Volles Haus: Das war zwischen dem 2. und 11. März keine Seltenheit in der Calwer Stadtkirche. Foto: Thomas Fritsch

Die Calwer Vesperkirche ging an diesem Samstag zu Ende. Die Organisatoren ziehen eine positive Bilanz; Tausende Gäste durften bewirtet werden. An manchem habe sich aber auch gezeigt, dass die Armut in den vergangenen Jahren zugenommen hat.

Die Vesperkirche 2023 war ein Riesenerfolg. So lautet das Fazit von Organisatorin Miriam Kühn-Junge.

In der Zeit zwischen dem 2. und 11. März wurden rund 5500 Essen ausgegeben. Täglich sind zwischen 350 und 600 Besucher in die Stadtkirche gekommen. Und das von Tag zu Tag mit steigender Tendenz. „Es braucht immer eine gewisse Anlaufzeit und auch die Mund-zu-Mund-Propaganda mag eine Rolle gespielt haben“, so Kühn-Junge im Gespräch. Auf jeden Fall sei das Niveau aus Vor-Corona-Zeiten wieder erreicht, wenn nicht sogar leicht übertroffen worden.

Menschen, die einen warmen Ort brauchen

Viele Besucher seien auffallend lange geblieben. Zum einen, weil ihnen die Atmosphäre gefallen hat. Zum anderen habe es aber auch Gäste gegeben, die während der gesamten Öffnungszeit von 11 bis 15 Uhr da waren. Das zeige, so Kühn-Junge, dass die Armut in den vergangenen Jahren zugenommen hat. „Das sind Menschen, die einen warmen Ort genauso brauchen wie die Ansprache in Gesellschaft und natürlich eine ordentliche Mahlzeit.“ Essensreste seien genauso mitgenommen worden wie die Spenden des Tafelladens, die Kuchen gingen restlos weg. Sozialberatung durch Diakonie und Caritas sowie die Rechtsberatung von Anwälten, die angeboten wurden, waren sehr stark gefragt. Auch das Angebot der Friseure, sich kostenlos einen Haarschnitt verpassen zu lassen, wurde hervorragend angenommen.

Dabei will sich die Calwer Vesperkirche nicht als Küche für Bedürftige verstanden wissen. Menschen aus allen Schichten sollen dabei sein, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Immer mal wieder trifft Kühn-Junge auf Besucher, die fürchten, sie nähmen Bedürftigen ein Essen weg. Das sei nicht der Fall und müsse bei der nächsten Vesperkirche noch stärker herausgestellt werden.

220 Helfer waren im Einsatz

Organisatorisch sei, abgesehen von kleineren personellen Engpässen, alles nahezu reibungslos verlaufen, so die frühere Calwer Gemeindediakonin, die jetzt in Weil der Stadt-Merklingen tätig ist. 220 Helfer waren im Einsatz, sie wurden von 100 bis 150 Schülern und Konfirmanden unterstützt. „Viele sind schon seit Jahren dabei, da hat sich eine funktionierende Struktur entwickelt“, so Kühn-Junge.

Neben ihr zählen Andrea Krüger, Sebastian Kirsch (beide Erlacher Höhe), Lydia Krafft (Kuchen), Helga Raschko (Logistik), Diakon Bertram Bolz, Heimo Haug (Finanzen), Peter Schnitzer (Technik), Peter Boeltz, (Diakonische Bezirksstelle) und Bettina Schock (Ausgabe Lebensmittel) zum Team. Das vegetarische Essen lieferte die Erlacher Höhe, Fleischgerichte kamen von der Metzgerei Blum.

Die Resonanz der Helfer sei überaus positiv gewesen. Viele sprachen von einem persönlichen Gewinn und haben sich gefreut, dabei gewesen zu sein. Mitarbeiter wie Besucher haben immer wieder auf die besondere Atmosphäre verwiesen, wenn sich eine Kirche in ein Gasthaus verwandelt.

Am letzten Tag der Vesperkirche überzeugte sich davon indes auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff. Tags zuvor war dieser bereits als Festredner zur Feier des 50-jährigen Bestehens des Landkreises Calw nach Bad Liebenzell angereist.