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Die Krawalle am Samstag haben schockiert. "Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass die Lage so aus dem Ruder laufen könnten", sagt der VfB-Fanbeauftragte Peter Reichert.

Stuttgart - Fans, die aus Wut über sportlichen Misserfolg den Bus blockieren, den Eingang zum Business-Center besetzen, mit Böller und Bengalos gegen Polizisten und Ordner vorgehen. Und der VfB Stuttgart wirkt bei all dem ziemlich machtlos.

Herr Reichert, haben Sie den Schock schon überwunden?

Wenn ich ehrlich bin: Die Geschehnisse stecken mir noch in den Knochen.

Es war doch schon seit Tagen klar, dass es unter den Fans brodelt.

Das stimmt, aber es gab keinerlei Hinweise darauf, dass die Lage so aus dem Ruder laufen könnte.

Haben Sie die Lage unterschätzt?

Im Nachhinein muss man alles hinterfragen.

Wie pflegen Sie den Kontakt zur Ultraszene?

Wir sind bei Ihren Treffen immer wieder dabei. Vor allem mein Kollege Ralph Klenk hält den Kontakt.

Um es vorsichtig zu sagen: Die Ultras nehmen Ralph Klenk nicht sonderlich ernst.

Grundsätzlich sehen sich die Ultras als unabhängige Gruppe, deshalb ist es nicht einfach, einen engen Draht zu halten.

Andere Clubs beschäftigen Sozialarbeiter in Fanprojekten, um Exzessen vorzubeugen.

Darüber kann man sicherlich diskutieren. Aber generell ist es so, dass die Ultras in der Bundesliga wenig bis gar keinen Kontakt zu den Clubs haben. Unsere Verbindungen sind da noch relativ gut.

Geholfen hat es nicht.

Ralph Klenk und ich haben vor dem Business-Center versucht, mit den Leuten zu reden, aber da waren viele darunter, die kochten vor Wut, an die kam keiner mehr ran.

Das waren nicht nur einige wenige, die Schätzungen gehen bis zu 1000 Protestierer.

Es waren auch viele Neugierige, die einfach sehen wollten, was da los war. Da waren 16- und 17-Jährige dabei, die mit den Protestierern gar nichts zu tun hatten.

Schon vor dem Spiel wurde der VfB-Mannschaftsbus blockiert und attackiert, die Spieler wurden massiv bedroht.

Ja, das war beängstigend und kam für uns total überraschend. Und der Mannschaft haben sie damit auch nicht geholfen. Das hat vor allem einige junge Spieler verunsichert.

Warum kippte die Stimmung so exzessiv?

Ich habe keine plausible Antwort darauf.

Manche Ultras benehmen sich so, als sei der Club ihr Eigentum und reagieren entsprechend gereizt, wenn schlecht läuft.

Der Verein ist für viele Fans ihr Leben. Sie opfern ihre Freizeit, um die Mannschaft zu den Spielen zu begleiten, sie geben den letzten Cent aus, um den VfB zu unterstützen. . .

. . . und daraus leiten sie Rechte ab.

Das ist in einem gewissen Rahmen auch vertretbar. Ich habe ja Verständnis, wenn die Fans ihre Kritik und ihren Unmut äußern. Auch die Stimmungsblockade im Stadion ist legitim. Was aber gar nicht geht, sind Gewaltausbrüche mit Böllern und Bengalos und die Angriffe auf Polizisten und Ordner.

Was sind die Lehren aus den Vorfällen?

Wir werden in Zukunft versuchen auf gewisse Entwicklungen noch genauer zu achten, um Stimmungsbilder früher zu erkennen. Ich denke auch die Überlegungen zu einem Fan-Projekt in Stuttgart werden weiter forciert.

Das ist alles?

Mehr können wir nicht tun. Mehr steht nicht in unserer Macht. Wir versuchen im Sinne des VfB Stuttgart und der Fans zu arbeiten. Aber die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft zu lösen, da sind wir überfordert.