Enzo Millot ist beim VfB zum Strippenzieher im Mittelfeld gereift: In 23 Pflichtspielen sind dem 22-Jährigen obendrein acht Vorlagen und fünf Tore gelungen. Foto: IMAGO/Steinsiek/Grant Hubbs

Die Leistungskurve des Franzosen zeigt beim VfB steil nach oben. Das ruft auch andere Clubs auf den Plan. Im Interview spricht der Shootingstar über seine Entwicklung – und seine Zukunftspläne.

An diesem Samstag (15.30 Uhr) steht Enzo Millot im letzten Spiel des Jahres gegen den FC St. Pauli wie gewohnt in der Startelf des VfB. Dabei blickt der 22-Jährige auf eine beachtliche Entwicklung zurück.

 

Herr Millot, mit 13 Scorerpunkten, also fünf Toren und acht Vorlagen in 23 Spielen, haben Sie nahtlos an die starken Leistungen der Vorsaison angeknüpft. Dabei haben Sie in der Sommerpause durchgespielt. Wie geht das?

Ich hatte im Sommer bei den Spielen in Paris eine wahnsinnig schöne und erfolgreiche Zeit. Es war ein grandioses Erlebnis im eigenen Land, das wir mit dem Gewinn der olympischen Silbermedaille für Frankreich krönen konnten. Ich kam also im August glücklich und sehr gut vorbereitet zurück zum VfB. Dort traf ich dann auf eine personell leicht veränderte, aber erneut starke Mannschaft. Unter Trainer Sebastian Hoeneß wusste ich ohnehin gleich, was meine Rolle ist. Ich war also fokussiert und motiviert – auch wegen der Champions League –, und das hat vieles leichter gemacht, obwohl ich keine Pause hatte.

Das Spiel an diesem Samstag gegen St. Pauli steht noch aus, doch schon jetzt liegt hinter Ihnen ein erstaunliches Fußballjahr. Sie sind deutscher Vizemeister geworden – und haben sich zum teuersten VfB-Spieler mit 42 Millionen Euro Marktwert entwickelt.

Wie für jeden Spieler beim VfB war das auch für mich eine tolle und unvergessliche Vorsaison mit Platz zwei in der Bundesliga, noch vor dem FC Bayern. Dann kam der Auftritt für mein Heimatland bei Olympia – und das auch noch in Paris, einer Weltstadt, in der ich früher gelebt habe und die mir ganz besonders am Herzen liegt. Der Gewinn von Silber war das bisher größte Erlebnis in meiner Karriere.

Kann man diesen Erfolg ein wenig mit der Qualifikation für die Champions League mit dem VfB vergleichen?

Das sind zwei verschiedene Dinge, beide sind sie auf ihre Art wertvoll. Hier beim VfB arbeiten wir jeden Tag hart daran, um unsere Ziele zu erreichen. Da waren die Vizemeisterschaft und der Einzug in die Königsklasse der Lohn für eine lange, konstante Leistung. Mit dem Nationalteam ist das anders. Nicht besser, aber anders. Ich fühlte mich sehr privilegiert, dass ich mein Land bei Olympia im Team von Trainer Thierry Henry repräsentieren konnte. Inzwischen bin ich der Kapitän der U-21-Nationalelf. Auch das ist eine Auszeichnung, die mich stolz macht.

Der ehemalige Sportdirektor Sven Mislintat hat Sie im Sommer 2021 aus Monaco zum VfB gelotst, da waren Sie gerade 19 Jahre jung geworden. Es lief zunächst aber nicht rund. Warum?

Ich wollte unbedingt in die Bundesliga, mir wurde beim VfB ein klarer Plan aufgezeigt – und ich habe meine Entscheidung bis heute nicht bereut, auch wenn die ersten beiden Saisons nicht gut waren. Aber ich habe weiter gekämpft – und die Dinge haben sich zum Besseren gewandelt. Ich kam aus einer anderen Kultur, es war vieles anders – dann habe ich mich auch noch verletzt. Und teilweise habe ich auch nicht das Vertrauen gespürt, das ein Spieler in diesem Alter besonders braucht. Ich war ja noch sehr jung, ein Teenager, und die gesamte Mannschaft hat nicht so gut gespielt.

Dann kam Sebastian Hoeneß im Frühjahr 2023 zum VfB – und es änderte sich vieles. Auch für Sie.

Man kann sagen, dass ich in der vergangenen Saison auf einem höheren Level agiert habe – und ich in dieser bisher daran anknüpfen konnte. Sebastian Hoeneß hat mir und dem gesamten Team sehr schnell neues Selbstvertrauen gegeben. Auch seine Art, Fußball spielen zu lassen, liegt uns. Ich kann in seinem System auf dem rechten Flügel oder im offensiven Zentrum spielen – ein paarmal bin ich auch etwas defensiver auf der Doppelsechs eingesetzt worden.

