Nick Woltemade hat bis zum 28. Juli Urlaub. Ob er dann wie geplant zum VfB zurückkehrt, ist offen. Alles scheint eine Frage des Preises. Klar ist: der Stürmer will weg.
Sein Spiel war nicht schlecht, aber die ganz große Heldentat, die hat Nick Woltemade letztlich auch nicht vollbracht im Finale der U-21-EM von Bratislava. Es war ein Endspiel, das aus deutscher Sicht ein bitteres Ende fand, weil die Partie in der Verlängerung mit 2:3 (2:2, 1:2) verloren ging. Woltemade, der diesmal keinen Treffer erzielte, durfte sich immerhin mit dem goldenen Schuh für den Torschützenkönig trösten: Mit seinen sechs Treffern lag er vor dem Engländer Harvey Elliott mit fünf Toren.
Der Abpfiff des Turniers war nicht lange verhallt, als auf Nick Woltemade wie zuletzt üblich ganz großes Lob einprasselte. „Er ist ein unglaublicher Spieler, er war so gut in diesem Turnier“, sagte etwa der Rivale Elliott, Flügelspieler des FC Liverpool, vom neuen U-21-Europameister, der von der Uefa zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. Viel Fantasie braucht es nicht, um sich auszumalen: Hätten die Deutschen den EM-Titel geholt, dann wäre auch diese Auszeichnung wohl an Big Nick gegangen.
Schließlich hat sich Woltemade wie bereits in der Rückrunde beim VfB Stuttgart auch im Dress der DFB-Elf zum Mann der Stunde entwickelt. Spätestens seit dem vergangenen Donnerstag kennt der Wirbel um den fußballerisch so bärenstarken 1,98-Meter-Schlaks nun keine Grenzen mehr. Da wurde mit einem Urknall öffentlich, dass sich der FC Bayern München und der Spieler in enger Zuneigung einig sind, möglichst gemeinsam in die Zukunft zu gehen. In Fußball-Deutschland gibt es seither keine gewichtigere Frage mehr als diese: Wo spielt Nick Woltemade in der nächsten Saison?
„Die ganzen Nebengeräusche waren nicht optimal, aber nicht der Grund, warum wir das Spiel verloren haben“, sagte der U-21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo zu der Aufregung um Woltemade, die ihm so kurz vor dem Finale reichlich ungelegen kam. Schnell aber nahm Di Salvo den Stuttgarter aus der Schusslinie. „Es hatte keinen Einfluss, die Mannschaft hat sich nicht damit beschäftigt.“
Nun ist das Kapitel U 21 für den 23-jährigen Woltemade passé. Der Spieler hat inzwischen seinen Urlaub angetreten nach einer kräftezehrenden Saison, die für ihn nach Ende der Bundesliga mit Einsätzen in der A-Nationalelf und der U-21-Nationalmannschaft nahtlos weitergegangen war.
Ruhig wird es um Nick Woltemade in nächster Zeit aber dennoch nicht werden. Schließlich wurde der Poker um seine Zukunft gerade erst eröffnet. Mit dem VfB ist ausgemacht, dass sich Woltemade, der im Vorsommer ablösefrei von Werder Bremen kam, am 28. Juli pünktlich zur Abreise in Stuttgart einfinden soll. Dann geht es für den Cheftrainer Sebastian Hoeneß und sein Team zum Trainingslager an den Tegernsee. Ob der 23-Jährige aber tatsächlich mit dem VfB-Tross ein Zimmer im noblen Seehotel Überfahrt beziehen wird, ist trotz seines Vertrages bis 2028 ohne Ausstiegsklausel ungewisser denn je.
Schließlich liegen hinter den drei handelnden Parteien – dem FC Bayern, dem VfB sowie dem Woltemade-Lager mit dem Berater Danny Bachmann – schon jetzt aufwühlende Tage. So fiel man im Cannstatter Clubhaus am späten Donnerstagnachmittag aus allen Wolken, als man nichts ahnend über die Medien von der Einigkeit zwischen Woltemade und den Münchnern erfuhr. Eine Vorgehensweise quasi per Überrumpelungstaktik, die neu ist für die Bayern und nicht den traditionellen Gepflogenheiten des Clubs entspricht. Schließlich wurde im Beipackzettel auch gleich ein finanzieller Verhandlungsrahmen medial lanciert. Um die 30 bis 40, maximal 60 Millionen Euro an Ablöse, die können sich die Bayern um ihren Sportvorstand Max Eberl demnach im Fall Woltemade wohl vorstellen.
Dies hat die Stuttgarter Seite um den Vorstandschef Alexander Wehrle, der noch Tage zuvor allen Interessenten eine kategorische Absage erteilt hatte („Wir gehen mit Nick in die nächste Saison. Punkt!“), und seinen Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nicht kaltgelassen. Noch ehe sich die Bayern am Freitag offiziell bei ihnen meldeten, erklärte Wohlgemuth, dass es „kein anderes Planungsszenario“ als das mit Nick Woltemade gebe: „Wir planen fest mit ihm.“ Und auch ein Preisschild für den dribbelstarken Stürmer ist in Stuttgart für den Fall der Fälle gefunden: Eher bei 100 Millionen Euro als bei 60 Millionen liegt das Segment, in dem Woltemade angesiedelt wird.
7,5 bis zehn Millionen Euro an Jahresgehalt
Der hatte sich von den VfB-Bossen zuletzt nicht ausreichend wertgeschätzt gefühlt. So hatten die Stuttgarter Woltemade erst kürzlich angeboten, das Jahresgehalt von 1,5 auf 2,5 Millionen Euro anzuheben. Eine Fehleinschätzung, wie spätestens jetzt klar ist: Schließlich kann Woltemade beim FC Bayern 7,5 Millionen Euro verdienen – und ebenfalls einen langfristigen Vertrag unterschreiben, der ihm im Erfolgsfall bis zu zehn Millionen Euro pro Jahr an Gehalt einbringen könnte.
Klar ist daher: Woltemade will trotz gültigen Vertrags mit dem VfB zu den Bayern, wo auch schon die potenziellen Mitspieler von ihm schwärmen: „Wie er mit seiner Größe Fußball spielen kann“, sagt etwa FCB-Mittelfeldmann Konrad Laimer, „wie er arbeitet und wie er vorangeht, ist er ein großartiger Spieler.“ Ob Woltemade daher noch mindestens eine Saison beim VfB spielt oder umgehend nach München wechselt, erscheint also allein eine Frage des Preises.