Ein Bild von der aktuellen Vierschanzentournee in Oberstdorf. Auf der Schanze springt immer das Risiko mit, wie unser Blick in die Vergangenheit zeigt. Foto: Daniel Karmann/dpa

Auf der Schanze springt immer das Risiko mit. Die meisten kommen glimpflich davon, doch neben dem Körper leidet auch die Psyche. Ein Rückblick.

6. Januar 2015. Im Auslauf der Paul-Ausserleitner-Schanze in Bischofshofen liegt ein Skispringer, der gerade in seinem aggressiven Stil sehr weit geflogen ist. Zu weit. Denn er kann seinen Sprung nicht stehen, kippt nach der Landung mit dem Oberkörper nach vorne, knallt mit dem Gesicht in den Schnee und schlittert quälend lange reglos über die vereiste Fläche: der Schweizer Simon Ammann.

Nicholas Fairall stürzt zweimal fast identisch

Sofort denken die Zuschauer an den Tag zuvor. Dem US-Amerikaner Nicholas Fairall reißt es nach der Landung bei seinem Trainingssprung vor der letzten Qualifikation der Vierschanzentournee die Beine auseinander, die Ski lösen sich und Fairall rollt sich den Hang hinunter. Glimpflich ausgegangen. Er wird ärztlich gecheckt und bekommt grünes Licht für seinen Quali-Start. Und dann das: In der Qualifikation gibt es ein Déjà-vu für die Zuschauer, Fairall stürzt auf die exakt gleiche Weise – nur dass sich der Ski nicht löst. Der Körper verdreht sich, und der damals 25-Jährige bleibt im Auslauf liegen. Er wird sofort ins Krankenhaus gebracht und notoperiert. Er hat sich bei seinem Sturz einen Lendenwirbel gebrochen.

Simon Ammann hat Glück im Unglück

Und jetzt liegt Simon Ammann da blutüberströmt im Auslauf und rührt sich nicht. Die Skisprung-Fans halten den Atem an: Sie bangen um Simon Ammann, der schon alles gewonnen hat, nur nicht die Vierschanzentournee. Am Ende geht es glimpflich aus, im Krankenhaus wird eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert, Schürfungen und Prellungen. Was der Sturz psychisch mit dem Doppelolympiasieger macht, das weiß noch niemand. Aufatmen bei den Fans – und beim 21-jährigen Überraschungssieger Stefan Kraft, der nun seinen Vierschanzen-Coup erst richtig genießen kann.

Thomas Morgenstern macht Schluss

Denn auch die Österreicher hatten ein Jahr davor einen schweren Schanzen-Unfall zu verkraften. Thomas Morgenstern, der des Öfteren für seine Sprünge nahe der Perfektion die seltene 20,0 von allen Wertungsrichtern erhalten hatte, stürzt erst in Titisee-Neustadt, wo er sich einen Finger bricht und Prellungen am ganzen Körper davonträgt. Vier Wochen später verliert er im Training für das Skifliegen am Kulm in Österreich wegen eines minimalen Fehlers in der Luft das Gleichgewicht und schlägt mit Rücken und Kopf hart auf. Er erleidet eine schwere Kopfverletzung und eine Lungenquetschung.

Schon 2003, zu Beginn seiner Karriere, hatte Morgenstern beim Weltcup in Kuusamo einen ähnlichen Horrorsturz erlebt. "Dieser Sturz ist immer noch in meinem Kopf drin", gab der Österreicher Jahre später zu. Und so ähnlich ergeht es ihm 2014. Er kann das Erlebnis nicht mehr abschütteln und beendet seine große Karriere ein Jahr später. Heute bietet er mit seiner Firma Hubschrauberflüge an und ist glücklich, andere glücklich machen zu können.

Daniel-Andé Tande mit unglaublichem Comeback

Noch ganz aktuell im Gedächtnis ist der Sturz von Daniel-André Tande. Im Probedurchgang vor dem Skifliegen in Planica verliert er schnell das Gleichgewicht, schleudert kreuz und quer durch die Luft, schlägt hart auf und muss wiederbelebt werden. Er trägt eine punktierte Lunge, einen Bruch des Schlüsselbeins und vier innere Hirnblutungen davon – und steht fünf Monate später wieder auf der Schanze.

Sport-Karriere auf neuem Gebiet

Weniger Glück hatte Nicholas Fairall. Er bleibt inkomplett querschnittsgelähmt – wie 2016 auch Lukas Müller, der wegen Materialproblemen beim "Einfliegen" für die Skiflug-WM am Kulm bei 120 Metern auf den Hang stürzt und sich den sechsten und siebten Wirbel bricht. Doch auch Fairall lässt sich nicht unterkriegen. Er ist Kapitän der US-Para-Wasserski-Mannschaft und saust im Winter mit dem Mono-Ski die Pisten herunter.

Rückkehr an die Schanze

Und Lukas Müller, der sich sportlich schon im Monoskibob und Rollstuhlrugby versucht hat, ist zu seinen geliebten Schanzen zurückgekehrt und hat Anfang des Jahres seinen Skisprung-Trainerschein gemacht.