Wenn Sie unsere persönliche Meinung hören wollen: Wir sehen Sie am liebsten zentral hinter den Spitzen.

Ich kann auch rechts offensiv spielen – und dann mit dem linken Fuß nach innen ziehen. Aber auch ich sehe mich am liebsten zentral. Denn da habe ich mehr Einfluss auf das Spiel. Zuletzt hatte ich mit Nick und Medo (Woltemade und Demirovic, Anm. d. Red.) ja zwei Stürmer vor mir. Das mag ich gerne, weil es mir viele Optionen gibt.

Bald folgt ein kleines, weil nur dreiwöchiges Winterpäuschen. Wie sieht Ihr Zwischenfazit aus?

Bisher können wir mit dem Erreichten zufrieden sein. Wir spielen eine gute Saison. Platz sechs in der Bundesliga ist verdient. Im Pokal stehen wir im Viertelfinale. In der Champions League müssen wir jetzt im nächsten Spiel in Bratislava gewinnen. Dann ist mit Blick auf die K.-o.-Spiele der Zwischenrunde noch alles drin. Das Spiel ist noch einige Wochen entfernt, deshalb spüren wir jetzt noch keinen besonderen Druck, sind aber alle sehr konzentriert. Im letzten Match geht es dann zu Hause gegen Paris Saint-Germain. Aus dieser Mannschaft kenne ich viele Spieler persönlich. Es wird etwas ganz Besonderes für mich.

Die erste königliche Saison nach 14 Jahren Pause ist auch ganz besonders für die Fans. Was sollte der VfB am Saisonende in der Bundesliga erreicht haben?

Die erneute Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb wäre ein schöner Erfolg. Wenn es wieder die Champions League wäre, würden wir das natürlich gerne nehmen. Aber es darf auch Europa oder Conference League sein. Wenn es nach mir geht: Ich spiele gerne weiter viele englische Wochen. Denn das zeigt, dass man vorne mit dabei ist.

Haben Sie ein Vorbild?

Ich mochte schon immer das Spiel von Mesut Özil. Ich habe ihn in meiner Jugend im Dress von Arsenal und Real Madrid oft bewundert. Es gibt viele Parallelen zwischen unseren Spielweisen. Der linke Fuß, die Art zu dribbeln – oder wie er seine Tore geschossen hat. Vieles ist da sehr ähnlich zwischen uns.

Durch Ihre starken Leistungen als Lenker der Offensive, als Vorbereiter und Torschütze, sind viele Clubs auf Sie aufmerksam geworden. Zudem besitzen Sie in Ihrem Vertrag eine Ausstiegsklausel. Das macht viele VfB-Fans nervös.

Ich besitze beim VfB einen langfristigen Vertrag bis 2028. Ich konzentriere mich voll auf die aktuelle Saison – und es bleibt mein klares Ziel, mit der Mannschaft wieder das internationale Geschäft zu erreichen. Was dann im Sommer kommt, weiß ich noch nicht.

Sie haben im November in einem französischen Magazin noch mal Ihre Liebe zu Paris Saint-Germain betont – und gesagt, Sie seien „keinem der starken Vereine in den großen Ligen gegenüber verschlossen“.

Ich kann nur sagen, dass ich mich beim VfB sehr wohlfühle. Aber man sollte im Fußball bekanntlich niemals nie sagen.

Sollten Sie weiterziehen, wird dies die Fans schmerzen.

Ich muss sagen: Die Fans hier sind einfach ganz außergewöhnlich. Ich kam ja von AS Monaco, wo es nicht so viel Unterstützung von den Rängen gibt. Beim VfB pushen dich die Fans, egal ob auswärts oder daheim, in der Champions League oder in der Bundesliga. Die Fans sind super. Manchmal ist man als Spieler so sehr auf das Match konzentriert, dass man nicht so viel davon mitbekommt. Aber nehmen wir die Heimpartie neulich gegen Union Berlin. Wir liegen 0:2 hinten, doch die Kurve singt einfach weiter und pusht uns. Das gibt dir ein einzigartiges Gefühl auf dem Platz – und wir haben noch 3:2 gewonnen.

Zunächst waren Sie Ergänzungsspieler beim VfB, jetzt sind Sie der wertvollste Spieler des Vereins. Spüren Sie das als Privatperson am Umgang mit den Fans?

Die Leute hier sind sehr respektvoll – und überhaupt nicht aufdringlich. Natürlich wollen sie mal ein Autogramm oder ein Foto machen. Ich habe zwei kleine Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Mit ihnen und meiner Ehefrau Louana kann ich mich weiter frei bewegen, obwohl ich durch die guten Spiele inzwischen schon häufiger erkannt werde. Aber meine Familie und ich sind sehr glücklich hier.