Die 45: Der Villingendorfer Fanclub wird vor dem Spiel auf den Rasen gebeten und ausgezeichnet. Nach dem Spiel drängt es so viele aufs Grün. Foto: Lopez

Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Am Samstag war so ein Tag für die Fans des VfB Stuttgart. Mittendrin im Neckarstadion, als der Abstieg in letzter Minute vermieden wurde: der älteste VfB-Fanclub aus Villingendorf.

Villingendorf/Eschbronn - Erlebt und erlitten hat er schon so manches, der VfB-Fanclub Villingendorf von 1977. Nach der Meisterschaft 2007 durften sich die Treuesten der Treuen so nach und nach mit den anderen Seiten des Fußballs weit über Gebühr vertraut machen.

Blick in die Vergangenheit

Irgendwann gehörte der Abstiegskampf in der Bundesliga dazu. Unvergessen – nur ein Beispiel – das vorletzte Saisonspiel in der Saison 2014/15, als der HSV 2:1 besiegte wurde, und das letzte Saisonspiel in Paderborn, als nach Rückstand ebenfalls mit 2:1 der direkte Klassenerhalt gesichert wurde.

Doch es gab auch den bitteren Gang in Liga 2. Wie bereits 1975. (Doch 1977 folgte die triumphale Rückkehr und die Gründung des ersten offiziellen Fanclubs.) Und dann in jüngerer Vergangenheit 2016 und erneut 2019, damals nach der Relegation gegen Union Berlin. Drohte nun die vierte Fahrt nach unten?

Was war möglich?

Die Vorzeichen standen nicht unbedingt sehr gut. Zwar hielt das 2:2 in München vom 8. Mai alle Chancen offen, doch eigentlich hatte Hertha BSC Berlin die besseren Karten in der Hand. Was war möglich?

Eine gute Vorbereitung ist alles. Der VfB-Fanclub Villingendorf stärkte sich am Samstagmorgen im Fantreff mit einem deftigen Weißwurstfrühstück. Dann kamen die VfB-Fans aus Eschbronn mit Norbert Swoboda, an diesem Tag lediglich im Nebenberuf Bürgermeister von Lauterbach, vorbei – und der Bus fuhr gen Stuttgart.

Die erste Ausfahrt seit zwei Jahren, seit der Corona-Pandemie. Der Auftrag an alle war klar: Stimmung machen. Super-Support war angesagt. Und den gab es dann auch im Stadion. Spitzenmäßig. Eines Meisters würdig.

Unglaubliches geschieht

Besondere Würdigung

Doch zuerst noch eine besondere Ehrung für die Villingendorfer Fans. Vorsitzender Benedikt Storz wurde auf den Rasen gebeten. Der Fanclub erhielt ein VfB-Trikot mit der 45 überreicht. 45 Jahre mit dem roten Brustring. Einmalig. Da vergoss nicht nur Ehrenmitglied Felix Müller, langjähriger Vorsitzender, der im heimischen Fantreff das Spiel verfolgte, innerlich ein paar Tränen.

Tja, und dann rollte der Ball. Und bescherte einen unglaublichen Nachmittag. Es sah nicht gut aus für den VfB. Nach dem 1:0 der in dieser Saison traditionelle Chancenwucher. Und dann quasi aus heiterem Himmel der Ausgleich für Köln – über die Fangkünste des Keepers sprechen wir jetzt nicht. Hertha führte in Dortmund. Was sollte da noch gehen?

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Ja, es gibt ihn, den Fußballgott

Doch der Fußballgott sah und hörte die Stimmung im Oval in Bad Cannstatt – und er hatte ein Einsehen. Dortmund glich aus, und Dortmund ging in der 85. Minute in Führung. Nun lag der direkte Klassenerhalt auf dem Silbertablett. Jeder im Neckarstadion hat dies mitbekommen. Es wurde lauter und lauter. Die Mannschaft wurde regelrecht nach vorne gepeitscht.

In der 92. Minute die Explosion, als Wataru Endo alle erlöste. Die Dämme brachen. Platzsturm. Ein unglaublicher Nachmittag hatte seinen Höhepunkt erreicht. Der Rest – Schweigen im ohrenbetäubenden Lärm. Diese Momente schenkt eben nur der Fußball. Wer sie erleben darf, ist ein glücklicher Mensch.