Unerklärlicher Auftritt des VfB Stuttgart – beim Auswärtsspiel in Belgrad jubeln am Ende nur die Spieler von Roter Stern. Foto: dpa/Marijan Murat

Der VfB Stuttgart zeigt beim 1:5 gegen Roter Stern Belgrad in der Champions League seine bislang schwächste Saisonleistung. Wie kam es dazu? Unsere Analyse.

Die Partie war noch lange nicht beendet, der Abpfiff noch fern, da genossen die Fans von Roter Stern Belgrad bereits das Gefühl des sicheren Sieges. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“, sangen sie immer wieder. Weil schon 20 Minuten vor dem Ende dieses Heimspiels gegen den VfB Stuttgart klar war, dass die Serben die ersten Punkte dieser Saison in der Champions League einfahren werden. Die Gäste dagegen hatten ihre Hoffnungen auf den zweiten Sieg nach dem 1:0 gegen Juventus Turin längst aufgegeben. Der Abend, der den Beginn einer erfolgreichen zweiten Hälfte der Ligaphase in der Königsklasse markieren sollte, war zum bisherigen Tiefpunkt dieser Europareise geworden.

 

Sage und schreibe 1:5 hieß es am Ende. „Das war gar nichts“, sagte Mittelfeldspieler Angelo Stiller – und Sebastian Hoeneß war restlos bedient: „Das war von vorne bis hinten kein guter Auftritt von uns, wir waren zweiter Sieger in vielen entscheidenden Zweikämpfen. Wir haben eine große Chance verpasst, das ist sehr ärgerlich.“

Der VfB-Trainer hatte ja in Belgrad nicht nur auf die verletzten Offensivkräfte Deniz Undav, El Bilal Touré und Jamie Leweling verzichten müssen. Sondern auch auf jene, die zuletzt ihre Chancen als Ersatz dieses Trios genutzt hatten. Nick Woltemade und Justin Diehl hatten zuletzt jeweils als Torschütze geglänzt, allerdings: Dieses Duo war wie Abwehrspieler Ramon Hendriks zu Saisonbeginn nicht für die Champions League gemeldet worden. Im VfB-Kader war schlicht kein Platz mehr, da einige Regularien in Bezug auf selbst ausgebildete Nachwuchskräfte eingehalten werden müssen.

„Ich finde die Regelung schade“, wiederholte Hoeneß in Belgrad seine Kritik – sagte aber auch: „Ich glaube an ein gutes Spiel mit den Spielern, die jetzt da sind.“ Und tatsächlich schien es schnell, als sollte der Coach, der in Pascal Stenzel eine Überraschung in der Aufstellung parat gehabt hatte, Recht behalten.

Start nach Maß hilft nichts

Gerade einmal fünf Minuten waren im riesigen Stadion Rajko Mitic gespielt, als der VfB die da noch vorherrschende Unaufmerksamkeit der Gastgeber nutzen konnte. Maximilian Mittelstädt flankte, Josha Vagnoman störte, Enzo Millot köpfte – und Ermedin Demirovic kam aus elf Metern zum Abschluss. Der Aufsetzer des Bosniers fand dann auch tatsächlich den Weg ins Belgrader Tor. Der Start nach Maß war gelungen – brachte den Stuttgartern seltsamerweise aber überhaupt keine Sicherheit. Ganz im Gegenteil.

Der VfB agierte fortan ungewohnt fehleranfällig, zweikampfschwach und ungenau im Passspiel. Statt den Gegner mit der Führung im Rücken zu bespielen und zur Verzweiflung zu bringen, machten die Stuttgarter den Gastgebern recht schnell die Tür wieder auf, um zurück ins Spiel zu kommen. Durchschritten hat sie dann – ausgerechnet – Silas Katompa.

Die Leihgabe des VfB Stuttgart an Roter Stern Belgrad nutzte die Schwierigkeiten, die Enzo Millot mit einem unsauberen Pass von Angelo Stiller hatte. Er luchste der Nummer acht des VfB den Ball ab, nahm Tempo auf und zirkelte den Ball dann um Jeff Chabot herum flach und unhaltbar ins Stuttgarter Tor. Nach zwölf Minuten war der Stuttgarter Vorsprung also dahin. Und es kam noch schlimmer.

Der vom VfB an Roter Stern ausgeliehene Silas Katompa machte das 1:1 gegen seinen Stammverein. Foto: dpa/Marijan Murat

Ermedin Demirovic stand bei seinem Treffer zum vermeintlichen 2:1 knapp im Abseits, drei Minuten später ließ sich auf der Gegenseite dann Pascal Stenzel recht einfach aus dem Spiel nehmen. Der Koreaner Youngwoo Seol schlug einen Haken, flankte – und warum weder Anthony Rouault noch Atakan Karazor den Ball klären konnten, wissen die beiden wohl selbst nicht. Die Kugel passierte das Duo jedenfalls, erreichte Rade Krunic – und der VfB lag in der 31. Minute zurück.

Bis zur Pause passierte nicht mehr viel, danach entwickelte sich zunächst eine Partie, wie sie der VfB schon aus anderen Partien kannte. Viel Ballbesitz fürs eigene Team, dabei jedoch wenig echte Torchancen – und zugleich anfällig bei Kontern. Wie sehr, offenbarten einige gefährliche Angriffe der Gastgeber, die dank Torhüter Alexander Nübel noch ohne Folgen blieben.

Ein weiterer führte zu zwei Eckbällen, den zweiten davon nutzte Mirko Ivanic am langen Pfosten ohne große Mühe zum 3:1 (65.). Der kurz zuvor eingewechselte Nemanja Radonjic machte vier Minuten später sogar das 4:1 – und damit alles klar für das Team, das bis dahin in vier Spielen dieser Königsklassensaison ohne Punkte geblieben war. Kurz vor Schluss legte der Serbe noch das 5:1 nach. „Wir haben nicht gut gespielt und einfache Fehler gemacht“, sagte Angelo Stiller und konnte sich die Leistung kaum erklären. Hoeneß ergänzte: „Wir haben nie Rhythmus aufgenommen, nie Kontrolle gehabt.“

Die Serben wittern mit nun drei Zählern wieder Morgenluft im Rennen um den Einzug in die Play-off-Runde, der das Achtelfinale folgt. Der VfB (vier Punkte) dagegen hat sich durch die schwache Leistung in Belgrad unnötig unter Druck gesetzt. Am 11. Dezember (21 Uhr) gilt im Heimspiel gegen die Young Boys Bern (null Punkte/am Dienstag 1:6 gegen Atalanta Bergamo) mehr denn je: Ein Sieg ist Pflicht.