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Zu Saisonbeginn degradierte ihn der Trainer zum Statisten. Längst spielt Georg Niedermeier als Innenverteidiger wieder eine Hauptrolle beim VfB Stuttgart.

Stuttgart - Nichts deutet darauf hin, dass Georg Niedermeier in der nächsten Minute eine Faust im Auge seines Gegenübers platzieren, eine Keilerei anzetteln oder sonst irgendwie ausfällig werden könnte. Warum auch? Der gebürtige Münchner ist ein ausgeglichener Mensch, er schaut keine „Rambo“-Filme und hört nicht mal aggressiven Hardrock, um sich abzureagieren. Trotzdem könnte derjenige, der seine beiden letzten Auftritte im Trikot des VfB verfolgt hat, auf die Idee kommen, Niedermeier sei ein grobschlächtiger Kerl, der keiner Rauferei aus dem Weg geht. Im letzten Spiel bekam er den Ellbogen des Dortmunders Robert Lewandowski ins Gesicht, seither ziert ein Veilchen sein rechtes Auge. Und im Spiel davor war er mit dem Kopf des Frankfurters Alexander Meier zusammengeknallt und hatte sich einen Zahn ausgeschlagen. Auge um Auge, Zahn um Zahn? Niedermeier nimmt es zurzeit allzu wörtlich – unfreiwillig. Geben ist seliger denn Nehmen? Bei ihm wird umgekehrt ein Schuh draus. Niedermeier steckt ein. Der sanfte Krieger kennt keinen Schmerz: „Ich bin hart im Nehmen. Wer mich kennt, weiß: Ich tue alles für den Erfolg. Die Einzige, die darunter leidet, ist meine Freundin.“

Für ihn sind solche Blessuren Berufsrisiko. Normalität für einen Innenverteidiger. „Die Spiele werden immer enger, das Leistungsniveau wird immer dichter – da musst du dich auch immer heftiger wehren, wenn du dich behaupten willst“, sagt er. Und behaupten will er sich. Das hat er zuletzt zu Saisonbeginn vorgeführt, als Trainer Bruno Labbadia unvermittelt auf den Mexikaner Maza gesetzt hat. Niedermeier verstand die Welt nicht mehr, wehrte sich („Ein Schlag ins Gesicht“) und handelte sich dafür eine verbale Gerade von Manager Fredi Bobic ein: „Der eine oder andere sollte aufpassen, dass er sich nicht überschätzt.“

In der Europa League läuft es für die ganze Mannschaft nicht rund

Diese Gefahr ist bei Georg Niedermeier besonders gering. Er weiß, was er kann, wo er sich verbessern kann und worauf es ankommt: Gegen Bukarest erzielte er kurz vor Schluss den Ausgleich, gegen Bremen gab er die Vorlage zum 2:2-Endstand – seine Art, sich zurückzumelden. Seither ist er wieder ein Rückhalt auf gewohnt hohem Niveau.

Zumindest in der Bundesliga. In der Europa League läuft es für die ganze Mannschaft nicht rund, weshalb der VfB an diesem Donnerstag (19 Uhr/Sky) beim FC Kopenhagen gewinnen muss, egal wie. „Die Blessuren schleppst du mit, du kannst dich ja nicht rausnehmen, wenn alle drei Tage ein Spiel ansteht“, sagt Niedermeier. Das Problem ist mentaler Natur: „Dieser Rhythmus lässt einen kaum zur Ruhe kommen.“ Niedermeier (26) weiß eher mit der Belastung umzugehen oder sucht Entspannung – durch Lektüre, einen Musicalbesuch oder ein Essen mit der Freundin, „wo über alles geredet wird, nur nicht über Fußball“.

Der holt ihn schnell genug ein. „Wenn du Erfolg hast, regenerierst du schneller“, sagt er. Trotzdem sei er ganz froh, wenigstens in Länderspielwochen frei zu haben – was in Bezug auf nächste Woche sogar stimmen mag: Da spielt die deutsche Mannschaft am Mittwoch in den Niederlanden, am gleichen Tag hat Niedermeier einen Termin beim Zahnarzt: Das Provisorium kommt raus, der Zahn wird überkront. Gut, das hätte er anders legen müssen, wenn Joachim Löw ihn berufen hätte. Aber dass er grundsätzlich froh ist, dass sich der Bundestrainer nicht meldet? Niedermeier legt kurz die Stirn in Falten, sagt: „Ich würde nicht Nein sagen. Mal sehen, ob es so kommt, wenn ich weiter meine Leistung bringe. Etwas anderes kann ich sowieso nicht machen.“ So, wie er es macht, lässt es ihm alle Chancen. Auch wenn es zuweilen ganz schön schmerzhaft ist.