Der VfB Stuttgart will Rastko Suljagic (17) zu einem Top-Torhüter ausbilden - im Vorgriff auf eine sportlich und/oder finanziell rosige Zukunft. Foto: Pressefoto Baumann

Was ein Top-Torhüter wert ist, sieht der VfB Stuttgart an Sven Ulreich und an Bernd Leno. Der eine hält das Bundesligator des Clubs sauber, der andere hat dem Verein Millionen gebracht. Beide Beispiele sollen künftig Schule machen.

Belek - Mengenlehre, das kennen die allermeisten von uns aus der Schule. Menger-Lehre, das ist ein VfB-spezifisches Phänomen. Es ist die Kunst, gute Torhüter-Talente besser zu machen und Top-Torleute überragend. Für beides steht der Name Andreas Menger (40). Dem gebürtigen Berliner, der in Reutlingen aufwuchs, eilt ein vorzüglicher Ruf voraus. Seit 2011 verpasst der ehemalige Bundesliga-Keeper des 1. FC Köln, MSV Duisburg und von Eintracht Frankfurt den VfB-Schlussleuten den letzten Schliff, und wann immer es seine Zeit zulässt, geht er auf Fortbildung. Vergangenen Sommer etwa hospitierte er bei Inter und dem AC Mailand. Bei Juventus Turin ließ er sich von Nationaltorhüter Gianluigi Buffon in die Trainingsgeheimnisse des viermaligen Welttorhüters einweihen.

Mengers Erkenntnisse machen auch die VfB-Torhüter besser, allen voran Sven Ulreich. Und seine Methoden scheinen unendlich. Im Trainingslager in Belek jagt er den Schlussmann über Hürden und durch einen Laufparcours, ehe er den Ball auf sein Tor feuert, oder er lässt ihn mit lose zusammengebundenen Händen nach den Bällen hechten – um nur zwei Beispiele zu nennen. Kurz: Menger ist um keine Idee verlegen.

So überrascht es nicht, dass er nun ein Experiment startet, das in der Bundesliga einmalig ist, über kurz oder lang aber Nachahmer finden könnte. Zum einen, weil es nur geringe Investitionen erfordert. Zum anderen, weil es eine Menge Ertrag verspricht. Sportlich, finanziell – oder beides.

Seit Jahren ist der VfB zu Recht stolz auf seinen Torhüter-Nachwuchs. Er verfügt über Topleute in allen Altersklassen. Umso überraschender hat er nun den 17 Jahre alten Serben Rastko Suljagic für 100.000 Euro Ablöse von Roter Stern Belgrad verpflichtet – gegen die mitbietende Konkurrenz von Manchester United und Benfica Lissabon. Ist das Vertrauen in eigene Talente wie André Weis und Odisseas Vlachodimos womöglich doch nicht so groß? „Das hat damit nichts zu tun“, behauptet Andreas Menger und legt sein Geschäftsmodell offen.

Phase zwei schließt sich im Sommer an

Die Verpflichtung von Suljagic teilt sich perspektivisch in Phasen auf. Die erste Phase dauert sechs Monate bis zum Saisonende. In dieser Zeit ist das Talent beim VfB keiner bestimmten Mannschaft zugeordnet, sondern wandert zwischen der U 19, U 18, dem Schulkooperations-Training, der Eliteförderung oder auch mal wieder den Profis, bei denen er zurzeit in Belek reinschnuppert.

Phase zwei schließt sich im Sommer an. Dann wägt der Verein ab, wie sich Suljagic entwickelt hat, wie er Defizite am schnellsten aufarbeiten kann und welche Perspektive sich ihm generell bietet. Naheliegend ist dann erst einmal ein Leihgeschäft. Suljagic soll dann bei einem anderen Verein weitere Spielpraxis erlangen – beim VfB II darf er wegen seiner Nicht-EU-Zugehörigkeit ohnehin nicht eingesetzt werden. Zudem sagt Menger: „Wir dürfen unsere Talente wie Vlachodimos nicht zuparken.“ Heißt, deren Aufstieg zu den Profis soll nicht durch externe Konkurrenten gestört werden.

Suljagic war zwei Jahre lang im Blick

Phase drei steht dann in einigen Jahren an. Setzt sich Suljagic durch und ist reif für den Profibereich, kann der VfB ihn bei eigenem Bedarf zurückholen. Oder er kann ihn gewinnbringend verkaufen – so wie Bernd Leno. Der Keeper, in Bietigheim geboren und in Stuttgart ausgebildet, wechselte im Januar 2012 für rund sieben Millionen Euro zu Bayer Leverkusen, ohne dass er ein einziges Bundesligaspiel für den VfB bestritten hatte. Eine bessere Rendite ist kaum denkbar.

Dem VfB ist Rastko Suljagic im Übrigen keineswegs vor die Füße gefallen. Menger hatte ihn seit zwei Jahren im Blick. Damals war das Talent schon einmal für sechs Wochen beim VfB und trainierte in der U 17 von Trainer Thomas Schneider mit. „Rastko ist ein Torhüterdiamant, der nur geschliffen werden muss. Er kannte den Verein und unsere Philosophie der Torhüterförderung, das hat den Ausschlag gegen Manchester und Lissabon und für den VfB gegeben.“

Weitblick lohnt sich also. Damit mag sich auch Suljagic trösten, dem das harte Profitraining beim VfB naturgemäß schwer zu schaffen macht. Am zweiten Abend in Belek schlich er nach dem Essen aufs Zimmer. „Er hat den Aufzug genommen und nicht die Treppe“, sagt Andreas Menger – für den Trainer war das ein Kompliment.