Mit dem VfB im Kampf gegen den Abstieg: Rani Khedira Foto: Baumann

Rani Khedira (20) sorgt sich um die Lage des VfB Stuttgart. Das Mittelfeldtalent macht sich viele Gedanken, doch am Ende zählt nur das Positive: „Ich bin ganz sicher, dass wir nicht absteigen“, sagt er im StN-Interview.

Rani Khedira (20) sorgt sich um die Lage des VfB Stuttgart. Das Mittelfeldtalent macht sich viele Gedanken, doch am Ende zählt nur das Positive: „Ich bin ganz sicher, dass wir nicht absteigen“, sagt er im StN-Interview.
 
Stuttgart - Herr Khedira, Sie haben fünf Bundesligaspiele bestritten, vier von Anfang an. Fühlen Sie sich schon wie ein richtiger Bundesligaspieler?
(Überlegt) Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Die Bundesliga war immer mein Ziel. Jetzt bin ich da, das ist eine super Erfahrung. Ich will jede Chance bestmöglich nutzen. Alle anderen Gedanken halte ich für Zeitverschwendung.
Womöglich fühlen Sie sich ja als Platzhalter für den verletzten Kapitän Christian Gentner, der auch auf der Sechser-Position spielt?
Nein, warum? Ich spiele gerade meine erste Saison als Profi. Das Gute ist, dass bei uns nach Leistung aufgestellt wird. Ich werde jedenfalls weiterhin alles geben und versuchen, mich weiterzuentwickeln.
Und Sie haben genug Selbstbewusstsein zu sagen: Ich gehöre in die Mannschaft?
Ich komme mit dem Tempo in der Bundesliga gut mit. Anfangs habe ich noch die Nervosität gespürt, aber mit zunehmender Spielpraxis nimmt das ab. Für mich gibt es nichts Schöneres, als in der Bundesliga auf dem Platz zu stehen.
Zurzeit hält sich der Spaß aber in Grenzen?
Ich habe diese Situation ja schön öfter mitgemacht – hautnah sogar, als Sami (sein Bruder, jetzt Real Madrid, Anm. d. Red.) noch beim VfB gespielt hat. In meiner ersten Saison in der dritten Liga habe ich mit dem VfB II auch gegen den Abstieg gekämpft. Ich kenne die Mechanismen also ganz gut. Neu ist für mich nur die mediale Aufmerksamkeit in der Bundesliga. Und natürlich steht jetzt viel mehr auf dem Spiel.
Wie gehen Sie mit dem höheren Druck um?
Nach Spielen kann ich kaum schlafen. Das ist normal, auch nach Siegen. Aber jetzt mache ich mir natürlich noch mehr Gedanken als sonst.
Der VfB bringt Sie um den Schlaf?
So kann man das nicht sagen. Aber die aktuelle Situation ist eine harte Schule, vor allem für uns Junge. Sehr anstrengend, speziell für den Kopf. Aber auch eine große Herausforderung. Ich bin überzeugt, dass wir da als Team rauskommen.
Neigen Sie zum Grübeln?
Nein, das bringt nichts. Auf dem Platz muss man die schlechten Gedanken ohnehin verdrängen. Da gilt nur: Gas geben!
Aber Sie überlegen doch sicher pausenlos: Woran liegt es, dass der VfB nur noch verliert?
Gerade ist der Wurm drin. Aber ich bin zuversichtlich: Die Mannschaft hat viel Qualität, in ihr steckt so viel Herz . . .
Moment! Zuletzt roch es intern nach Streit.
Wir sind eine geschlossene Truppe. Dass es mal Meinungsverschiedenheiten gibt, sehe ich nicht negativ. Daran merkt man, dass die Mannschaft will, dass sie Ehrgeiz hat. Deshalb bin ich auch sicher, dass wir da unten rauskommen.
Das sagen Sie nach dem deprimierenden Auftritt gegen Augsburg?
Das war tatsächlich ein Spiel, da wusste ich plötzlich nicht mehr, wo hinten und vorn ist.
Sie spielen auf einer zentralen Position. Wie nehmen Sie Einfluss auf Spiel und Mitspieler?
Erfahrene Spieler tun das sicher mehr, aber Einfluss kann und sollte jeder nehmen, das ist auch nicht an eine Position gebunden. Mit der Zeit weiß man, wer einen Tritt in den Hintern oder liebe Worte braucht.

