Als neue Nummer eins beim VfB erlebt Thorsten Kirschbaum sein Torwart-Dasein intensiver als bisher.
Stuttgart - Vor ein paar Monaten hat sich Thorsten Kirschbaum ein paar Gedanken gemacht – über sich, sein Leben als VfB-Torwart und alles, was damit zusammenhängt. Dabei ist ihm aufgefallen: Ein Fußballprofi hat ganz schön viel Freizeit. Weil sich die mehr oder weniger sinnvoll nutzen lässt, hat sich Kirschbaum (27) entschieden, ein Fernstudium im Fach Sportmanagement aufzunehmen. Eine hübsche Idee, in die er täglich ein bis zwei Stunden investiert. Jetzt hat er eines von sieben Regelstudiensemestern hinter sich und ist ganz angetan: „Es tut mir gut, etwas für meine Birne zu machen.“
Allerdings könnten die guten Vorsätze nun rasch welken. Denn in Kirschbaums Torwartleben hat sich Grundlegendes geändert, seit er Sven Ulreich vor knapp zwei Wochen aus dem VfB-Tor verdrängt hat und von der Nummer zwei zum Stammtorhüter aufgerückt ist: Der Kopf ist nicht mehr so frei wie vorher. „Ich erlebe mein Torwart-Dasein jetzt intensiver, weil die innere Anspannung höher ist“, sagt der gebürtige Würzburger. Da kommt es schon mal vor, dass er schon morgens beim Zähneputzen an den nächsten Gegner denkt. „Ich stelle mir jetzt häufiger und schon Tage vorher vor, wie das Spiel laufen könnte, welche Stürmer auf mich zukommen und wie ich der Mannschaft bestmöglich helfen kann“, sagt Kirschbaum.
Kein Grund zur Klage, so hat er es schließlich immer gewollt. „Ich will die Nummer eins werden“, hatte er vollmundig angekündigt, als er im Sommer 2013 ablösefrei von Energie Cottbus gekommen war. Jetzt ist er am Ziel – und doch steckt er voller Tatendrang. „Jetzt will ich die Nummer eins bleiben“, sagt Kirschbaum, wohl wissend, dass dieses Ansinnen nicht minder schwierig und anspruchsvoll ist als der Sprung an die Spitze. Aber er fühlt sich ja auch gewappnet.
Nicht jedem Beobachter war klar, warum ein Stammkeeper aus der zweiten Liga zu einem Erstligisten wechselt und sich dort bereitwillig hintanstellt – Kirschbaum schon. Er wollte unter Andreas Menger trainieren, dem ein guter Ruf in der Branche vorauseilt. „Woanders hätte ich nach zwei Jahren womöglich noch mal einen Schritt machen und wieder wechseln müssen“, sagt er, „bei Menger wusste ich, dass ich dann ganz oben angekommen sein würde.“ Tatsächlich hat Thorsten Kirschbaum in den eineinhalb Jahren beim VfB vor allem in der Strafraumbeherrschung, Athletik und im Torwartspiel zugelegt. „Fußballerisch war Thorsten immer stark“, sagt Menger, „jetzt strahlt er zudem viel Ruhe aus, zeigt eine große Präsenz und ein gutes Spielverständnis. Aber er kann in allen Bereichen auch noch zulegen.“
Kein Frage, Kirschbaums Leben wird noch intensiver werden. Umkrempeln will er es dennoch nicht. Seinem Hund Demba, einer deutschen Dogge, wird er weiter so viel Aufmerksamkeit widmen wie bisher. Und sein Fernstudium will er allenfalls drosseln, aber nicht aufgeben: „Ich kann ja nicht immer nur Gassi gehen.“