Kevin Großkreutz bekennt sich zum VfB. Foto:  

Beim VfB Stuttgart hat sich Kevin Großkreutz zum Publikumsliebling entwickelt. Der Fußballprofi spricht über Vereinstreue, soziale Netzwerke, Fußball und Jürgen Klopp.

Stuttgart - Da sitzt der Weltmeister. Kevin Großkreutz (28) gehörte zum Aufgebot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die 2014 in Brasilien den Titel gewonnen hat. Heute spielt er mit dem VfB Stuttgart in der zweiten Liga gegen Sandhausen, Aue oder wie am Sonntag in einer Woche bei Union Berlin. Aber damit hat einer wie Großkreutz keine Probleme.

Herr Großkreutz, Sie sind erst seit zehn Monaten beim VfB. Die Zeit war nicht erfolgreich – und dennoch gibt es kaum einen Spieler, mit dem sich die Fans so identifizieren wie mit Ihnen. Haben Sie eine Erklärung?
Ich glaube, die Leute spüren einfach, dass ich auf dem Platz alles raushaue, was in mir steckt, und dass ich nie aufgebe. Ich kämpfe bis zur letzten Minute. Das kommt hier in Stuttgart offenbar gut an.
Aber eigentlich sollten diese Eigenschaften doch selbstverständlich für einen Profi sein?
Das stimmt, aber vielleicht merkt man es mir etwas mehr an als anderen.
Sie suchen dazu immer wieder den Kontakt zu den Anhängern und reden regelmäßig mit Ihnen. Was bekommen Sie da zu hören?
Viele sagen: ,Respekt, dass du dich so zu unserem Verein bekennst und dass du nach dem Abstieg im Sommer geblieben bist.’
Dagegen haben andere Spieler den VfB nach dem Abstieg verlassen – was für Sie kein Thema war, obwohl Sie Angebote prominenter Erstligisten aus dem Ausland hatten. Woher rührt Ihre Verbundenheit zu dem Club?
Ich bin dem VfB sehr dankbar, dass er mir nach meinem halben Jahr bei Galatasaray Istanbul im Januar die Chance gegeben hat, wieder in die Heimat nach Deutschland zurückkehren und hier Fuß fassen zu können. Deshalb ist der VfB für mich auch eine Herzensangelegenheit.
Die Zeit in der Türkei stand für Sie unter keinem glücklichen Stern?
Dieses Kapitel ist für mich abgehakt.
 

Das Bekenntnis zum VfB

 
Im Gegensatz zum VfB-Kapitel.
Nach der vergangenen Saison habe ich mich mit meiner Familie zusammengesetzt und überlegt, wie es weitergehen soll. Dann habe ich gesagt, dass ich mich so nicht verabschieden kann und auch nicht verabschieden will. Das hätte nicht meinem Selbstverständnis entsprochen.
Eine solche Vereinstreue ist im Profigeschäft aber sehr, sehr selten geworden.
Jeder Fußballer denkt anders. Ich bin ein Junge aus der Kurve. Da bin ich aufgewachsen und groß geworden. Das vergesse ich nicht. Ich weiß, wo ich herkomme.
Welche Tugenden zählen bei den Leuten in der Kurve?
Mir ist es wichtig, dass man ehrlich ist und ehrlich miteinander umgeht. Hinzu kommt, dass ich bei den Menschen in guter Erinnerung bleiben will, wenn ich den Club doch einmal wechseln sollte.
Ihre Einstellung verbietet es Ihnen aber, an jeden x-beliebigen Ort zu gehen?
Als gebürtiger Dortmunder könnte ich zum Beispiel nie für Schalke spielen. Und jetzt als VfBler ist es für mich unvorstellbar, irgendwann mal für den Karlsruher SC aufzulaufen. Das wäre in meinen Augen unanständig und ein Schlag ins Gesicht der Fans.
Deshalb haben Sie im Sommer die Transfers von Timo Werner zu RB Leipzig, von Lukas Rupp nach Hoffenheim und von Daniel Didavi zum VfL Wolfsburg auch kritisch kommentiert. Sind dadurch die Freundschaften zu diesen ehemaligen Kollegen zerbrochen?
Nein, wir haben nach wie vor Kontakt – und ich bin mit ihnen noch befreundet, vor allem mit Lukas Rupp.
Widerspricht das nicht Ihrer Philosophie mit der Vereinstreue?
Im Endeffekt ist es doch so, dass jeder für sich selber verantwortlich ist und selber seine Entscheidungen treffen muss. Die drei sind noch jung – und ich kann schon verstehen, dass es ihr Ziel ist, in der Bundesliga zu spielen.
 

