Neue Reize und ein bisschen Wut: Das Team von VfB-Coach Thomas Schneider geht an seine Grenzen und harmoniert prächtig. Abdellaoue entpuppt sich als Gewinner des Trainingslagers.
Neue Reize und ein bisschen Wut: Das Team von VfB-Coach Thomas Schneider geht an seine Grenzen und harmoniert prächtig. Abdellaoue entpuppt sich als Gewinner des Trainingslagers.
Kapstadt - Es ist wie beim Aufstieg auf den Tafelberg, der hinter dem Hotel des VfB Stuttgart hoch in den Himmel über Kapstadt ragt: Das letzte Stück ist immer das Schwerste. Und so hatte auch Trainer Thomas Schneider für die letzte intensive Einheit im Trainingslager in Südafrika noch ein Schmankerl für seine Profis parat. Er schickte sie in einen Kraftzirkel, der es in sich hatte. „Wir haben wenig Rücksicht auf die Spieler genommen“, räumte er ein, „da haben wir sie ans Maximum geführt.“
Der Testspielgegner Ajax Cape Town tat ihm dann wenige Stunden später auch noch den Gefallen, ohne Kompromisse auf Sieg zu spielen. Was prompt gelang – das 1:2 war die einzige Niederlage des VfB in drei Begegnungen. Schneider nimmt es gelassen: „Die Jungs sind platt.“ Dass die Südafrikaner dabei eine Härte ins Spiel brachten, die zuweilen über das gesunde Maß hinausging, kann er ebenfalls verschmerzen – einerseits. Keiner seiner Spieler hatte sich verletzt. „Da gab es richtig auf die Hölzer. Aber wir brauchen diese Wettkampfhärte.“ Dann, wenn es am Samstag kommender Woche darum geht, gegen den FSV Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky) mit einem Sieg in die Bundesliga-Rückrunde zu starten.
Andererseits geht das Reizklima dem einen oder anderen zunehmend an die Nerven. Allen voran Martin Harnik, der sich danebenbenahm, als er beim Testspiel im Kabinengang gegen einen Tisch trat. Das ist nicht die feine Art – eine Geldstrafe für die Jugendkasse von Ajax Cape Town wird folgen. Immerhin, es ist der einzige negative Punkt einer weiten Reise, die sich für Schneider rundum gelohnt hat. „Wir sind auf einem guten Weg, ich habe ein gutes Gefühl“, sagt der Trainer.
Bernd Wahler geht es ähnlich. Mit Freude verfolgt der Präsident die Art und Weise des Umgangs innerhalb der Truppe. „Die unterhalten sich über Gott und die Welt, und sie lachen viel“, sagt Wahler über die Spieler. Selbstverständlich ist das nicht: „Im Trainingslager im vergangenen Sommer hat ein anderes Klima geherrscht.“ Damals, als der Trainer noch Bruno Labbadia hieß.
In den Testspielen allenfalls 400 Zuschauer gelockt
Sein Nachfolger Thomas Schneider findet nun offenbar die richtige Ansprache. Er verkörpert Ernsthaftigkeit und vermittelt Spaß, er ist eine Autorität und dennoch nah bei der Mannschaft. Das fördert den Gemeinschaftssinn, auch auf dem Platz. „Wir haben viel Ballbesitz und viel Spielkontrolle, das verinnerlichen wir immer mehr“, sagt Rani Khedira. Daniel Schwaab ist überzeugt: „Alle ziehen super mit. Wir haben einige Fortschritte gemacht.“ Moritz Leitner, Harnik und vor allem Mohammed Abdellaoue, die Schneider namentlich hervorhob, haben besonderen Eindruck hinterlassen. Abdellaoue, der ungemein spritzig wirkt und vier Tore in zwei Spielen erzielt hat, sorgt im Angriff „für eine neue Konkurrenzsituation“. Er bildet mit Vedad Ibisevic die neue Doppelspitze.
Was hängenbleibt von der Stippvisite am Kap? Dass der VfB in den Testspielen allenfalls 400 Zuschauer anlockte, ist ein Wermutstropfen. Wahrgenommen wurde er in den Medien nur in den ersten Tagen nach der Ankunft, dann rückte die Afrika-Meisterschaft für Nationalmannschaften in den Blickpunkt, die bis 1. Februar in Kapstadt stattfindet.
Aber der VfB hat sich neue Freunde gemacht, das wirkt über den Tag hinaus. Mit Ajax Cape Town soll eine Kooperation entstehen: VfB-Jugendmannschaften sollen an Turnieren in Kapstadt teilnehmen und Spieler von Ajax Cape Town zum Training nach Stuttgart kommen.
Es muss auch nicht das letzte Trainingslager in Kapstadt gewesen sein. Mit großem Wohlwollen registriert der Präsident, wie die Mannschaft auf die ungewohnte Umgebung reagierte: „Das gibt jedem mehr Inspiration, als zum x-ten Male nach Belek oder Spanien zu reisen.“
Auch das gehört zum neuen Reizklima beim VfB Stuttgart. Ob das reicht, um eine erfolgreiche Rückrunde zu spielen? Der Start gegen den FSV Mainz 05, den FC Bayern München und bei Bayer Leverkusen muss es zeigen.