"Ich bin ganz sicher, dass wir nicht absteigen"

Aber es ist eine Frage des Typs?
Genau. Mir macht es einfach Spaß, mittendrin zu sein und den Laden zusammenzuhalten. Der Sechser ist vielleicht die anspruchsvollste Position im Fußball, weil man das ganze Spiel um sich herum hat. Aber genau das macht für mich den Reiz aus. Das steckt in meinem Naturell. Das hat man – oder nicht.
Und dann kommt ein Spiel wie gegen Augsburg, in dem man nicht mehr weiß, wie man sich wehren soll?
Diese Ohnmacht ist das schlimmste Gefühl, das ich kenne. Wenn du alles versuchst und trotzdem auf einmal irgendwie alles über dich hereinbricht.
Was löst das in Ihnen aus – Wut?
Nein, Wut bringt nichts. Gegen Augsburg hat sich diese Ohnmacht unter anderem in einem Frustfoul geäußert, für das ich die Gelbe Karte gesehen habe.
Wie verarbeiten Sie Frust abseits des Platzes?
Ich schaue mir jedes VfB-Spiel noch mal auf Video an, zu Hause, allein, die ganzen 90 Minuten. Dabei achte ich auf mein Spiel und überlege: Wie kann ich mich besser verhalten? Es ist aber wichtig, so ein Spiel dann schnell aus dem Kopf zu bekommen. Dafür geht man ins Training und sagt sich: Am Samstag, 15.30 Uhr, wollen wir gewinnen.
Wie wichtig ist die mentale Seite?
Schon in der Jugend wurde uns gesagt: Talent ist wichtig, aber Fußball ist zu 70 oder 80 Prozent Kopfsache. Das sehe ich genauso.
Dann müssen Sie Ihren Kopf auch entsprechend trainieren. Wie machen Sie das?
Das zu schulen ist nicht einfach. Ich denke, das geht am besten, indem man eine positive Grundeinstellung hat. Wir haben so einen grandiosen Job. Dafür lohnt es sich, immer das Beste zu geben.
Und wenn es am Ende nicht reicht? Wie präsent ist bei Ihnen die Furcht vor dem Abstieg?
Ich bin ganz sicher, dass wir nicht absteigen.
Ist die Mannschaft nicht zu jung für den Kampf gegen den Abstieg?
Zu jung gibt es nicht. Nehmen Sie Timo Werner. Der bekommt nach jedem Spiel ein Sonderlob. Jeder sagt: Was der kann, pah, dabei ist er erst 17 Jahre! Mit dem VfB II haben wir uns damals auch gefangen, obwohl zehn junge Spieler in der Mannschaft standen.
Wer stützt Sie, wo holen Sie sich Rat?
Mein Bruder Sami war mit dem VfB schon einige Male in einer ähnlichen Situation. Nach dem Spiel gegen Augsburg hat er mich gleich angerufen und gesagt: Kopf hoch!
Wer ist Ihre größere Stütze: Sami oder Ihr Vater Lazhar, der Ihre Karrieren eng begleitet?
Meine ganze Familie leidet mit mir, auch mein älterer Bruder Denny, der auch Fußball spielt (beim TV Oeffingen, Anm. d. Red.). Wir sprechen uns immer alle gegenseitig Mut zu. Dafür ist die Familie ja auch da.
Hand aufs Herz: Wie feiern Sie, wenn der VfB in Hoffenheim gewinnt?
Vielleicht schreie ich meine ganze Freude heraus, vielleicht feiern wir mit unseren Fans in der Kurve. Also ehrlich, über das Jubeln mache ich mir keine Gedanken.
Und über eine Niederlage an diesem Samstag?
Auch nicht. Wir gewinnen in Hoffenheim!