Sven Ulreich, die Nummer eins des VfB, fängt den Ball. Seine potenziellen Herausforderer stehen in den Startlöchern... Foto: Pressefoto Baumann

Was Top-Torhüter für einen Verein wert sind, haben beim VfB Stuttgart Sven Ulreich und Bernd Leno gezeigt – sowohl sportlich als auch finanziell. Torwarttrainer Andreas Menger hat daraus ein vielversprechendes Geschäftsmodell entwickelt. Eine Keeper-WG.

Stuttgart - In sportlich bewegten Zeiten, in denen alles noch kritischer hinterfragt wird als sonst, genießt auch ein Neuzugang keinen Bonus. So mehren sich im Umfeld des VfB Stuttgart die Fragen zu Torhüter Thorsten Kirschbaum (25), der im Sommer ablösefrei vom Zweitligisten Energie Cottbus kommt und Marc Ziegler (36/Vertragsende) ablöst. Fragen wie: Bringt’s der Neue? Muss Sven Ulreich um seine Vormachtstellung als Nummer eins fürchten? Was kann Kirschbaum besser als André Weis (23), der dritte Mann? Und blockiert er nicht den Aufstieg des jungen Odisseas Vlachodimos (18)? Andreas Menger, der Torwarttrainer des VfB, kann die Sorgen nachvollziehen. Gleichzeitig gibt er aber Entwarnung – in allen Punkten.

„Kirschbaum“, sagt Menger (40), „kann sich bei uns in seinem gesamten Torwartspiel verbessern. Mit Ulreich sind wir hochzufrieden, und Vlachodimos könnte noch ein Jahr bei den A-Junioren spielen. Er muss sich erst mal in der dritten Liga bewähren.“

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Andreas Menger eilt in der Fußballszene ein ausgezeichneter Ruf voraus. Nur seine Bescheidenheit verbietet ihm zu sagen, was alle anderen über den gebürtigen Berliner sagen: Torleute wie Kirschbaum kommen in erster Linie wegen Menger zum VfB. Umgekehrt passt Kirschbaum exakt in dessen Beuteschema: erfahren, aber entwicklungsfähig; qualitativ gut, aber lernwillig – und ehrgeizig. Das sind Vlachodimos und Weis auch, doch ein externer Keeper setzt neue Akzente. Er soll frischen Wind entfachen – und neuen Druck auf Ulreich. Dessen rasante Entwicklung verliert auf dem hohen Niveau, das er erreicht hat, naturgemäß an Schwung. Wenn Kirschbaum ihn zusätzlich anstachelt – gut. Wenn er dabei selbst zulegt – besser. Was daraus in zwei, drei Jahren wird, ist offen. Nur so viel: Möglich ist alles.

Denn Andreas Menger ist mehr als nur ein Ausbilder. Genau genommen ist er ein Geschäftsmann, der im Sinne und zum Wohle des VfB ein neues, bundesweit einmaliges Modell entwickelt hat, das er ständig weiter ausbaut – das Geschäft mit den Torleuten. Sichtung, Transfer zum VfB und dortige Ausbildung sollen, beginnend in frühester Jugend, mittel- und langfristig in sportliche Höhenflüge im Trikot mit dem Brustring münden – oder in einen möglichst hohen finanziellen Ertrag beim Transfer zu einem anderen Verein. Oder bestenfalls zu beidem. Exemplarisch steht dafür der Serbe Rastko Suljagic (17), den der Verein im Winter für 100.000 Euro Ablöse von Roter Stern Belgrad verpflichtet hat – gewissermaßen als Spekulationsobjekt. Zurzeit trainiert Suljagic bei der U 19. Entweder er bleibt, oder er wird im Sommer ausgeliehen. Auf jeden Fall hält der VfB alle Fäden in Bezug auf die Zukunft des Talents in der Hand.

Weis hat Interesse einiger Zweitligisten geweckt

Was die Perspektiven und die Verwendung der Torhüter angeht, gibt es keine Einschränkungen, von der Qualität abgesehen. Kein Mensch hätte etwas dagegen, wenn Ulreich einzig beim VfB eine große Karriere hinlegt. Wenn aber in den kommenden Jahren ein Verein aus England oder Spanien mit Millionen winkt, soll ein Transfer kein Tabu sein, falls ein geeigneter Nachfolger parat steht. Siehe Bernd Leno, der dem VfB bei seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen rund acht Millionen Euro einbrachte. Ähnliches gilt für Kirschbaum: Drängt er sich später mal als Nummer eins auf und der VfB hat Bedarf – wunderbar. Entwickelt er sich positiv und weckt die Begierde der Konkurrenz – auch gut, wenn die Summe stimmt.

André Weis macht es demnächst wohl vor. 2011 holte ihn der VfB als Nobody von der TuS Koblenz, jetzt hat er das Interesse einiger Zweitligisten geweckt. Zudem hat ihn Kirschbaums Transfer irritiert, weshalb im Sommer wohl der Abschied bevorsteht. „Und falls er bleibt, werden wir ihn weiter fördern“, sagt Menger.

Fördern und fordern, das ist seine Maxime. Geben und nehmen. Sportliche Leistungen und/oder finanzielle Erlöse. Hopp oder top. Zumindest in dieser Hinsicht kennt Menger keine Kompromisse. „Ich will den VfB zu einer Art Elite-Uni für Torhüter ausbauen“, sagt er. Ihm schwebt ein Studiengang mit Qualitätssiegel vor: „Am Ende sollen alle sagen: Wenn du beim VfB deine Ausbildung genossen hast, bist du bereit, in jedem Verein dieser Welt zu bestehen.“

Menger löste Versprechen ein

Als Menger vor zwei Jahren in Stuttgart antrat, versprach er: „Der VfB wird in jedem Jahrgang den deutschen Nationaltorhüter haben.“ Das Beste ist ihm gerade gut genug. Jetzt hat er sein Versprechen eingelöst. Für die U 15 hat der VfB Dominik Koch von Bayern München verpflichtet, für die U 16 steht die Lösung quasi vor der Tür – damit ist sein Plan umgesetzt. Neun Trainer kümmern sich beim VfB um 20 bis 25 Torleute. Eine gute Planung verhindert, dass sich die Keeper gegenseitig blockieren. So war der gebürtige Stuttgarter Odisseas Vlachodimos, ein deutscher Nationalspieler mit griechischen Wurzeln, vorzeitig von den A-Junioren zur U 23 aufgerückt. Seinen Platz in der U 19 hatte Konstantin Fuhry eingenommen. Der rückt zur kommenden Saison ebenfalls vorzeitig in den Drittligakader nach und schafft Platz für den jetzigen U-17-Keeper Marius Funk, ebenfalls ein deutscher Nationaltorhüter.

Alles ist in Bewegung – vor allem Mengers Gedankenwelt. An Ideen mangelt es ihm nie. So schwebt ihm vor, der VfB möge aus künftigen Torwarterlösen die passende Unterkunft für eine Torwart-WG kaufen: „Fünf Zimmer für vier Torhüter in Bad Cannstatt, und der U-19-Keeper steht als Ältester dem Haushalt vor“, sagt Menger. Damit könnte der VfB drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Torhüter aus verschiedenen Altersstufen würden sich gegenseitig motivieren, ohne in Konkurrenz zu treten, die Ausgliederung aus dem vereinseigenen Internat würde die Platznot dort entspannen, und der VfB hätte sein Geld in einer krisensicheren Immobilie angelegt. Klingt logisch. Man muss nur drauf kommen.

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