Thomas Schneider trainiert den VfB Stuttgart auch weiterhin. Foto: dpa

Die Lage ist verzwickt. Stützt der VfB Stuttgart seinen Trainer Thomas Schneider bedingungslos, notfalls bis in die zweite Liga? Oder holt er einen Feuerwehrmann und riskiert seinen Jugendkurs? Eine Zerreißprobe droht.

Die Lage ist verzwickt. Stützt der VfB Stuttgart seinen Trainer Thomas Schneider bedingungslos, notfalls bis in die zweite Liga? Oder holt er einen Feuerwehrmann und riskiert seinen Jugendkurs? Eine Zerreißprobe droht.

Stuttgart - Wieder ein Rückschlag mehr, und wieder ein Spiel weniger vor der Brust. Das 1:2 gegen Hertha BSC war die siebte Niederlage in Folge. So häufig verlor der VfB in Serie nur in der Saison 1986/87. Damals hieß der Trainer Egon Coordes, und er steht für emotional aufgewühlte Zeiten, an die sich keiner im Verein gern erinnert. Immerhin: Am Saisonende wurde der VfB Zwölfter. Wenn diese Platzierung heute jemand garantieren könnte – die Strategen vom Cannstatter Wasen würden es auf der Stelle unterschreiben. Denn von einem Mittelfeldrang ist der Verein meilenweit entfernt, stattdessen zieht sich im Tabellenkeller die Schlinge immer fester zu.

Was da hilft? Es ist noch gar nicht so lange her, da steckte Michael Preetz in einer ähnlich hoffnungslosen Phase. Daran hat sich der Manager von Hertha BSC am Samstag erinnert. Und er hat einen Vergleich zum VfB von heute gezogen. „Der Unterschied zu unserer Situation damals ist, dass in Stuttgart die handelnden Personen zusammenstehen“, sagte Preetz, „hier bewahrt man die Ruhe im Verein.“ Wirklich?

Fakt ist: Bernd Wahler bekennt sich weiter zum Trainer. „Wir stehen unverändert zu 100 Prozent zu Thomas Schneider“, betont der Präsident. Fakt ist auch: Fredi Bobic, der Sportdirektor, rückt ebenfalls kein Jota von Schneider ab: „Die Antwort bleibt dieselbe wie in den vergangenen Tagen: Die Rückendeckung für den Trainer ist absolut da, und zwar von allen Seiten.“

Dafür gibt es Gründe. Mannschaft und Trainer sind in den vergangenen ein, zwei Wochen unverkennbar enger zusammengerückt. Daran hat auch Schneiders Entscheidung, Georg Niedermeier und Martin Harnik auf die Tribüne zu verbannen und eine Woche später in die Startelf zurückzuholen, Niedermeier sogar als Kapitän, nichts geändert, ganz im Gegenteil. Vereinsintern war er auf große Skepsis gestoßen, weil er damit zwei erfahrene Kräfte vor allen anderen Spielern rasiert und dann doch rehabilitiert hatte. Doch statt Gräben aufzureißen, löste diese Maßnahme innerhalb der Mannschaft einen Denkprozess aus, der zu lebhaften Diskussionen und Gesprächen führte, die so offen und ehrlich wie lange nicht waren. Damit hatten Schneiders Kritiker ebenso wenig gerechnet wie mit der reinigenden Wirkung, die einsetzte. Im Training ging es konzentrierter zur Sache als zuvor. „Wir haben wenig diskutiert und viel gearbeitet. Da hat jeder auch harte Zweikämpfe akzeptiert, da gab es keine Diskussionen“, sagt Martin Harnik. Zuvor waren einige Spieler genau deshalb aneinandergeraten.

Die Auswirkungen waren auch am Samstag gegen Hertha BSC zu sehen. Spielerisch lief erneut kaum etwas zusammen, doch anders als bei den 1:4-Pleiten gegen Augsburg und Hoffenheim wehrte sich die Mannschaft nach Kräften, an der Einstellung und am Willen gab es keine Zweifel. „Für mich ist wichtig, dass ich Zeichen von der Mannschaft bekomme“, sagte Schneider, „das Zeichen heute war, dass sie lebt. Sie hat eine Reaktion gezeigt. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass sie nächsten Sonntag in Frankfurt aufstehen wird und dass wir das gemeinsam stemmen können.“

Und wenn nicht?

Dann muss der Verein eine Antwort finden auf die Gretchenfrage: Geht er seinen Weg, auf die Jugend zu setzen, unbeirrt weiter und riskiert den Abstieg? Oder holt er einen Trainer-Routinier, der, was auch nicht sicher wäre, die Klasse rettet, aber von der Stuttgarter Philosophie nichts hören mag? „Wir denken von Spiel zu Spiel“, sagt Fredi Bobic, „der Indikator wird sein, wie die Mannschaft auftritt. Dann müssen wir nach jedem Spiel auf die Fakten schauen.“ Das bedeutet: Von einem Trainer „unter Beobachtung“, wie Schneider vor dem Spiel seine Situation zusammenfasste, ist ein Trainer auf Bewährung geworden. Wird daraus bald ein Trainer auf Abruf?

Noch ist die Lage des VfB nicht so aussichtslos, dass er darüber sofort befinden müsste. Das wäre wohl so weit, wenn es auch in Frankfurt und im folgenden Heimspiel gegen Braunschweig Niederlagen setzt. Und dann? Dann müsste sich der Verein entscheiden, ob er seine letzte Patrone abfeuert. Aber wer könnte als Retter einspringen?

Die Strategen sind sich darüber einig, dass ein Mann wie Klaus Augenthaler, der am Samstag auf der Tribüne saß, nicht passen würde. Bei Bremens Ex-Coach Thomas Schaaf, der verfügbar ist, bestehen ebenfalls Zweifel. Huub Stevens, der bei Paok Saloniki nicht glücklich ist, würde mit einiger Sicherheit verstärkt auf die erfahrenen Spieler im Kader setzen und, sollte er die Klasse halten, auch perspektivisch Routine hinzukaufen wollen. Das aber würde den Kurs des VfB konterkarieren. Ein junger Erfolgstrainer wie Frank Schmidt vom Drittliga-Spitzenreiter 1. FC Heidenheim scheidet wegen seiner Unerfahrenheit im Profibereich aus. Eine interne Übergangslösung ist auch nicht in Sicht: Rainer Adrion, der aufgrund seiner Erfahrung und VfB-Vergangenheit dafür prädestiniert wäre, war schon in der Saison 1998/99 als Feuerwehrmann gescheitert. Krassimir Balakov war als Profi zu sehr auf sein Ego bedacht, um nun Integrator zu sein.

So spielen Wahler und Bobic auf Zeit, solange sie es verantworten können. Sie hoffen, dass Schneider und die Mannschaft noch den Schalter finden und das Licht im Keller der Liga anknipsen. Und dabei ergeht es ihnen wie Sven Ulreich, der sagt: „Abstiegskampf ist brutal. Brutal für den Kopf.“ Sie werden ihm nicht widersprechen.