Zeigt Demut: Georg Niedermeier. Foto: Pressefoto Baumann

Der Innenverteidiger des VfB Stuttgart gibt die Europa League noch nicht verloren. Er will alles. Nicht nur einen Sieg – sondern einen Sieg, der zum Weiterkommen reicht. Kein 1:0, sondern ein 3:0. Oder ein 3:1.

Stuttgart - Es gibt ja immer viele gute Gründe für einen Abstecher nach Rom. Italiens Hauptstadt geizt nicht mit Reizen, sie bietet genügend Attraktionen für einen mehrtägigen Besuch. Zudem verspürt der eine oder andere in diesen Tagen obendrein den dringenden Wunsch, die Papstwahl möglichst hautnah mitzuerleben.

Der Fußball allerdings lockt niemanden nach Bella Roma. Zumindest nicht an diesem Donnerstag, und zumindest keine Fans. Die sind ausgeschlossen, wenn der VfB Stuttgart sich am Abend (21.05 Uhr/Kabel 1 und Sky) gegen Lazio anschickt, die 0:2-Schlappe aus dem Hinspiel umzubiegen und wider Erwarten ins Viertelfinale der Europa League vorzustoßen. „Wir wollen versuchen, das Unmögliche möglich zu machen“, sagt Georg Niedermeier.

Der Innenverteidiger gehört zu dem Häuflein Aufrechter, die als VfB-Delegation an diesem Mittwoch gegen 11.30 Uhr in die Ewige Stadt reist und tags darauf auch den Innenraum des Stadio Olimpico betreten darf. Deshalb sind seine Interessen gänzlich anders gelagert als die der anreisenden Touristen. „Wir fliegen da nicht hin, um den Petersdom oder das Colosseum zu besichtigen“, sagt Niedermeier, verleiht seiner Stimme Gewicht und erklärt jeden für verrückt, der die Partie nicht ernst nimmt: „Rom abhaken? Auf keinen Fall!“

Weder Führung noch Einzug in nächste Runde besonders naheliegende Vision

Niedermeier geht aufs Ganze – getreu dem Motto von Krassimir Balakov, der einst sagte: „Was heißt a bissle? Ich will alles.“ Auch Niedermeier will alles. Nicht nur einen Sieg – sondern einen Sieg, der zum Weiterkommen reicht. Kein 1:0, sondern ein 3:0. Oder ein 3:1. „Ich gehe in jedes Spiel, um zu gewinnen. Unsere Chance ist nicht riesengroß, aber solange sie da ist, wollen wir sie nutzen“, sagt er und gibt seine Wunschvorstellung preis: „Wenn wir 1:0 in Führung gehen, wird es für Lazio ungemütlich.“

Nun ist weder eine Führung noch der Einzug in die nächste Runde eine besonders naheliegende Vision – angesichts der Unpässlichkeiten, die der Mannschaft das Siegen und dem Umfeld das Leben so schwer machen. Doch Niedermeier lässt sich nicht beirren. Er bewahrt die Ruhe, wägt Chancen und Risiken gegeneinander ab und kommt zu dem Schluss: „Wir bekommen ja keine Klatschen. Es ist alles eng – unsere Spiele und die Tabelle.“ Dort liegt der Hamburger SV, 1:0-Sieger im direkten Duell am Sonntag, neun Punkte vor dem VfB. „Wenn wir gewonnen hätten, wären wir bis auf drei Punkte am HSV dran“, sagt er zur eigenen Bestätigung und verdrängt dabei nur eines: Wenn und Aber zählen im Fußball nicht.

„Wir wollen ja diese hohe Belastung selbst, am liebsten jedes Jahr“

Schon gar nicht auf den Rängen der Mercedes-Benz-Arena, auf denen die Stimmung am Kippen ist und die Fans zusehends wütend auf das Treiben auf dem Rasen reagieren. „Das ist ihr gutes Recht. Ich kann das ein Stück weit nachvollziehen, damit müssen wir Spieler leben“, sagt der Münchner. Niedermeier zeigt Demut. Aber eine Lösung der Probleme hat er auch nicht parat.

Er schließt nur aus, woran es nicht liegt. Am mangelnden Willen und Einsatz. „Das kann uns niemand vorwerfen.“ An der hohen Belastung – der VfB hat 40 Spiele, der HSV nur 26 absolviert. „Ich will nicht jammern. Wir wollen ja diese hohe Belastung selbst, am liebsten jedes Jahr.“ An der Homogenität innerhalb der Truppe – gegen Hamburg bestand die ganze Spieleröffnung aus den immer gleichen, langen und untauglichen Bällen nach vorn. „In den ersten drei Begegnungen der Rückrunde haben wir versucht, alles spielerisch zu lösen. Da haben wir uns die Dinger selbst ins Netz gelegt. Jetzt spekulieren wir auf die zweiten Bälle – und auf Fehler des Gegners.“ Das klappt aber auch nicht. Was in erster Linie daran liegt, dass es gar nicht zu zweiten Bällen kommt, weil sich jeder wegduckt und versteckt. Darauf geht Niedermeier lieber nicht ein, sagt stattdessen: „Wir müssen unsere Fehler intern ansprechen, nicht in der Öffentlichkeit.“

In der Öffentlichkeit müssen sie dann beweisen, dass sie lernfähig sind. Am besten schon gegen Lazio. Damit Rom vielleicht doch eine Reise wert ist.