Noch sieht der Hirsch in Oberesslingen ganz friedlich aus – für Freitag haben sich gewaltbereite Hooligans dort angekündigt Foto: Kovalenko

200 gewaltbereite Hooligans des VfB und des 1. FC Kaiserslautern werden in Esslingen erwartet.

Esslingen - Bei der Polizei ist der VfB-Fanclub Neckar-Fils Stuttgart kein unbeschriebenes Blatt: „Die Gruppe ist seit mehr als 30 Jahren polizeibekannt“, sagt Kriminalhauptkommissar Wolfgang Knupfer. Er ist Chef der szenekundigen Polizisten in Stuttgart, die Hooligans im Auge haben. Und die Gruppe Neckar-Fils sei gewaltbereit.

 

An diesem Freitag trifft der VfB in Stuttgart auf den 1. FC Kaiserslautern. Für die Extremfans ein Grund, sogenannte Ultras aus dem anderen Lager nach Esslingen einzuladen – ins Gasthaus Hirsch nach Oberesslingen. Den Wirt, Theo S., bringt das nicht aus der Ruhe. „Das sind Freunde, die sind regelmäßig hier“, sagt er unserer Zeitung. Einmal im Monat komme Neckar-Fils dort zusammen, und die Weihnachtsfeier habe man auch im Hirsch gefeiert. Alles sei ganz friedlich abgelaufen, beteuert der griechische Wirt. So erwartet er auch für Freitag keine Randale: „Die trinken was und essen was, und einige fahren dann ins Stadion.“ Außerdem seien die Fans aus Stuttgart und aus Rheinland-Pfalz doch befreundet.

Theo S. lebt, wie er sagt, seit 40 Jahren in Deutschland und führt seit fünf Monaten das Wirtshaus. Die Hooligans kennt er schon länger. Sie seien schon vorher bei einer deutschen Wirtsfamilie regelmäßig im Hirsch gewesen. Irritiert gibt er sich auf die Frage, nach rechten Tendenzen der Gruppe. „Ich bin doch selbst Ausländer und bei Neckar-Fils sind noch andere Ausländer.“ Doch er wird plötzlich nachdenklich: „Ich will keine Schwierigkeiten, ich kriege langsam Angst.“ Kurz überlegt er, die Party abzusagen, überlegt dann aber neu: Er sei ja froh über ein volles Haus.

Die Esslinger Polizei wusste bis gestern nichts von dem geplanten Hooligan-Treffen. Es wurden dann aber Ermittlungen durch die Kripo und eine Stabsstelle eingeleitet. „Wir werden auch den Kontakt zu dem Wirt suchen“, sagt Pressesprecher Matthias Bellmer. Ob es am Freitag einen Polizeieinsatz geben wird, ließ er gestern noch offen: Die Ermittlungen würden bestimmt bis Donnerstag andauern.

Bündnis gegen Rechts

Ob Mitglieder von Neckar-Fils der Neonazi-Szene angehören, ist unklar. Hauptkommissar Wolfgang Knupfer sagt, es gebe keinerlei rechte Verbindungen. Die linke Szene dagegen verweist auf Fotos auf der Internetseite der Gruppe, auf der Hitlergruß und Reichskriegsflagge zu sehen sind. 2009 habe es ein Konzert mit der Band Kategorie C – Hungrige Wölfe gegeben, die der rechtsextremen Hooliganszene zugeordnet wird. Ultrarechte unter den Anhängern des 1. FC Kaiserslautern haben den israelischen Spieler Itay Shechter beschimpft und mit antisemitischen Parolen beleidigt.

Um rechten Tendenzen den Nährboden zu entziehen, wird in Esslingen jetzt das Bündnis gegen Rechtsextremismus, Courage, ins Leben gerufen. Gründungsversammlung ist am 13. März im Kulturzentrum Dieselstraße. Auslöser für Courage war ein Hinweis der Polizei, dass der 1986 in Esslingen gegründete Verein Ausländer und Deutsche gemeinsam (ADG) auf einer von Neonazis geführten Liste auftaucht. Der Verein, der 1996 in Bündnis Courage umbenannt wurde, hat rund 200 Mitglieder. Aufgerüttelt durch die Morde der rechten Terrorzelle NSU, aber auch durch vermehrte Auftritte von Neonazis in der Region wollen ehemalige Mitglieder des Bündnisses dieses nun erneuern. Zu ihnen gehören Sabine Bartsch vom Kulturzentrum Dieselstraße, Frank Böhringer vom DGB Esslingen, Klaus Hummel, Leiter der Katharinenschule und Josef Minarsch- Engisch vom interkulturellen Forum. OB Jürgen Zieger hat die Schirmherrschaft übernommen.

„Wir dürfen nicht die Augen zumachen, was gerade in unserer Republik passiert“, sagt Sabine Bartsch. Die Initiatoren verweisen auf den Mordanschlag autonomer Nationalisten auf fünf Migranten in einem Gartenhaus in Winterbach und auf eine Mahnwache von Neonazis vor zwei Wochen auf mehreren Marktplätzen der Region, unter anderem in Esslingen. „Es gibt Netzwerke, die subtil arbeiten“, so Minarsch-Engisch. Die früheren Erkennungszeichen wie Springerstiefel und Glatze gebe es kaum noch. Vielmehr agieren sie auf Schulhöfen, verteilen Musik-CDs, ködern ärmere Jugendliche mit Zuwendung und Waren. In Esslingen leben 37 Prozent mit Migrationshintergrund. Das Bündnis soll allen engagierten Bürgern Raum geben, sich zu engagieren. Die Gründer schreckt es nicht, wenn sie durch Aktionen die Ultrarechten aus der Deckung locken.