“Wir haben in der ersten Halbzeit ein gutes Auswärtsspiel gemacht“ – Thomas Schneider, VfB-Trainer Foto: dpa

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung – bis zum VfB ist diese Weisheit wohl noch nicht vorgedrungen. Alles halb so schlimm, sagen sich Spieler und Verantwortliche. Und lügen sich damit in die Tasche.

Gelsenkirchen - Immerhin, in den Katakomben der Schalker Arena liefen die Strategen des VfB zur Hochform auf. Wenigstens in der dritten Halbzeit wollten sie offenbar glänzen, nachdem es zuvor auf dem Platz nichts zu holen gab und am Ende ein ernüchterndes 0:3 beim FC Schalke 04 stand. Nun aber, kurz nach dem Spiel, galt es aus VfB-Sicht, das zuvor Geschehene ins rechte Licht zu rücken – oder besser: die mäßige Leistung der Mannschaft verbal aufzupeppen und die meisten Versäumnisse auf dem Platz einfach mal nicht zu erwähnen.

Die Mission glückte, alles lief wie am Schnürchen. „Das war sehr bitter, aber das Team hat auch hier phasenweise Gutes gezeigt“, sagte zum Beispiel Trainer Thomas Schneider und ergänzte: „Wir haben in der ersten Halbzeit ein gutes Auswärtsspiel gemacht. Wir haben wenig zugelassen. Wir sind gut aufgetreten, damit müssen wir in Zukunft arbeiten. Den Willen kann ich meiner Elf nicht absprechen.“

"Wir müssen von Spiel zu Spiel denken.“

Sportvorstand Fredi Bobic räumte dann zwar ein, „dass wir die meisten zweiten Bälle und die Pressbälle nicht bekommen haben und die entscheidenden Zweikämpfe verloren haben“. Dann aber wechselte auch Bobic den Modus und betonte, dass das eben alles so sei im Fußball: „Nach einem Sieg ist alles gut, nach einer Niederlage ist alles schlecht, so wird das gesehen. Wir müssen von Spiel zu Spiel denken.“

Die meisten Profis des VfB äußerten sich ähnlich und sahen kaum Anlass zur Selbstkritik – weshalb sich die Frage aufdrängte, ob die Herren das alles noch ernst meinten, was sie da nach ihrem enttäuschenden Auftritt beim FC Schalke 04 an nichtssagenden, schönfärbenden Aussagen unters Volk brachten.

Es könnte einerseits sein, dass man sich beim VfB darauf verständigt hat, vor den letzten beiden Spielen in diesem Jahr gegen Hannover 96 und beim VfL Wolfsburg nicht die große Keule zu schwingen und auf öffentliche Selbstkritik zu verzichten. Das ohnehin angekratzte Selbstvertrauen – das könnte das Ziel sein – soll vor den wichtigen Aufgaben nicht weiter geschwächt werden.

Nur einer legt den Finger in die Wunde

Die andere Variante aber ist jene, dass Spieler und Verantwortliche tatsächlich hinter dem stehen, was sie nach der Partie auf Schalke erzählt haben – was dann doch ein wenig bedenklich wäre. Denn in jenem Fall würde man beim VfB die Gefahren der aktuellen Situation verkennen. Oft ist von der Zeit die Rede, die man bei der Umsetzung der neuen Philosophie unter Schneider brauche. Erstaunlicherweise scheint der Qualitätsanspruch – zumindest öffentlich – auf diesem Weg eher gering zu sein.

Eine Großchance erspielte sich das Team von Thomas Schneider beim FC Schalke. Fredi Bobic sagte danach, dass die Chancenverwertung sehr ärgerlich gewesen sei – und suggerierte damit, dass sich das Team eine Reihe an Möglichkeiten erspielt hatte. Vieles spricht dafür, dass all die Äußerungen ernst gemeint sind. Denn so, wie die meisten Spieler auf dem Platz auftreten, reden sie auch hinterher: ohne Mumm und Verantwortungsbewusstsein, zögernd und zaudernd.

Und irgendwie kann man die schwachen Auftritte auf dem Platz in gewissem Sinne sogar verstehen. Denn wer als Profi weiß, dass er nach schwacher Leistung von seinen Verantwortlichen in der Öffentlichkeit mit Samthandschuhen angepackt wird, der stemmt sich irgendwann im Unterbewusstsein vielleicht nicht mehr entschlossen gegen einen Niederlage. So steht ein lebloser Haufen auf dem Platz, der sich danach wie die Verantwortlichen weismachen will, dass bis auf Kleinigkeiten alles in Ordnung war. Vieles erinnert an die Zeit unter Ex-Trainer Bruno Labbadia, der ein Meister darin war, angeblich schwierige Voraussetzungen als Alibi für schwache Leistungen seiner Elf heranzuziehen, und so auch die öffentliche Meinung des Teams indirekt vorgab.

Nach dem Spiel beim FC Schalke gab es übrigens immerhin einen VfB-Profi, der den Finger in die Wunde legte. Daniel Schwaab sagte, dass „wir uns nach dem 0:2 kurz nach der Pause zu wenig aufgebäumt haben, wir hätten versuchen müssen, es zu erzwingen“. Konfrontiert mit diesen Aussagen sagte Trainer Thomas Schneider: „Ich finde schon, dass wir es nach dem 0:2 probiert haben.“ Und: „Daniel ist eben ein sehr selbstkritischer Spieler.“ Und damit beim VfB so etwas wie ein einsamer Rufer.

VfB-App