Aufsichtsratschef Joachim Schmidt stellt sich hinter Trainer Thomas Schneider. Die Ursachen für die sportliche Krise des VfB Stuttgart sieht er im Jahr 2007: „Wir leiden bis heute unter den Fehlern, die wir nach dem Titelgewinn gemacht haben.“
Aufsichtsratschef Joachim Schmidt stellt sich hinter Trainer Thomas Schneider. Die Ursachen für die sportliche Krise des VfB Stuttgart sieht er im Jahr 2007: „Wir leiden bis heute unter den Fehlern, die wir nach dem Titelgewinn gemacht haben.“
Stuttgart - Herr Schmidt, Sie sind Ende Dezember bei Mercedes-Benz ausgeschieden. Ihren Ruhestand haben Sie sich bestimmt freudvoller vorgestellt? Wie sehr leiden Sie mit dem VfB?
Ich bin seit Jahrzehnten sehr eng mit dem Verein verbunden. Die aktuelle Lage macht mich sehr betroffen. Aber ich bin auch zuversichtlich. Und seien Sie versichert: Wir analysieren die Situation ständig und schonungslos.
Dann können Sie sicher Fehler aufzählen, die zu der prekären Lage geführt haben?
Als Aufsichtsratschef ist es nicht meine Aufgabe, tiefgründige sportliche Analysen zu liefern. Da hat der VfB kompetentere Leute.
Sie meinen Fredi Bobic. Auf ihn prasselt die Kritik ein. Welche Fehler hat er gemacht?
Fredi Bobic hat eine schwierige Budgetsituation angetroffen. Da ist es nicht einfach, einen optimalen Kader zusammenzustellen. Und dennoch: Unser Kader ist finanziell in der oberen Bundesliga-Hälfte angesiedelt.
Trotzdem liegt der VfB nur auf Rang 15.
Keine Frage: Wir haben immer noch einen Etat, mit dem wir besser dastehen müssten. Ich bin auch davon überzeugt: Wenn wir aus der jetzigen Situation heil rauskommen, spielen wir eine bessere nächste Saison.
Fredi Bobic hat gesagt, er lasse sich am Kader messen. Was sagt Ihnen das?
In einer solchen Situation ist es immer ganz einfach, über andere den Stab zu brechen. Aber bei uns stehen alle Gremien ganz geschlossen zusammen. Im Übrigen stimme ich in die Kritik an Fredi Bobic nicht ein.
Das müssen Sie erläutern!
Der VfB leidet bis heute unter den Fehlern, die wir nach dem Gewinn der Meisterschaft 2007 gemacht haben. Damals gab es zum Teil zu großzügige Verträge und einige Einkäufe, die sich im Nachhinein als Fehleinkäufe herausgestellt haben. Für sie hat der VfB sehr viel Geld ausgegeben. Plötzlich hatten wir hohe Fixkosten, die ohne Einnahmen aus der Champions League nicht finanzierbar waren. Deshalb mussten wir den Spieleretat von über 60 auf rund 40 Millionen Euro herunterfahren. Das war eine Notwendigkeit.
Das erklärt aber nicht Platz 15.
Unter den gegebenen Umständen war es nicht einfach, den Kader zusammenzustellen. Die sportliche Leitung hat bestimmt nicht alles zu 100 Prozent richtig gemacht – wer macht das schon? Da ist vieles zusammengekommen, auch das frühe Ausscheiden im DFB-Pokal und in der Europa League. Aber wir haben uns selbst in diese Situation gebracht. Jetzt müssen wir auch selbst aus der schwierigen Lage herauskommen.
Was hätten Sie bei Mercedes-Benz gemacht, wenn ein Modell nicht läuft wie gewünscht?
(Lacht) Zum Glück hatten wir weniger solcher Fälle. Und wenn, dann haben wir eine frühe Modellpflege gemacht, wir haben dann also das Modell früher als geplant überarbeitet. Am Ende dieser Saison ist auch beim VfB die eine oder andere Modellpflege fällig.
Wie soll die aussehen?
Wir haben schon so viele Schnitte gemacht, der nächste wird sicher nicht radikal ausfallen. Der VfB hat über viele Jahre viel Geld und viel Herzblut in seine Jugendarbeit gesteckt. Das A und O ist es, daraus Nutzen zu ziehen. Diesen Weg gehen wir, weil er der richtige ist. Aber nicht ohne Säulen in der Mannschaft, die die Jungen führen.
