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Sorgen: Der VfB-Profi Arthur Boka befürchtet einen Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste.

Belek - Der Fußball bestimmt sein Leben, doch Fußball ist nicht alles. Es gibt zurzeit Wichtigeres für Arthur Boka. Wegen der Unruhen in seinem Heimatland Elfenbeinküste bangt der VfB-Profi um das Wohl und Wehe seiner Familie: "Es geht ihnen nicht gut."

Dreimal täglich ist Training. Das ist die Pflicht. Und Arthur Boka weiß, worauf es in seinem Beruf ankommt. In normalen Zeiten sowieso. Und auch in Wochen und Monaten wie diesen, in denen sich der VfB Stuttgart so unerwartet im Tabellenkeller der Bundesliga wiederfindet. "Meine Arbeit ist sehr wichtig, mit dem Fußball verdiene ich mein Geld. Deshalb muss ich immer hier sein", sagt der linke Flügelspieler der Roten im Trainingslager im türkischen Belek.

In der Elfenbeinküste wohnen 20 Verwandte von Boka

Dennoch kann es Boka (27) jeden Tag kaum erwarten, bis die Einheiten zu Ende sind. Dann zieht er sich auf sein Zimmer zurück, schnappt sich sein Handy und ruft in Abidjan an. In der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste ist er geboren, dort leben seine Eltern, drei Brüder, eine Schwester und einige Onkel, Tanten und Cousins, insgesamt rund 20 Verwandte. Und genau dort, am Golf von Guinea, braut sich seit der Präsidentenwahl Unheil zusammen.

Der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo klammert sich an sein Amt. Er weigert sich, das Zepter an Alassane Ouattara abzugeben, den die Staatengemeinschaft als rechtmäßig gewählten Nachfolger aner-kennt. Gbagbo stemmt sich gegen die Realität. Seine Truppen residieren in Kokodi. Sie blockieren das Hauptquartier seines Widersachers in Riviera, das von 900 Blauhelm-Soldaten beschützt wird. Zwischen Kokodi und Riviera lebt Bokas Familie. Mitten im Brennpunkt also. Dort, wo willkürliche Verhaftungen an der Tagesordnung und Gefolgsleute von Ouattara spurlos verschwunden sind, wo es nach UN-Angaben bisher rund 200 Tote gab. Dort, wo die nackte Angst regiert. Die Angst vor Ausschreitungen, vor Randale - vor einem Bürgerkrieg. "Noch ist in meinem persönlichen Umfeld nichts Schlimmes passiert. Aber man weiß nie, was kommt", sagt Arthur Boka.

Boka: "Ich habe Angst um meine Familie"

Die Lage ist äußerst instabil, und die Ungewissheit ist nervtötend. Öl, Diamanten und Kakao sind die Exportschlager der Elfenbeinküste. Es geht um Milliarden und um Macht, immer weniger um Menschenleben. "Ich habe Angst um meine Familie", sagt Boka leise, "am liebsten würde ich in meine Heimat reisen, um ihr zu helfen und um ihr nahe zu sein." Auch auf die Gefahr hin, dass er sich selbst in Gefahr begeben würde. Häufig telefoniert er auch mit seinen beiden Brüdern in Frankreich und mit seiner Schwester in der Schweiz, um über die angespannte Situation zu reden. Ein Anlauf, die Verwandten nach Deutschland zu holen, ist schon gescheitert: "Die Botschaften in Abidjan sind geschlossen", sagt Boka.

Zur politischen Aktualität mag er sich nicht äußern, "da kenne ich mich zu wenig aus". Nur so viel: "Es ist schade, was die Leute in Europa jetzt über uns denken. Die Elfenbeinküste ist so ein schönes Land, aber die Funktionäre zu Hause machen unser Land kaputt." Die Sorgen wachsen mit jedem Tag, auch Bokas Sorgen. Das bekommen auch die VfB-Kollegen mit. "Ich bin nicht zufrieden, und ich verhalte mich zurzeit vielleicht ein bisschen komisch", sagt der 59-malige Nationalspieler. Deshalb bittet der WM-Teilnehmer von 2006 und 2010 um Nachsicht, zugleich ermahnt er sich selbst: "Ich muss mich auf meine Arbeit hier konzentrieren und darf mich nicht ablenken lassen. Gerade jetzt, wo wir eine so schwierige Rückrunde vor uns haben."

Auch wenn genau das zunehmend schwerfällt, solange der schwelende Konflikt in seiner Heimat ungelöst ist.