Die deutsche Fußballnationalmannschaft tritt bei der WM in Katar am Mittwoch, 23. November, das erste Mal gegen den Ball. Verfolgen werden das Turnier viele Lahrer, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Foto: Charisius

Die Fußball-Weltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar beginnt am Sonntag und ist die wohl umstrittenste WM aller Zeiten. Wir haben Persönlichkeiten der Region gefragt, wie sie mit der Skandal-WM umgehen.

Lahr und Region - Der Austragungszeitpunkt im Winter ist nur ein Aspekt; Kritik gibt es vor allem an der fragwürdigen Menschenrechtslage und der Ausbeutung von Arbeitern beim Stadionbau. Dennoch wird das größte Sportereignis der Welt Millionen von Menschen vor die Bildschirme ziehen, die sich schlicht auf spannenden Fußball freuen. In der Fotostrecke geben verschiedene Lahrer ihre Einschätzung zum Turnier ab. Auch unsere Redakteure Jonas Köhler und Felix Gieger nehmen Stellung.

WM-Schauen? Ja! – von Jonas Köhler

Ja, ich werde die WM schauen, aber nein, ich finde es nicht gut, dass sie in Katar stattfindet. Fußballfans dazu aufzufordern, das Turnier zu boykottieren, halte ich allgemein für zu viel verlangt. Diese Weltmeisterschaft hätte aus zahlreichen Gründen nie nach Katar vergeben werden dürfen, aber nun ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Und so langsam baut sich eine rein sportliche Vorfreude auf das Turnier auf.

Ich finde es gut, wie die Medien, die über die Spiele berichten, das Turnier angehen – immer mit einem kritischen Blick, aber wenn das Spiel angepfiffen wird, steht der Fußball im Mittelpunkt. So werde auch ich die WM genießen können. Und warum eigentlich nicht mit Glühwein und Plätzchen? Das ist natürlich ungewohnt bei einer WM, aber es ist auch nicht so, dass im Winter nie Fußball gespielt wird.

„Andere Sportveranstaltungen funktionieren im Winter“

Darüber hinaus funktionieren andere Sportveranstaltungen auch im Winter. Die Darts-Weltmeisterschaft, die traditionell im Dezember beginnt, wird immer populärer und bietet für viele Fans Anlass zu Partystimmung. Wintersport wie Skispringen und Biathlon sind auch sehr beliebt, und wenn man sich anschaut, wie viele Fans teilweise bei Minusgraden an der Schanze oder an der Strecke stehen, um den Athleten zuzujubeln, kann man sich schon vorstellen, dass – bei gutem Wetter – sich auch im Außenbereich der Kneipen zahlreiche Fußballfans vor einer Leinwand versammeln. Die Wirte wird es freuen, wenn sie viel Umsatz machen. Nach den Lockdowns durch Corona können sie es gebrauchen.

Darüber hinaus sollte man auch einfach den Fußball genießen dürfen und nicht nur die Spiele an sich, sondern auch die Diskussionen darüber hinaus. Darauf freue ich mich vielleicht am meisten, mit Freunden und Kollegen zu diskutieren, ob nicht doch lieber Gündogan von Anfang an hätte spielen sollen oder ob Süle vielleicht das Gegentor in der 74. Minute verhindert hätte, wäre er etwas schneller eingerückt. "80 Millionen Bundestrainer", hieß es immer, wenn ein großes Turnier wie eine WM anstand. Dieses Jahr werden es wohl weniger sein, die das Turnier aktiv verfolgen. Und alle, die es verfolgen, sollten zumindest um die Spiele herum immer die Missstände im Veranstaltungsland im Hinterkopf haben. Es scheint mir utopisch, dass sich durch die WM etwas in Katar verändert. Aber wenn die Menschen laut genug sind, gibt es immerhin die Chance, dass die Fifa aus ihren Fehlern lernt.

WM-Schauen? Nein! – von Felix Gieger

Eines vorweg: Dass die WM nun in Katar stattfindet, dafür können weder Spieler noch Fans irgendetwas. Diese Entscheidung haben Menschen bei der Fifa getroffen, denen es nicht um den Sport oder die Fans, sondern einzig und alleine ums Geld geht. Und jeder, der möchte, darf so viele WM-Spiele schauen, wie er will – ohne schlechtes Gewissen und ohne sich gegenüber anderen rechtfertigen zu müssen.

Auch für mich waren Welt- und Europameisterschaften im Fußball immer etwas Fantastisches. Mitte Juni, die Sonne scheint – und im Fernseher laufen täglich mehrere Fußballspiele, stundenlange Live-Berichterstattung über das völlig unspektakuläre Leben im DFB-Quartier inklusive. Schon Tage vorher freute ich mich auf den Start, die WM-Stimmung im Umfeld war spürbar. Das ist in diesem Jahr anders, zumindest bei mir. Um ehrlich zu sein, weiß ich nur aus beruflichen Gründen, dass die WM in wenigen Tagen beginnt. Von WM-Fieber keine Spur. Das Turnier in Katar werde ich daher nicht als Fan, sondern nur als Sportredakteur verfolgen. Denn die Entscheidung, ein Turnier mit solcher Strahlkraft nach Katar zu vergeben, war damals wie heute falsch.

„Im Winter der DFB-Elf zuzuschauen, fühlt sich einfach falsch an“

In dem Gastgeberland werden Menschenrechte mit Füßen getreten, rund 6500 Gastarbeiter sind bei den Bauarbeiten verstorben. Und auch das Argument, dass ein solches Großereignis beim Gastgeber für einen Wandel sorgen kann, wurde vom WM-Botschafter höchstpersönlich entkräftet. Der bezeichnet Homosexualität öffentlich als "geistigen Schaden", Wille zur Veränderung klingt anders. Und dort sollen Fans aus aller Welt ein Fußballfest feiern? Für mich schwer vorstellbar.

Dazu kommt der Zeitpunkt. Mit dem DFB-Team mitfiebern, während draußen, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, um 17 Uhr die Sonne untergeht, anstatt sich abends an einem lauen Sommerabend mit Freuden im Biergarten zu treffen? Und das, während in Katar die Stadien mit Mega-Klimaanlagen heruntergekühlt werden, damit man es im Stadion überhaupt aushält? Das passt für mich einfach nicht zusammen – und soll auch bitte nicht die Zukunft werden. Es bleibt zu hoffen, dass die WM-Vergabe ein einmaliger Fehler der Fifa bleibt. Der Fußball muss zurück zu den Fans, denen er mal gehörte. Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, führt diese komische Winter-WM in Katar ja tatsächlich zu einem Umdenken bei Infantino und Co.