Die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart an diesem Montag (18 Uhr) in der Porsche-Arena birgt brisante Themen. Der letzte Punkt der Tagesordnung ist die Wahl des Präsidenten. Bernd Wahler ist einziger Kandidat. Foto: dpa

Mitgliederversammlungen sind in der Regel nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber sie sind das wichtigste Instrument zur Mitbestimmung für die Fans. Und beim VfB Stuttgart gibt es viel zu reden: über Wahlen und Zahlen.

Stuttgart - Mitgliederversammlungen gehören naturgemäß nicht zu den bevorzugten Veranstaltungen der Club-Verantwortlichen. Gemütlich geht anders. Meistens schwankt die Stimmung proportional zum Tabellenplatz. Je schlechter die Platzierung der Mannschaft, desto explosiver die Stimmung der Fans. Die Vereins-Geschichte liefert dafür etliche Beispiele. Zuletzt 2011, als Gerd Mäuser in einer neunstündigen und zeitweise chaotischen Sitzung zum Präsidenten gewählt wurde.

 

In dieser Hinsicht hat die Führungs-Crew an diesem Montagabend in der Porsche-Arena (18 Uhr) eher wenig zu befürchten. Der überzeugende Auftritt des Teams im DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern München (2:3) stimmte am Ende einer quälend zähen Saison versöhnlich. Trotzdem steckt viel Brisanz in der Tagesordnung. Die Mitgliederversammlung wählt den neuen Präsidenten – oder auch nicht. Dem vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen einzigen Kandidaten Bernd Wahler reicht zwar die einfache Mehrheit für den Platz auf dem VfB-Chefsessel, aber das Murren an der Basis ist unüberhörbar. Die Fans halten es für undemokratisch, nur einen einzigen Kandidaten vom Aufsichtsrat vorgesetzt zu bekommen. Andererseits hat ein Teil der Mitglieder sein wichtigstes Ziel schon erreicht: Der ungeliebte Aufsichtsratschef Dieter Hundt ist nach seinem Rücktritt nicht mehr am Ball.

Dass der VfB neues Personal mit zündenden Ideen gut gebrauchen kann, belegt die Bilanz 2012: Sie schließt mit einem Minus von rund zehn Millionen Euro.

So läuft die Versammlung

Rund 3000 Mitglieder werden in der Porsche-Arena erwartet, auf dem Cannstatter Wasen (P 10) kann kostenlos geparkt werden. Der Einlass beginnt um 16 Uhr, um 18 Uhr geht es los. Die Versammlung kann außerhalb der Arena nicht verfolgt werden, auch nicht bei vfb.tv.

Vorstand Ulrich Ruf leitet in Ermangelung eines amtierenden Präsidenten die Sitzung, bei der wie in den Vorjahren eine Live-Schaltung ins Trainingslager der Profis nach Donaueschingen vorgesehen ist. Nach der Begrüßung gibt Ruf den Bericht des Vorstandes ab, dann ist Sportdirektor Fredi Bobic mit der sportlichen Bilanz an der Reihe. Danach legt Ruf in seiner Funktion als Finanzchef den Jahresabschluss 2012 vor.

Joachim Schmidt berichtet als Vorsitzender aus dem Aufsichtsrat, nach der Aussprache stehen die Entlastungen des Vorstandes und Aufsichtsrates an. Punkt neun der Tagesordnung betrifft die Wahl des künftigen Wappens und dessen Aufnahme in die Satzung.

Unter Punkt zehn (Anträge) war die Wahl eines Nachfolgers für den zurückgetretenen Ex-Aufsichtsratschef Dieter Hundt geplant, allerdings tendiert das Gremium dazu, die Position bis zur Neuwahl des gesamten Aufsichtsrates 2014 offenzulassen. Das Kontrollgremium ist auch mit nur fünf Mitgliedern geschäftsfähig. Auch der Ehrenrat, der die zu wählenden Mitglieder des Aufsichtsrats vorschlägt, wird 2014 neu formiert. Dort wäre eigentlich die Position des kürzlich verstorbenen Ex-VfB-Spielers Günter Seibold neu zu besetzen. Aber auch dieses Gremium will vorerst mit nur fünf Mitgliedern weitermachen.