Mit Thomas Schneider als Trainer?
Das hoffe ich sehr. Die Entscheidung für ihn wurde in diesem Fall nicht nach der Verfügbarkeit eines Kandidaten getroffen, sondern danach, wer unsere Philosophie bestmöglich umsetzen kann.
Am Ende entscheiden aber nur Siege und Punkte über Wohl und Wehe des Trainers.
Wir fahren optimistisch nach Frankfurt und wollen dort Zählbares mitnehmen. Einen Plan B diskutieren und kommentieren wir momentan nicht.
Auch nicht bei einer deutlichen Niederlage?
Frankfurt ist für Thomas Schneider kein Entscheidungsspiel. Es ist ein extrem wichtiges Spiel, aber keines, das letztendlich die Entscheidung über den Trainer bedeutet.
Ewig können Sie aber nicht zusehen.
Wir sind nicht blauäugig, wir machen uns schon Gedanken über mögliche Szenarien. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema für uns. Wir gehen davon aus, dass wir in Frankfurt Zählbares mitnehmen.
Wie planen Sie persönlich? Kandidieren Sie wieder als Aufsichtsratschef?
Es ist Sache des Ehrenrats, mich vorzuschlagen. Aber ja, ich habe durchaus Interesse, wieder zu kandidieren.
Auch im Falle des Abstiegs?
Das ist keine Frage. Ich mache das aus tiefer Verbundenheit mit dem Verein, selbstverständlich auch in der zweiten Liga.
Eine Modellpflege ist auch im Aufsichtsrat fällig. Wie soll er künftig aufgestellt sein?
Er soll mit erfolgreichen Mittelständlern und Vertretern von Großunternehmen besetzt sein, die eine Nähe zum Fußball und zum VfB und im Großraum Stuttgart einen Namen haben. Dahinter verbirgt sich auch die Hoffnung, zusätzliche Sponsoren zu gewinnen.
Millionen, seid umschlungen?
Das ist in der aktuellen sportlichen Situation sehr schwierig. Wir müssen Unternehmen kitzeln und für uns begeistern: Der VfB ist euer Heimatclub. Heimatliche Verbundenheit und Tradition sind auch beim VfB ein großes Thema. Und wir sind der einzige Bundesligist in Württemberg. Diese Trumpfkarte wollen wir spielen.
Welches Unternehmen zieht mit, wenn es zum Abstieg kommen sollte? Und was würde der Gang in die zweite Liga den VfB kosten?
Wir mussten ja schon häufiger dieses Szenario durchrechnen. Das würde uns vor eine schwierige Situation stellen, aber der Verein würde nicht untergehen.
Wie verlässlich wären die Sponsoren?
Ich glaube, die meisten würden mitgehen.
Bleibt die Mercedes-Benz-Bank Trikotsponsor?
Wir sind in guten Gesprächen und werden relativ schnell zu einem Abschluss kommen.
Auch für die zweite Liga? Und stimmt es, dass Mercedes künftig rund eine Million Euro pro Saison mehr zahlt?
Die Vertragsverlängerung hängt nicht mit der sportlichen Situation zusammen. Den genannten Betrag möchte ich weder bestätigen noch dementieren.
Gibt es andere Interessenten, die beim VfB auf die Brust wollen?
Da muss man auch die vertraglichen Gegebenheiten berücksichtigen. Zum Beispiel hat Mercedes-Benz beim VfB auch noch einen Werbevertrag als branchenexklusiver Sponsor, der bis 2017 reicht.
Wie weit sind Sie mit der geplanten Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung?
Unser Ziel ist es, bei der Mitgliederversammlung über den für uns besten Weg für die Zukunft zu informieren und den Mitgliedern eine Empfehlung auszusprechen. Letztendlich entscheiden unsere Mitglieder. Es spricht viel für eine Ausgliederung. Aber niemand darf glauben, dass das ein Allheilmittel ist. Ganz wichtig dabei ist auch, dass wir geeignete Investoren finden. (Pause) Sie sehen, es gibt viel zu tun. Aber das Wichtigste ist, dass wir am Sonntag gewinnen.