Gutes Essen zum kleinen Preis und ein geselliges Beisammensein für alle Menschen: Beides ist wieder in der Vesperkirche geboten, die nun zum elften Mal in Nagold stattfindet. Schon am zweiten Tag ist mächtig was los in den Räumlichkeiten der methodistischen Kirche. Ein Stimmungsbild bei Gespräch und Mittagessen.
Die methodistische Kirche ist in diesen Tagen gefüllter als sonst, und die Menschen in den gelben Schürzen sind es, die dabei wohl die meiste Arbeit vor sich haben. Sie sind permanent auf Trab, jonglieren mit vollen Tablets, füllen die leeren Gläser in Windeseile nach, und wenn mal kurz Zeit für eine Verschnaufpause gegeben ist, setzen sie sich mit an die Tische, beteiligen sich an den vielen interessanten Gesprächen.
Mal geht es um die Politik, Bundeskanzler Olaf Scholz Besuch in Calw, ein Dauerrenner. Mal sind es ganz alltägliche Dinge, die das Gespräch dominieren. Das Wetter, das leckere Essen, Versicherungen werden verglichen, und natürlich die neue Grundsteuer, ein großer Aufreger. Es kommen vor allem Menschen zusammen, die sich im normalen Leben vielleicht niemals begegnen würden.
Genau das ist das besondere an der Vesperkirche in Nagold. Menschen finden an einen Tisch, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Standes oder ihres Glaubens. Die Nahrung für die Seele sei mindestens genauso wichtig, wie die Nahrung für den Körper, findet Vorstandsmitglied Veronika Rais-Wehrstein. Die Menschen in Nagold seien nicht zu sehr von Armut betroffen, von Einsamkeit dagegen schon. „Viele haben hier Freundschaften geschlossen, die sonst nie zustande gekommen wären“, sagt sie.
Viele unerwartete Begegnungen
Während die Mehrzahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter – an diesem Tag unterstützt von drei Klassen der Annemarie-Lindner-Schule – noch mit der Essensausgabe zur Stoßzeit beschäftigt ist, kann sich Veronika Class eine kurze Auszeit gönnen. Sie sitzt mit ihrer Schwester Hildegard Drössler am Tisch, beide genießen das Tagesgericht, Spaghetti Bolognese.
Class sei schon seit vielen Jahren als Helferin dabei, die Vesperkirche bedeute ihr sehr viel. „Die Arbeit gibt mir so viel zurück“, sagt sie, jeden Tag gebe es neue Menschen kennenzulernen. Außerdem engagiere sie sich aus Leidenschaft. „Ich freue mich einfach anderen zu helfen.“ Ihre Schwester Hildegard will morgen wiederkommen, ihre Tanzgruppe im Schlepptau. Sie komme gerne, zu Hause sei sie gerade nur allein. Ihr Mann ist in der Reha. „Nur für mich muss ich nicht kochen“, sagt sie und muss lachen.
An einem anderen Tisch sitzt Willi. Er hat soeben seine Spaghetti verdrückt, seine Sitznachbarn sind schon aufgestanden. Die Vesperkirche sei für ihn etwas Besonderes, weil sie es schafft, die Kirchen an einen Tisch zu bringen. Organisiert wird sie von dem Arbeitskreis Christlicher Kirchen, kurz ACK, ein Zusammenschluss der katholischen, evangelischen sowie evangelisch-methodistischen Kirche. Auch die neuapostolische Kirche hilft aus.
Keine Selbstverständlichkeit, findet er. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, so der 85-jährige. Das gemeinsame Essen, für ihn immer eine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen, auch mit Fremden. „Ich suche das aktiv“, sagt Willi.
Was die Gesellschaft braucht
Das Zusammenkommen findet aber nicht nur im oberen Saal beim Mittagessen statt. Auch im Untergeschoss bei Kaffee und Kuchen treffen die Gäste aufeinander, lernen sich kennen, tauschen sich aus. So wie Zveta und Astrid. Die beiden kennen sich zwar schon etwas länger, doch für Astrid ist die Vesperkirche eine besondere Chance, neue Menschen kennenzulernen.
Sie wohnt erst seit einem Jahr in der Gegend, ist aus Niedersachsen hergezogen. „Die Leute sind wirklich sehr herzlich“, schwärmt sie, sie habe schon einige kennengelernt. Das Konzept der Vesperkirche habe sie in ihrer Heimat nicht erlebt. „Das ist echt sehr schön.“
Als Nagolderin ist Zveta eigentlich jedes Jahr dabei. Mit den Leuten zu reden, für die Seele wunderschön. Besonders wenn man unter Einsamkeit leide. „Danach fühlt sich alles leichter an, als ob ein Stein vom Herzen fällt.“ Sie ist sich sicher: Alleine könne man nicht leben, vor allem nicht zu dieser Zeit. Astrid pflichtet ihr bei. „Die Vesperkirche ist genau das, was die Gesellschaft braucht.“
Keine Hürden
Die Vesperkirche
findet vom 9. bis zum 23. Februar in der evangelisch-methodistischen Kirche in Nagold statt. Täglich von 10 bis 16 Uhr kann in den Räumlichkeiten bei abwechslungsreichem Essensangebot beisammen gesessen werden. Das Essen liefert montags bis freitags die Metzgerei Klink, Samstag und Sonntag kochen die Ehrenamtlichen selber. Das Angebot gilt bis 14 Uhr. Eintritt wird nicht verlangt, jeder gibt an der Spendenkasse so viel er kann, mindestens 1 Euro. Neben dem Mittagessen bietet die Vesperkirche in den kommenden Wochen auch eine breite Palette an Abendveranstaltungen.