Die Fans sind wichtig

 
Warum würden Sie sich nie einem Verein wie RB Leipzig oder Hoffenheim anschließen?
Das hat nichts mit den Verantwortlichen dort zu tun, die gut arbeiten. Aber ich spiele eben lieber für einen Club, bei dem Herz und Leidenschaft im Mittelpunkt stehen und bei dem Tradition vorhanden ist. Es gibt nichts Schöneres als Fans, die auf den Rängen abgehen.
Was zeichnet einen Traditionsclub eigentlich aus – außer der Tradition?
Wenn man sich anschaut, was unsere Fans bei jeder Partie veranstalten, dann sieht man, was ich meine und was dahintersteckt. Die Leute leben mit und für den VfB. Das ist etwas ganz Besonderes.
Zuletzt fühlten Sie sich aber sportlich nicht fair beurteilt. Was störte Sie?
Verletzungsbedingt hatte ich zuletzt eine schwierige Phase. Sechs Monate konnte ich fast nicht spielen. Es gab immer wieder Rückschläge. Ich hatte keine richtige Sommerpause, was für den Kopf nicht leicht gewesen ist. Auch der Körper hat sich jetzt noch nicht vollständig erholt. Da sollte der eine oder andere dann aus meiner Sicht mit Kritik etwas zurückhaltender sein. Ich zerreiße mich trotzdem für die Mannschaft.
Normalerweise teilen Sie Ihre Beurteilung der Dinge gerne über soziale Netzwerke wie Instagram mit, wo Sie Fischkreutz heißen. Ist Ihnen das lieber als ein Zeitungsinterview wie dieses hier zu führen?
Was ich in den sozialen Netzwerken mache, darf man nicht alles so ernst nehmen. Da versuche ich auch mal, ein bisschen Spaß reinzubringen. Manche Medien stricken daraus dann zwar oft Geschichten mit einer vermeintlich reißerischen Schlagzeile, aber die Fans wissen, was ich meine.
Wie viele Follower haben Sie momentan?
404 000.
Das dürfte ziemlich rekordverdächtig für einen VfB-Fußballer sein. Ihre Follower interessiert bestimmt auch, wie Sie die aktuelle Entwicklung des Teams einschätzen.
Unsere Tendenz ist auf jeden Fall positiv. Wir haben zuletzt viele Punkte geholt und uns einen krassen Ausrutscher beim 0:5 in Dresden geleistet – was nie mehr passieren darf. Ansonsten stehen wir gut da, und so soll es auch bis zum Ende bleiben. Schließlich wollen wir ja aufsteigen.
 

Eine Feier mit Klopp?

 
Sie haben beim VfB jetzt in Hannes Wolf schon den dritten Trainer nach Jürgen Kramny und Jos Luhukay. Sie kennen ihn aus Dortmund. Was zeichnet Wolf aus?
Ich kenne ihn sogar relativ gut. Er ist sehr emotional und will immer den maximalen Erfolg. Dazu ist er taktisch sehr beschlagen. Und er behandelt alle Spieler gleich – die älteren genauso wie die jungen.
Solche Attribute verkörpert auch Jürgen Klopp, der Lehrmeister von Wolf und in Dortmund lange Ihr Trainer. Heute führt er mit Liverpool die Tabelle in der Premier League an. Stehen Sie noch in Verbindung mit Klopp?
Zwischen uns und seiner Familie ist über die Jahre ein richtig gutes Verhältnis entstanden. Wenn er in England tatsächlich den Titel holt, gibt es eine Riesenfeier.
Sie gehen fest davon aus, dass Sie dazu eingeladen würden?
Vielleicht können wir beide ja sogar zusammen feiern – er die Meisterschaft mit Liverpool und ich den Aufstieg mit dem VfB.