Christian Gentner führt die Mannschaft des VfB Stuttgart mit klarer Kante Foto: dpa

Führungsspieler sterben aus, heißt es heutzutage oft im Profifußball. Auch beim VfB heißt die Zauberformel flache Hierarchie. Dennoch gibt es einen starken Mann, der in der Kabine und in der Öffentlichkeit der Meinungsführer des Teams ist.

Stuttgart - Einem jungen Hüpfer wie Timo Werner (17) kann ein vergleichsweise alter Hase wie Christian Gentner (28) im Profialltag nicht schaden – und wer mit Gentner über seinen Umgang mit Werner redet, könnte fast meinen, dass da nicht nur der neue VfB-Kapitän spricht. Sondern in gewissem Sinne auch der Papa der Kompanie. „Also bei den Hausaufgaben muss ich ihm nicht über die Schulter schauen“, sagt Gentner über Stürmer Werner, der 2014 Abitur macht. Aber generell sei es schon so, dass man den Jungen mal auf gewisse Dinge hinweist, sagt der Mittelfeldmann: „Manchmal flapsig, manchmal ernsthaft.“

Gentners Gespür für Situationen – es ist in diesen Wochen oft gefragt, denn nach dem Abgang von Serdar Tasci zu Spartak Moskau ist das Eigengewächs zur klaren Nummer eins in der Hierarchie aufgestiegen. Gentner löste Tasci als Kapitän ab – er ist die neue Macht im Team des VfB. Er ist das Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer, er soll die Mitspieler auf und außerhalb des Platzes führen – und offenbar macht Gentner das ziemlich gut. „Er ist ein extrem positiver Typ“, sagt etwa Innenverteidiger Daniel Schwaab, „er weiß einfach, wie er mit den Jungs umgehen muss.“ Sportvorstand Fredi Bobic ergänzt, dass Gentner ein absoluter Leader-Typ sei: „Und zudem ist er als Mensch noch total geerdet und bescheiden.“

Christian Gentner wird nie ein Lautsprecher sein

Genter selbst betont, dass sich für ihn gar nicht so viel geändert habe, seit er Kapitän ist: „Ich habe vorher auch schon Verantwortung übernommen“, sagt er: „Und ich werde mein Wesen jetzt auch nicht ändern.“

Christian Gentner wird nie ein Lautsprecher sein, der auf den Putz haut, nur damit mal wieder auf den Putz gehauen wurde. Er wägt ab, überlegt, und wenn es etwas zu sagen gibt, tut er es – mit klarer Kante. So zum Beispiel zum Ende der vergangenen Saison, als Gentner den schwachen Spielstil des VfB heftig kritisierte und betonte, dass es dafür eigentlich keine Ausreden gebe – und damit dem damaligen Trainer Bruno Labbadia öffentlich widersprach. Der sprach gerne von der schwierigen Dreifachbelastung und dem dünnen Kader. Für Gentner waren das keine Gründe für die sportliche Misere.

Im Grunde ist er schon seit längerer Zeit so etwas wie das Sprachrohr des Teams, der Führungsspieler beim VfB. Er eckte schon als Vizekapitän an, wenn er es für richtig hielt. Gentner war anerkanntes Mitglied des Mannschaftsrats, der Austausch mit Fredi Bobic war schon immer regelmäßig und konstruktiv – und doch hat sich für Gentner mit dem Kapitänsamt noch etwas verändert. „Der VfB ist mein Verein – jetzt kann ich ihm vielleicht noch ein bisschen mehr zurückgeben“, sagt der gebürtige Nürtinger.

Eigengewächse haben es im Profifußball oft besonders schwer

Gentner weiß die Anerkennung zu schätzen, die ihm beim Club aus Cannstatt zuteil wird – denn es gab auch Zeiten, da war er kein Führungsspieler. Sondern Sündenbock. Es ist noch nicht so lange her, da pfiffen ihn einige VfB-Fans regelmäßig aus. In der Saison 2010/2011, als der Club gegen den Abstieg kämpfte, entlud sich der Frust der Tribüne auf Gentner, dessen aufrechter, eleganter Laufstil für viele zu lässig rüberkam. Dass er trotz durchwachsener Leistungen oft die meisten Kilometer abspulte im Team des VfB, wurde dann lieber mal ignoriert. Eigengewächse haben es im Profifußball oft besonders schwer, ihnen fehlt die Lobby, die ein millionenschwerer Neuzugang erst mal hat. Bei Gentner, der 1999 zum VfB kam und nur einmal woanders spielte (2007 bis 2010 beim VfL Wolfsburg), war das nicht anders.

Er war kein Stammspieler, litt unter der Situation – er beklagte sich allerdings nicht. Gentner stellte sich in den Dienst des Teams und kämpfte sich aus der Misere. „Christian hat es hier nicht immer leicht gehabt“, sagt Fredi Bobic, „aber er hat sich dann durchgebissen und die Ruhe bewahrt.“

Gentner, der intern trotz der vorübergehenden Reservistenrolle stets anerkannt war, glaubte an seine Stärken. In der Spielzeit 2011/2012 wurde vieles besser, in der Rückrunde zeigte Gentner teils überragende Leistungen. Der Führungsspieler in der Kabine war auch wieder einer auf dem Platz – und er ist es bis heute geblieben. „Dass ich jetzt hier Kapitän sein darf“, sagt Christian Gentner, „das ist für mich die Spitze.“