Beim Heimspiel gegen den FC Bayern München zündelten die Fans des VfB kräftig Foto: Baumann

Wegen der Pyroshows seiner Fans muss der VfB Stuttgart eine Rekordstrafe in Höhe von 249 000 Euro bezahlen. Welche Folgen zieht der Verein daraus?

Es war ein farbenfrohes Spektakel, das die Fans des VfB Stuttgart beim Heimspiel am 4. März gegen den FC Bayern boten. Komplett in Rot leuchtete die Cannstatter Kurve, befeuert vonseiten der Polizei handgezählten 85 Fackeln und sogenannter Blinker. Einen Monat später, beim Pokalspiel in Nürnberg, setzte die aktive Fanszene der Stuttgarter noch einen drauf: Während der 90 Minuten wurde eine Fackel nach der anderen gezündet. Am Ende waren es 155 Stück.

 

Die Fans in der Kurve können sich daran berauschen, und nicht allein dort. Die Beliebtheit von Pyroshows zeigt sich auch an der Anzahl der gezückten Handys auf den Sitzplatztribünen. Oft erscheint das, was in der Kurve passiert, spannender als das Geschehen auf dem Feld.

Der große Strafenkatalog des VfB Stuttgart

Weniger Begeisterung entfachte das bunte Lichtermeer erwartungsgemäß beim Deutschen Fußball Bund (DFB). Der Verband verhängte gegen den VfB Stuttgart am Montag eine rekordverdächtige Strafe in Höhe von 249 000 Euro. Die der VfB ohne zu Murren bezahlen will.

Vorstandschef Alexander Wehrle reagierte jedenfalls gelassen. „Jeder kennt die Regeln. Von daher war diese Strafe für mich nach den Vorkommnissen gegen Bayern und in Nürnberg keine Überraschung mehr“, sagte er gegenüber unserer Redaktion. „Ich bin schon zu lange dabei, um so etwas als außergewöhnlich einzustufen.“

Nicht außergewöhnlich? Nun ist Pyrotechnik beileibe kein neues Phänomen. Seit gefühlten Ewigkeiten arbeiten sich Vereine, Verbände, Fanvertreter und Polizei an dem Thema ab. Für die einen ist es ein unverzichtbarer Teil der Fankultur, für die anderen schlicht gefährlich. Dessen ungeachtet wird von Jahr zu Jahr mehr gezündelt – auch und gerade innerhalb der Stuttgarter Fanszene. 317 000 Euro musste der VfB in der abgelaufenen Saison an Strafen zahlen, fast ausschließlich wegen pyrotechnischer Vergehen. So viel wie noch nie.

Was sagt Vorstandschef Alexander Wehrle?

Der Fanforscher Jonas Gabler hat folgende Erklärung dafür: „ Das Ende der Pandemie hat vielerorts Emotionen freigesetzt – auch in den Fußballstadien. Außerdem haben sich durch die Coronapause in einigen Fankurven die Hierarchien verschoben. Ältere sind abgetreten, Jüngere an ihre Stelle getreten, für die Pyro eine noch größere Bedeutung hat. Früher wurde bei Heimspielen nur in Ausnahmefällen und dann zum Protest gezündet, etwa bei Abstiegen. Heute wird Pyrotechnik auch im heimischen Stadion als choreografisches Element eingesetzt.“

Tatsächlich galt die Cannstatter Kurve lange Zeit als pyrofreie Zone. Die Stuttgarter Fans wollten dem eigenen Verein nicht schaden, schließlich muss er für ihre Vergehen aufkommen. Seit einiger Zeit bittet der DFB die Vereine für deren Anhang aber unabhängig vom Ort des Geschehens zur Kasse. Siehe das Auswärtsspiel in Nürnberg. Was wiederum indirekt den vermehrten Einsatz von Pyrotechnik auch in der heimischen Arena erklärt.

So gelangen die Substanzen in den Fanblock

Die verbotenen Substanzen in die Arena zu schmuggeln ist innerhalb der Szene bis zur Perfektion eingeübt. In möglichst viele Kleinteile zerlegt, sind Chemikalien und Zünder am Einlass nur schwerlich zu entdecken. Zumal es dem Ordnungsdienst untersagt ist, Fans im Genitalbereich zu untersuchen. Auf Anfrage wollte sich der in Stuttgart zuständige Sicherheitsdienst SDS nicht äußern. Der Zusammenbau erfolgt schließlich im Fanblock, meist unter dem Schutz einer großen Fahne. So wird am Ende kaum ein Zündler identifiziert – und letztlich der ganze Verein in Haftung genommen. 317 000 Euro sind eine Menge Geld für den VfB.

Der auf die Frage, wie es weitergehen und der ständige Kreislauf aus immer mehr Pyro und noch mehr Strafen durchbrochen werden soll, keine schlüssige Antwort hat. „Wir werden die Dinge intern im Fan-Ausschuss besprechen,“ sagt Wehrle. Eine klare Ansage in Richtung der eigenen Fans ist dem Vorstandschef nicht zu entlocken. Stattdessen spricht der 48-Jährige davon, das Thema in einem „größeren Kontext behandeln zu wollen“. Sprich: auf DFB-Ebene. Doch auch dort wird eher nach dem Prinzip Weiter-so regiert. Innovative Ansätze sucht man vergebens. Bei anderen Traditionsvereinen wie Schalke oder Hertha sind die obersten Bosse tunlichst bemüht, es sich nicht mit der eigenen Kurve zu verscherzen. Stattdessen nimmt man lieber Strafen in Kauf.

Fanforscher Gabler plädiert für Alternativen

„Die Vereine müssen permanent zahlen, was aber nicht dazu führt, dass weniger Pyro abgebrannt wird“, urteilt Jonas Gabler. Der Fanforscher bringt „alternative Wege“ ins Gespräch. Pilotprojekte etwa, bei denen Fans legal Pyrotechnik abbrennen, könnten dazu beitragen, dass Pyrotechnik perspektivisch wieder geregelter eingesetzt werde, so Gabler. Der Hamburger SV hat solche Versuche schon unternommen.

Doch richtig anpacken will das heiße Eisen niemand. Stattdessen verhängte der DFB am Dienstag weitere Strafen: 19 400 Euro für Holstein Kiel, 28 000 Euro für den VfL Osnabrück, 30 000 Euro für Waldhof Mannheim, 32 000 Euro für Darmstadt 98, 117 000 Euro für den FC St. Pauli. Der Grund in den meisten Fällen: Pyrotechnik.

Dem VfB Stuttgart wurde auferlegt, 83 000 Euro der Strafe von 249 000 Euro für „sicherheitstechnische und infrastrukturelle Maßnahmen“ zu verwenden. Welche genau das sein werden? Wird man laut Alexander Wehrle noch abstimmen. Immerhin etwas Gutes: Die Strafgelder fließen über den DFB gemeinnützigen Zwecken zu.