monat abwechselnd in V und S eine Demonstration veranstalten. Der nächste sichere Termin ist am 3. Mai. Auch für heute, Samstag, 6. April, haben sie zur regen Teilnahme an der Aktion "Saubere Landschaft" aufgerufen.

Seite 2: Schulen schätzen Engagement ihrer Schüler

VS-Schwenningen - Seit weltweit Jugendliche freitags statt zur Schule auf öffentliche Plätze gehen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, wird auch darüber diskutiert, welche disziplinarischen Folgen dieses "Schulschwänzen" für die Jugendlichen haben kann. Mitte Februar begann die Demonstrationswelle in die Doppelstadt zu schwappen – und die hiesigen Schulleiter waren ebenfalls der Frage konfrontiert, wie sie mit "ihren" Teilnehmern umgehen sollen.

"Rein rechtlich gibt es klare Richtlinien. Wir dürfen Schüler nicht beurlauben und sie haben kein Streikrecht. Die Lehrer müssen das unentschuldigte Fehlen also festhalten – schon weil wir den Eltern gegenüber der Aufsichtspflicht nachkommen müssen", erklärt der Schulleiter des Gymnasiums am Deutenberg (GaD), Manfred Koschek. Andererseits, betont Koschek und zitiert aus dem Bildungsplan, haben Schulen den Auftrag, "zu politischem Denken und Handeln zu erziehen". Das sei der wichtigste Auftrag der politischen Bildung.

Deshalb hätten die Gymnasial-Schulleiter in VS vereinbart, auf die Fehlzeiten pädagogisch, nicht disziplinarisch zu reagieren. "Hinsichtlich der politischen Erziehung betrachten wir die Teilnahme an den Demos durchaus wohlwollend. Im Einzelfall können wir für den Moment angemessen reagieren", sagt der Schulleiter. Nur zum Dauerzustand sollte die Sache nicht werden, schon allein wegen des wichtigen Unterrichtsstoffes der meist älteren Schüler. "Da geht es dann um Punkte."

Neben der rein pädagogischen Sichtweise kommen die Vertreter der Bildungsanstalten ihren Schülern zudem entgegen, weil sie ihre Botschaft unterstützen möchten. "Ich mache mir auch meine Gedanken wegen meiner Enkel und frage mich, ob das noch 20, 30 Jahre so gut geht. Dass die Schüler selbst darauf hinweisen, zeigt, wie wichtig das Thema ist", sagt Koschek und führt stolz hinzu: "Und im Unterricht merke ich immer: Es sind viele ernst zu nehmende Menschen dabei."

Wie die einzelnen Schulen das Thema pädagogisch lösen, ist ihnen letztlich selbst überlassen, sagt Koschek. So müssten die Schüler am GaD schlicht den verpassten Stoff individuell nachholen. Das müssen auch die Schüler an der Waldorfschule. "Die Schülermitverantwortung und das Kollegium haben gemeinsam entschieden, dass der Unterricht in der Freizeit nachgeholt wird", erklärt Kerstin Remsperger, die an der Rudolf-Steiner-Waldorfschule für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. "Die Bereitschaft der Schüler dazu beweist, wie wichtig ihnen ihr Anliegen ist – und die Bereitschaft der Lehrer zeigt, dass sie die Schüler unterstützen. Für sie ist es ja auch Freizeit", so Remsperger.

Kommentar: Kleine Schritte

Von Fabian Riesterer

Während der "Fridays for Future"-Aktion in Schwenningen fällt auf: Die Redner äußern zwar ihre Klimaschutz-Forderungen, wie etwa häufiger den ÖPNV zu nutzen. Sie sagen aber auch, dass die Demonstranten oft als Schulschwänzer oder gar Heuchler beschimpft werden. Und das, weil sie Smartphones besitzen oder mal in einem Fast-Food-Restaurant essen gehen. Die Klimaschützer, die aus Angst um ihre Zukunft etwas bewegen möchten, rechtfertigen sich, statt auf ihre Inhalte hinzuweisen. Das ist traurig. Sich 24 Stunden des Tages nach dem zu richten, wofür man sich einsetzt, sollte von niemandem verlangt werden. Kleine Schritte sind auch Schritte. Und dass im Netz verstärkt über Müll in Wäldern oder Papier- statt Plastiktüten für Hundebesitzer diskutiert wird, ist auch darauf zurückzuführen, dass die Demonstranten diese Themen regelmäßig ansprechen.