Dürre- und Hitzeperioden kommen viel häufiger vor als früher. Gemeinden und Kreise haben vielfach noch keinen Plan, was sie vor Ort dagegen tun wollen. Die Umweltministerin Steffi Lemke will sie nun per Gesetz dazu verpflichten.
Der Klimawandel macht Menschen und Natur in Baden-Württemberg durch mehr Hitze, Dürre und Extremwetter zu schaffen – doch nur etwa jeder dritte Landkreis hat nach eigener Einschätzung bereits ein umfassendes Konzept, wie er sich an die unvermeidbaren Folgen der Erderhitzung anpassen will. Das ist das Ergebnis einer Recherche unserer Zeitung mit Correctiv, NDR, BR und WDR.
Elf Landkreise haben nach eigener Einschätzung ein entsprechendes Konzept. Vier arbeiten daran, und weitere vier Landkreise wissen von Konzepten in ihren Gemeinden. Acht kreisfreie Städte und Kreise haben nicht geantwortet. Konkret sollten die Befragten festhalten, wie sie vor Ort die Folgen des Klimawandels abmildern. Verpflichtend sind solche Konzepte bisher nicht, und es gibt auch noch keine offizielle Definition eines Konzepts – deshalb gibt die Umfrage eine Selbsteinschätzung der Kreise wieder. Allerdings will die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Donnerstag einen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen, der unter anderem Kreisen und Kommunen vorschreibt, ihre lokale Klimaanpassung auszuformulieren. Vor gut einem Jahr hatte sie ein Sofortprogramm aufgelegt.
Regeln zu Wasser und Begrünung
Konkret können asphaltierte oder betonierte Flächen entsiegelt werden, dann speichern sie weniger Wärme, und Regen kann leichter versickern. Bäume, begrünte Dächer und Fassaden, Wasserspiele sowie Trinkbrunnen spenden Schatten und kühlen den umliegenden Stadtraum. Bei der Begrünung sollte bedacht werden, vermehrt dürre- und hitzeresistente Pflanzenarten einzusetzen. Ein Regelwerk kann klären, wer in Dürreperioden wie viel Trink- und Grundwasser nutzen darf. In der Nähe von Gewässern sind zudem oft Deiche, Überflutungsflächen oder Sickergruben wichtig. Hitzeaktionspläne legen fest, was während Hitzeperioden zu tun ist.
Zu solchen einzelnen Ansätzen haben die Kreise Auskunft gegeben – und in vielen Fällen schon von einzelnen Maßnahmen berichtet, unabhängig von der Frage, ob sie im Kreis in eine umfassende Strategie eingebettet sind. In den Gemeinden im Kreis Ludwigsburg etwa wurden zwei Maßnahmen bereits ergriffen; drei seien für die kommenden Jahre geplant, und zwölf weitere würden noch bewertet. Der 2022 veröffentlichte Bericht zum Projekt „Klimopass“ versammelt Ideen „zur proaktiven Anpassung an den Klimawandel“. Nach eigener Einschätzung hat der Kreis Ludwigsburg damit ein Konzept für die Anpassung an den Klimawandel.
Legt man diese Definition zugrunde, dann könnte auch der Landkreis Böblingen für sich in Anspruch nehmen, bereits ein Anpassungskonzept zu besitzen. Im vergangenen Herbst ist das mit dem Verband Region Stuttgart erarbeitete Papier „KlimaBB“ erschienen, das auf mehr als 300 Seiten die Situation jeder Kommune analysiert und konkrete Maßnahmen vorgeschlagen hat.
Intensive Gedanken macht man sich auch im Kreis Göppingen, zumal der Kreis mit Fördermitteln von der Bundesregierung ausgestattet worden ist. Noch nicht so weit fortgeschritten sind die Überlegungen in Esslingen. Der Rems-Murr-Kreis und die Stadt Stuttgart haben sich nicht an der Umfrage beteiligt. Stuttgart begründet das damit, dass die Beantwortung aus Großstadtsicht sehr komplex gewesen wäre und dafür Fachleute aus verschiedenen Ämtern hätten zusammenarbeiten müssen. Das sei angesichts der Fülle der Anfragen nicht zu leisten. Eigentlich hat die Stadt bereits ein Klimaanpassungskonzept, das derzeit weiterentwickelt wird.
Hohe finanzielle Schäden
Baden-Württemberg liegt laut der Correctiv-Recherche knapp über dem Schnitt. Bundesweit gibt ein Viertel der antwortenden Stadt- und Landkreise an, ein Konzept zur Klimaanpassung zu haben. Zugleich gaben 96 Prozent der antwortenden Verwaltungen an, in Zukunft mit mehr Wetterextremen zu rechnen. 86 Prozent gehen von finanziellen Schäden durch Klimafolgen aus.
Dass sich das Klima ändert, ist belegt – auch durch Daten zur Entwicklung vor Ort. Sowohl die Zahl der Hitzetage als auch die der Dürremonate nimmt flächendeckend zu. Verglichen mit den Jahren 1961 bis 1990 hat sich die Zahl der Hitzetage ab 30 Grad im Land in den letzten 30 Jahren verdoppelt.
In Dürremonaten ist mindestens die Hälfte der Bodenfläche eines Kreises zu trocken. Regionalisierte Daten des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigen: 1961 bis 1990 waren die Böden im Schnitt 1,7 Monate im Jahr zu trocken, seither sind die Dürreperioden fast doppelt so lang. In Stuttgart stieg der Wert von 1,5 auf 3,6 Monate, in den vergangenen fünf Jahren war es im Schnitt sogar 11,4 Monate lang zu trocken – also quasi permanent. Die Daten beziehen sich auf den Gesamtboden bis 1,8 Meter Tiefe. Obere Bodenschichten erholen sich bei Regen schneller. Doch auch hier haben die Dürremonate um 50 Prozent zugenommen.
Klima-Recherche
Verbund
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation unserer Redaktion mit Correctiv, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk Correctiv.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Weitere Infos unter correctiv.org/klima
Umfrage
Für die Recherche bekamen alle 400 Landkreise und kreisfreien Städte im Mai 2023 einen umfangreichen Fragebogen zugeschickt, in dem nach Klimaanpassungskonzepten und konkreten Maßnahmen gefragt wurde. 329 von ihnen, also mehr als 80 Prozent, haben geantwortet.