Halvor Egner Granerud hat die Vierschanzentournee gewonnen. Foto: dpa/Daniel Karmann

Der dominante Halvor Egner Granerud beendet die norwegische Skisprung-Flaute bei der Vierschanzentournee. Deutschlands Adler sind erneut so chancenlos wie schon am Innsbrucker Bergisel.

Deutschlands Skispringer haben bei der Vierschanzentournee das nächste sportliche Debakel erlebt und beim Triumph von Halvor Egner Granerud erneut nur Statistenrollen gespielt. Während der Norweger am Freitag in Bischofshofen zwei weitere Traumflüge (139,5 und 143,5 Meter) zeigte und erstmals den goldenen Adler für den Gesamtsieger eroberte, schaffte es wie in Innsbruck kein Deutscher unter die besten Zehn der Tageswertung. 

Noch gravierender: Auch im Gesamtranking waren Andreas Wellinger und Co. chancenlos. Wellinger fiel nach einer durchwachsenen Leistung als bester Deutscher noch aus den besten Zehn und wurde Elfter. Ein Tournee-Ranking ohne Deutschen in den Top Ten gab es zuletzt vor zwölf Jahren, doch selbst da war das Abschneiden noch besser.

Graneruds Triumph, für den es neben seinem Gesamtweltcup-Titel 2020/21 der größte Erfolg war, geriet im Dauerduell mit Polens Dawid Kubacki nicht mehr groß in Gefahr. Der 26-Jährige beendete vor 14 000 Zuschauern auch Norwegens Gesamtsieg-Flaute, die seit dem Titel von Anders Jacobsen im Januar 2007 immerhin 16 Jahre dauerte. Das Gesamtpodest komplettierte als Dritter Anze Lanisek aus Slowenien. Das Trio hatte die gesamte Tournee geprägt. Am Freitag gewann noch mal Granerud, diesmal vor Lanisek und Kubacki.

Für das deutsche Team endete das Sprungspektakel so trist wie lange nicht

Für das deutsche Team endete das Sprungspektakel so trist wie lange nicht. Die Schützlinge von Bundestrainer Stefan Horngacher waren gegen die furios fliegende Weltspitze erneut chancenlos. Horngacher hatte schon vor dem ernüchternden Schlusswettbewerb gesagt, dass es sich derzeit um die bitterste Phase in seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit handelt. Der erste Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002 war schon ab dem Neujahrsspringen überhaupt kein Thema mehr.

Erstmals seit drei Jahren waren beim traditionellen Tournee-Finale am Dreikönigstag wieder Zuschauer zugelassen. Schon um die Mittagszeit lief deshalb in dem beschaulichen Ort im Pongau eine ausgelassene Party mit lauter Musik und mehreren großen Bühnen. Drei Fans kamen passend zum Anlass verkleidet als „Heilige Drei Bierkönige“ mit Schaumkronen auf dem Kopf. In den Wirtschaften wurde als Appetitmacher der „Stefan-Kraft-Springer-Toast“ zu Ehren von Österreichs Topflieger serviert.

Für Gelb-Träger Kubacki begann der Tag mit einer besonderen Nachricht. Seine Frau Marta brachte in der Heimat das zweite gemeinsame Kind zur Welt. „Das Baby ist während unseres Warm-ups zur Welt gekommen. Ich habe ihn nur mit einem Riesensmile gesehen. Es geht ihm sehr gut“, sagte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler in der ARD. Schon das erste Kind Kubackis war während der Vierschanzentournee zur Welt gekommen - vor zwei Jahren hatte er danach direkt das Neujahrsspringen gewonnen.

Für die deutschen Athleten ging es nach dem Debakel vom Bergisel nur noch um Schadensbegrenzung. Im Verlauf der 71. Tournee lief es für das Horngacher-Team immer schlechter. Nach ordentlichem Oberstdorf-Auftakt folgte ein durchwachsenes Ergebnis in Garmisch-Partenkirchen und eine schwere Niederlage in Innsbruck, als plötzlich gar kein Deutscher mehr unter den besten Zehn war. 

Youngster Philipp Raimund ist erneut bester Deutscher

In Bischofshofen ging es nicht nennenswert aufwärts. Topathlet Karl Geiger schaffte es nach Platz 51 in Innsbruck nur auf Platz 23. Youngster Philipp Raimund beendete seine verblüffende Tournee als Lichtblick erneut als bester Deutscher (Rang zwölf). Olympiasieger Wellinger musste auf der riesigen Paul-Außerleitner-Schanze seinem eigenen Gesundheitszustand trotzen, die vor allem am Donnerstag zu wünschen übrig gelassen hatte. „Mir geht es ein bissl besser, aber gut ist noch lange nicht das Stadium. Mein Energielevel ist ziemlich weit unten“, sagte Wellinger, der Magenprobleme hatte.

Das galt auch für das Schneelevel. Bis auf den Kunstschnee an den Schanzen war an den zehn Tagen von Oberstdorf bis Bischofshofen überhaupt nichts winterlich. In Garmisch standen manche Fans bei 15 Grad im T-Shirt im Auslaufbereich, in Bischofshofen gab es zunächst viel Regen und dann einen sonnigen Tag mit erneut deutlichen Plusgraden. 

„Es ist sehr, sehr traurig, egal an welcher Station. Wir hatten nirgendwo Schnee, außer hier an der Schanze. Das ist sehr traurig, wenn man darüber nachdenkt, dass es eigentlich ein Wintersport ist“, sagte Raimund. Er geht davon aus, dass die Zukunft des Skispringens auf Matten stattfindet.