Unser Redakteur ist neu in Calw. Und weiß so gut wie gar nichts über die Hermann- Hesse-Stadt. Das gibt ihm die Chance, alles in und um Calw zum ersten Mal zu erleben. Was er sich dabei nicht entgehen lassen soll, lässt er sich von einer KI empfehlen – und macht das dann auch.
Während ich mich zum allerersten Mal über viele Kurven und Kreisverkehre Calw nähere, merke ich, wie in mir die Aufregung wächst. Ich habe so viele Fragen. Wie ist Calw wohl? Wie sind die Menschen? Und wie wird es mir gefallen?
Schon befinde ich mich auf den letzten Metern der gewundenen Straßen, die mich hinab ins Nagoldtal in Richtung Calwer Innenstadt führen. Vorbei an einem weiteren Blitzer – Nummer vier, wenn ich mich nicht irre. Das ergibt die nächste Frage: Fahren die Calwer besonders gut oder besonders schlecht Auto? Ich schiebe den Gedanken vorerst beiseite und konzentriere mich erstmal auf die Parkplatzsuche.
Nachdem diese Hürde genommen ist, geht es schnurstracks zu den Geschäftsräumen des Schwarzwälder Boten und mein erster Arbeitstag in der Lokalredaktion Calw beginnt. Ich werde freundlich in Empfang genommen und bekomme den Auftrag, mich erstmal in aller Ruhe ein wenig mit der Stadt vertraut zu machen. Aber wo und wie fängt man damit an?
KI macht’s möglich
Der Ansatz, die Ordner der letzten zehn Jahre durchzugehen und mir die großen Themen der Calwer Stadtpolitik anzueignen, klingt wenig verlockend. Ich entschließe mich stattdessen, wie es sich für 2024 gehört, eine KI zu fragen, was man in Calw unbedingt gesehen und gemacht haben sollte. Und diese Dinge dann auch zu tun. Wenige Minuten später halte ich dank „Travel Guide“ (eine auf Reiseplanung spezialisierte Erweiterung von ChatGPT) einen umfassenden Aktionsplan in der Hand.
„Ah, Calw! Ein zauberhaftes Juwel im Schwarzwald, das mit seiner charmanten Fachwerkarchitektur, verwunschenen Gassen und einer reichen literarischen Geschichte lockt“, heißt es da. Ich solle unbedingt den Marktplatz und das angrenzende Fachwerk-Ensemble besuchen, das zu den schönsten und besterhaltenen Baden-Württembergs gehöre.
Zwei Mal zerstört
Mein Interesse ist geweckt, denn so wie die Hermann-Hesse-Stadt Calw ist auch meine Heimatstadt, die Lessingstadt Wolfenbüttel in Niedersachsen, bekannt für ihr historisches Fachwerk. Schnell stoße ich auf den von der Stadt Calw kostenlos zur Verfügung gestellten Stadtrundgang „Fachwerk in Calw“( im Internet auf calw.de/touren/fachwerk-in-calw oder an der Touristinfo zu finden), zu dem es zusätzlich einen Podcast gibt, der die einzelnen Stationen erklärt.
Und so mache ich mich auf den Weg, Calw und seine Fachwerkhäuser zu entdecken. Auf meiner Tour erfahre ich vieles über die Geschichte der Stadt Calw. Zum Beispiel, dass die Altstadt im 17. Jahrhundert zwei Mal fast vollständig zerstört wurde. Einmal 1634 im Dreißigjährigen Krieg und einmal 1692 durch französische Truppen im Pfälzer Erbfolgekrieg.
Wiederaufbau ging erstaunlich schnell
Dass der Grundriss der Stadt immer noch dem aus dem 13. und 14. Jahrhundert entspricht, hängt damit zusammen, dass die meisten Gebäude einfach wieder neu auf den alten Grundmauern errichtet wurden. Und obwohl während des zweiten Wiederaufbaus erschwerend die Pest herrschte und die Leute Hunger litten, ging er den Berichten nach erstaunlich schnell vonstatten.
Dabei setzte man vornehmlich auf konstruktives Fachwerk. Das bedeutet, man baute die Häuser zwar als Fachwerkkonstruktion, jedoch nicht mit dem Ziel, dass dieses im Nachhinein sichtbar ist. Im frühen 18. Jahrhundert war es dann sogar aus feuerschutztechnischen Gründen Vorgabe die Fassaden zu verputzen.
Viele der Fachwerkfassaden in der Calwer Altstadt wurden erst deutlich später von ihrer Putzschicht befreit. Wie beispielsweise das Haus in der Postgasse 3, bei dem zahlreiche Ornamente zum Vorschein kamen.
Ich merke, wie ich langsam zum Fachwerk-Fan werde und wie sich mein Blick schärft. Mir fallen Konsölchen- und Zackenfriese auf, ich sehe Andreaskreuze, Feuerböcke und Eselsrücken. Viele Details, die ich im Alltag gar nicht erst gesehen hätte und die ich nun sogar benennen kann.
Und während sich meine Tour dem Ende entgegen neigt, frage ich mich was ich im Alltag noch alles verpasse. Nur weil ich nicht mit offenen Augen durch die Gegend wandere und mir nicht die Zeit nehme, die schönen Dinge genießen. Dadurch wird mein Fachwerkrundgang auch zu einer kleinen Reise zu mir selbst.
Führung erleichtert Zugang
Mein persönliches Fazit: Das Fachwerk in Calw ist auf jeden Fall wunderschön und beeindruckend. Auch der Service der Stadt, den Rundgang inklusive zugehörigem Plan und Audio-Guide kostenlos zur Verfügung stellen, ist toll, erleichtert den Zugang für Ortsfremde und macht Lust auf mehr.
Sogar so sehr, dass ich im Anschluss kurzerhand die Investition von zwei Euro wage und mir bei der Touristinfo den Führer für den historischen Stadtrundgang kaufe. Jedoch plane ich als nächstes erstmal, mich dem Aushängeschild Calws, Hermann Hesse etwas anzunähern. Ich hab gesehen, es gibt sogar ein Museum, das sich ihm widmet.