Ein Bild aus der Vergangenheit: Bernd Wahler bei der letzten Mitgliederversammlung Foto: Baumann

Am Sonntag stellen die VfB-Mitglieder die Weichen für die Zukunft – mit Wolfgang Dietrich an der Spitze? Ein Überblick über die Themen der Mitgliederversammlung in der Schleyerhalle.

Stuttgart - Zwischen 3000 und 4000 Mitglieder werden in der Schleyerhalle erwartet, um über die Zukunft des VfB Stuttgart abzustimmen. Dabei geht es vor allem um die Wahl eines neuen Präsidenten, aber auch um wegweisende Satzungsänderungen beim Fußball-Zweitligisten. Die drängendsten Fragen und die wichtigsten Antworten vor der Mitgliederversammlung an diesem Sonntag (12 Uhr):

Wie läuft die Präsidentenwahl?

Der Aufsichtsrat des VfB hat Wolfgang Dietrich als einzigen Präsidentschaftskandidaten nominiert, obwohl das Kontrollgremium die Möglichkeit gehabt hätte, einen zweiten Kandidaten vorzuschlagen. Doch Martin Schäfer, Hartmut Jenner und Wilfried Porth sind davon überzeugt, in dem 68-Jährigen aus Leonberg einen „hoch qualifizierten“ Mann ins Rennen zu schicken. Nur: An der Figur Wolfgang Dietrich haben sich seither Diskussionen entzündet. Weil er früher als Sprecher des umstrittenen Bahnprojekts S 21 und als Darlehensgeber im Fußballgeschäft tätig war.

Bei der Mitgliederversammlung benötigt Dietrich mindestens 50 Prozent der Stimmen, um Präsident zu werden (vierjährige Amtszeit). Erreicht er diese Mehrheit nicht, muss der Verein innerhalb von drei Monaten eine außerordentliche Mitgliederversammlung abhalten, um einen neuen Chef zu wählen. Fällt der Kandidat erneut durch, hievt der Aufsichtsrat einen Präsidenten ins Amt. Es ist aber davon auszugehen, dass Dietrich für eine zweite Abstimmung nicht zur Verfügung steht. Dass er sich gar vom Aufsichtsrat zum Präsidenten bestellen lässt, ist auszuschließen.

Welche Satzungsänderungen gibt es?

In den umfangreichen Einladungsunterlagen füllen die geplanten Satzungsänderungen die meisten der mehr als 30 DIN-A4-Seiten. Kernpunkt ist, den VfB demokratischer zu machen. Das ist das Ergebnis des Projekts „Vereinsentwicklung“, das die Stuttgarter sehr aufwendig in ihren Regionalversammlungen erarbeitet haben. Deshalb sollen auch die Mitgliederrechte gestärkt werden. Dabei geht es um die Schaffung eines Vereinsbeirats, der den bisherigen Ehrenrat ersetzt, ebenso um regelmäßige Dialogveranstaltungen, die verpflichtend durchgeführt werden sollen.

Um die Demokratisierung und die Beteiligung an Entscheidungen bei aktuell 48 271 Mitgliedern zu forcieren, soll es künftig auch die Möglichkeit zur Briefwahl beziehungsweise Online-Abstimmung geben. Zu den vorgeschlagenen Satzungsänderungen gehört weiter, dass das Mindestalter der Stimmberechtigten von 18 Jahren auf 16 Jahre gesenkt werden soll. Und da sich der VfB weiter als Traditionsverein sieht, sollen die Werte in die Präambel der Satzung aufgenommen werden.

Auch die Übernahme des Inhalts der Geschäftsordnung in die Satzung gehört zum Gesamtpaket – was es mächtig erscheinen lässt. Das hat bei Dirk Freiland zu der Sorge geführt, dass die vielen Änderungsvorschläge nicht auf einmal verabschiedet werden, zumal dafür eine Dreiviertelmehrheit benötigt wird. Aus diesem Grund hat Freiland einen Antrag gestellt, der nur über die Vorschläge zu den Mitgliederrechten abstimmen lassen soll. Die Vereinsführung hat diesen Antrag auf die Tagesordnung genommen – auch wenn sie weiter das Gesamtpaket verabschieden will. All die Satzungsänderungen sind aber auf die Zukunft ausgerichtet und wirken sich am Sonntag noch nicht aus.

Was hat der Aufsichtsrat zu erwarten?

Klar ist, dass es einen Antrag auf Abwahl des Aufsichtsrates gibt. Das ist eine neue Dimension in der Vertrauenskrise gegenüber dem Kontrollgremium. Denn in den vergangenen drei Mitgliederversammlungen wurde der Aufsichtsrat jeweils nicht entlastet. Formale Folgen hatte das nicht, aber es gilt als eindeutig, dass die Rücktritte im vergangenen Jahr auch mit dem bekundeten Misstrauen auf den Mitgliederversammlungen zu tun hatten.

Nun stehen die Wirtschaftsbosse Martin Schäfer (Würth), Hartmut Jenner (Kärcher) und Wilfried Porth (Daimler) in der Kritik. Wobei nicht auszumachen ist, ob es sich um einen symbolischen Protest handelt oder um einen persönlichen. Eine so exponierte Stellung wie sie einst der jahrelange Aufsichtsratschef Dieter Hundt innehatte, nimmt keiner aus dem Trio ein. Hundt diente als Feindbild.

Jetzt wird am Sonntag zunächst darüber abgestimmt, ob der Antrag überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Dafür braucht es eine absolute Mehrheit. Geschieht dies, kann der Aufsichtsrat abgewählt werden (mit 75 Prozent). Und wie bei einer gescheiterten Präsidentenwahl gilt: Innerhalb von drei Monaten muss eine weitere Mitgliederversammlung stattfinden. So lange würde vielleicht nicht das Chaos, aber sicher ein Machtvakuum herrschen.

Wer kommt in die Schleyerhalle?

Das ist die spannende Frage. Beantworten kann sie keiner. Stimmberechtigt sind 40 044 Mitglieder, zwischen 3000 und 4000 von ihnen werden in der Schleyerhalle erwartet. Zuletzt kamen in der Regel knapp unter 2000 Mitglieder. Die Ausnahme bildete die Versammlung, in der über das VfB-Wappen abgestimmt wurde. Da waren 3500 Mitglieder anwesend.

Diesmal wird mit einer geschlossenen Anti-Dietrich-Fraktion aufseiten der Ultrafans gerechnet. Doch schafft es die Pro-Dietrich-Fraktion, ihre Wähler zu aktivieren? Das ist die große Unbekannte in der VfB-Gleichung, die sicher Stunden dauern wird, um sie aufzulösen.