Der VfB Stuttgart ist dieser Tage in aller Munde. Viele Spieler werden mit Lobeshymnen überhäuft. Nur über einen spricht man kaum. Zeit, dass sich das ändert.
Der VfB Stuttgart beherrscht in diesen Tagen die Schlagzeilen. Die Weiß-Roten sind in aller Munde. Diverse Spieler werden in den Himmel gelobt. Sicher, man kann über Deniz Undav reden. Schließlich hat er einen absoluten Lauf, vier Tore in vier Spielen innerhalb von zehn Tagen sind ein Brett. Auch Ermedin Demirovic steht berechtigterweise im Fokus, hat er doch mit fünf Torschüssen in vier Bundesliga-Partien vier Treffer erzielt. Und dass man nach diesem Auftritt am Wochenende über Stuttgarts wohl nächsten Multimillionen-Transfer Enzo Millot spricht, liegt auf der Hand. Aber niemand spricht über Jamie Leweling. Dabei ist es höchste Eisenbahn. Zeit, eine Lanze zu brechen.
Denn der gebürtige Nürnberger hat sich vom oftmals überhastet agierenden Energiebringer von der Bank (Vorsaison 17x Startformation, 17x Joker in der Bundesliga) zum ganz klaren Stammspieler gemausert. Woche für Woche wird spekuliert, welche Ausnahmekönner die Offensive des VfB im kommenden Spiel bilden werden. Chris Führich oder Fabian Rieder? Undav und Demirovic oder Undav und El Bilal Touré? Oder setzt Trainer Sebastian Hoeneß jetzt auf Nick Woltemade? Spoiler: Leweling spielt. Der 23-Jährige stand in bisher jeder Partie in der Startformation. Er steigerte sich im Vergleich zur Vorsaison von durchschnittlich 45 Minuten Einsatzzeit pro Partie auf 84. Eine Entwicklung, die unter anderem Silas zur Flucht zu Roter Stern Belgrad veranlasste.
Der Offensivspieler bringt dabei Qualitäten ein, die jeder Trainer gerne hat. Leweling agiert taktisch diszipliniert, fräst mit hoher Laufleistung und -intensität die Außenbahnen rauf und runter und lässt einfach alles auf dem Feld, was er hat. Macht sich „komplett leer“, wie es im Trainer-Sprech gerne heißt. Das hatte sich nicht angedeutet. „Ich war mit Jamie in den ersten Wochen der Vorbereitung nicht so zufrieden“, ließ Hoeneß zuletzt wissen.
Einzelgespräche und Videoanalysen führen zur Leistungsexplosion
Einzelgespräche und dezidierte Videoanalysen seiner Auftritte folgten. Seither liefert Leweling ab. In seiner aktuellen Verfassung sei er „sehr schwierig zu verteidigen“, lobt Hoeneß. „Er ist in der Lage, mit seinem Körper, seiner Wucht und Schnelligkeit sehr viele Verteidiger vor große Probleme zu stellen. Er hat viele offensive Impulse gebracht.“ Beispiele gefällig? Da hilft ein Blick in die Datenbanken des Instituts für Spielanalyse aus Berlin. Leweling hat in der aktuellen Saison bisher ein Tor erzielt und drei Vorlagen gegeben, letzte Saison waren es insgesamt vier und neun nach 34 Spieltagen. Eine deutliche Tendenz nach oben. Mehr Abschlüsse: Schüsse aufs Tor haben sich auf 1,3 pro Spiel verbessert, was eine Steigerung gegenüber 0,7 zur Vorsaison darstellt.
Besonders auffällig ist laut den Sportwissenschaftlern seine Passgenauigkeit. Leweling zeigt eine konstant gute, insbesondere bei langen Bällen (40 % in der aktuellen Saison vs. 47,8 % in der Vorsaison, gegen den BVB kamen 24 von 29 Pässen an, was einer Quote von 83 % entspricht). Wichtige Pässe: Er spielt pro Spiel im Schnitt 1,5 wichtige Pässe, ist aktiv am Kreieren von Torchancen beteiligt. Diese Zahl ist konstant mit der Vorsaison (1,5 Pässe). Gegen Dortmund konnte er so Großchancen initiieren beziehungsweise war direkt an Treffern beteiligt. Beim 1:0 durch Undav war es sein kurz angezogener Lauf, der die Dortmunder Abwehr komplett irritierte und so Undav den Raum bot, in den er durchstarten konnte. Beim 2:0 von Demirovic gab Leweling den Pre-Assist, also die Vorlage zur Vorlage. Insgesamt zeigte er eine solide Leistung, auch wenn er in den offensiven Statistiken nicht direkt in Erscheinung trat. Er spielte durch und war mit 51 Ballaktionen aktiv am Spiel beteiligt.
Bei aller positiven Tendenz sieht man intern in dem 1,84 m großen Angreifer noch mehr Potenzial. Zumal er sich in manchen Statistikbereichen weiter verbessern kann. So ist beispielsweise die Zahl der Ballverluste, die von 7,4 in der Saison 2023/24 auf 13,5 in der aktuellen Saison gestiegen ist, ein Punkt, an dem es zu arbeiten gilt. Gegen Dortmund leistete sich Leweling 16 Ballverluste – deutlich zu viele.
„Er ist sicherlich noch nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen“, bilanziert Sportvorstand Fabian Wohlgemuth und bricht ebenfalls eine Lanze – nämlich für die eigene Scoutingabteilung. Die hat sich vor der Saison vehement für eine feste Verpflichtung des zuerst für eine überschaubare sechsstellige Summe vom 1. FC Union geliehenen Spielers starkgemacht. Der VfB nutzte seine Kaufoption, schlug für fünf Millionen Euro zu – mittlerweile hat Leweling den Zahlen einer bekannten Plattform zufolge seinen Marktwert nahezu verdoppelt. Auch hier dürfte die Entwicklung wohl noch nicht abgeschlossen sein.