Letzter Punkt ist die Wahl des Präsidenten: Bernd Wahler (55) ist einziger Kandidat.

So läuft die Wahl zum Präsidenten

Gewählt wird der künftige VfB-Präsident von der Mitgliederversammlung, die diesmal von Finanzvorstand Ulrich Ruf geleitet wird. Stimmberechtigt sind Erwachsene, die seit mindestens sechs Monaten Mitglied sind. Als einziger Kandidat steht Bernd Wahler (55) zur Wahl. Vorgeschlagen wird der Adidas-Manager vom Aufsichtsrat. Der entsprechende Paragraf 15, Abschnitt 3, ist selbst unter Juristen heftig umstritten. Weil nicht klar wird, ob er zwingend vorschreibt, dass der Mitgliederversammlung nur ein Kandidat vorgeschlagen werden darf. Ein Teil der VfB-Fans fordert, mindestens zwei Kandidaten zur Wahl zu stellen.

Der Präsident wird für vier Jahre gewählt. Bekommt er nicht die erforderliche einfache Mehrheit, muss innerhalb von drei Monaten eine weitere Mitgliederversammlung einberufen werden. Findet der vorgeschlagene Kandidat wieder keine Mehrheit, wird der Präsident vom Aufsichtsrat bestellt.

Alle Abstimmungen, also auch die Wahl des Präsidenten, finden elektronisch statt. Auf einem Handgerät können die Mitglieder per Knopfdruck Zustimmung, Enthaltung oder Ablehnung signalisieren.

Das Millionenloch im Haushalt

Die Topclubs der Liga rüsten finanziell auf. Der VfB verliert den Anschluss. Im vergangenen Geschäftsjahr lief ein Minus von rund zehn Millionen Euro auf – vor allem durch Abschreibungen aus Spielertransfers aus den Jahren nach der Meisterschaft 2007. Im Bereich Sponsoring fehlen künftig rund zwei Millionen Euro durch den Ausstieg der EnBW als Exklusivpartner. Deshalb muss der neue Präsident mit der Vereinsführung elementar wichtige Fragen diskutieren: Wie kommt der VfB wieder an Geld? Braucht der VfB eine Struktur-Reform, um sich für Investoren interessant zu machen? Und wie kann er sich national und international wirksamer vermarkten?

Sind Hundt und Mäuser mit am Ball?

Mit Sicherheit vermag es niemand zu sagen. Aber beim VfB rechnet keiner damit, dass der zurückgetretene Aufsichtsratschef Dieter Hundt in der Porsche-Arena auftaucht. „Warum sollte er sich das antun?“, fragt Alfred Grupp, Chef des VfB-Ehrenrats. Dieter Hundt soll im Herbst offiziell und würdig vom VfB verabschiedet werden. Auch der im Juni zurückgetretene Ex-Präsident Gerd Mäuser wird in der Porsche-Arena nicht erwartet.

Die Fans fordern neue Perspektiven

Der ehemalige Präsident ist gescheitert: Sein Zehn-Punkte-Programm erwies sich in Teilen als Mogelpackung. Jetzt fordern die Mitglieder glaubwürdige Perspektiven. Die wichtigsten Fragen: Wie will die Führungscrew die Mannschaft nach vorn bringen? Wie sehen die Pläne zur Personalentwicklung aus? Wie werden die Schnittstellen zwischen den Jugendteams und der Profimannschaft effektiver als bisher bearbeitet? Welche Spiel-Philosophie wird zur sportlichen Leitkultur? Und mit welchen Strukturen ist der Verein zukunftsfähig?