Auch die Schulämter mussten sich neu strukturieren. Foto: dpa

Alles deutet darauf hin, dass die Reform der Landesverwaltung erfolgreich verlaufen ist.

Stuttgart - Lob für Politiker? Das kommt Winfried Krawinkel nur selten über die Lippen. Der Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler hält die Akteure für zu zaghaft bei nötigen Reformen und zu spendabel im Umgang mit Steuergeldern. Umso mehr hebt sich davon jetzt sein Urteil über Erwin Teufels Verwaltungsreform ab. „Schöner Erfolg, Einsparziele weitgehend erreicht“, heißt es in der jüngsten Ausgabe des Verbandsorgans der Steuerzahler.

Das ist etwas voreilig, denn die Bilanz wollen die Hauptakteure – die 44 Stadt- und Landkreise – erst in einigen Wochen präsentieren. Dann sollen auch die Zahlen für 2011 vorliegen, aus denen hervorgeht, wie hoch die Einsparungen in den vergangenen sieben Jahren waren. Trotzdem wird dem Chef der Steuerzahler niemand widersprechen, wenn er sagt: „Es hat sich gelohnt, diese Reform in Angriff zu nehmen.“

Erwin Teufels Coup
Im stillen Kämmerchen hatte der frühere CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel die Reform der Landesverwaltung ausgeheckt – die größte seit der Neuordnung der Kommunen Anfang der 70er Jahre. Auch seine eigene CDU-Fraktion stand vor vollendeten Tatsachen, als er am 25. März 2003 seinen Plan offenbarte, die zersplitterte Verwaltungslandschaft zu sortieren.

Sein Ziel: Künftig sollte es keine Sonderbehörden mit eigenen Präsidenten und Dienststellen mehr geben, sondern nur noch die drei Ebenen Ministerien, Regierungspräsidien und Landratsämter (sowie die Bürgermeisterämter der Stadtkreise). Teufel wollte damit nicht nur Geld sparen, sondern auch eine klare Systematik erstellen.

Mehr als 350 Behörden wurden von 2005 an aufgelöst, eingegliedert oder zusammengelegt. So gingen etwa die Forst- und Gewässerdirektionen in den Regierungspräsidien auf, ebenso die Oberschulämter und das Landesdenkmalamt.

Unter das Dach der Landratsämter kamen zum Beispiel die Landwirtschaftsämter und die Straßenbauämter, die Schulämter, die Forstämter und die Lebensmittelkontrolleure. So wurde die Einheit der Verwaltung auf Kreisebene weitgehend erreicht.

Was wurde gespart?
Die Landräte hatten schon frühzeitig angekündigt, sie könnten die bisher vom Land erledigten Aufgaben preiswerter bewältigen. Die Infrastruktur sei in den Landratsämtern ja schon vorhanden, argumentierten sie, deshalb entstünden zahlreiche Synergien.

Teufel nahm sie beim Wort und vereinbarte, dass das Land bei der Erstattung der Personal- und Sachkosten eine „Effizienzrendite“ einrechnen darf. Konkret bedeutete das, dass die anfänglich gezahlten 330 Millionen Euro im ersten Jahr um zwei, später dann um jährlich drei Prozent abschmelzen sollen. Insgesamt 20 Prozent beträgt diese Rendite bis Ende 2011.

Wurde dieses Ziel erreicht? Die Zahlen für 2010 zeigen immerhin, dass die Kommunen im Durchschnitt recht nahe an diesen Wert herankommen. Sie offenbaren aber auch große regionale Unterschiede. Eigentlich wurde für 2010 eine Effizienzrendite von 17 Prozent verlangt, in Wirklichkeit beläuft sie sich laut Landkreistag auf 15,9 Prozent. „Die Spannbreite reicht dabei von 6,8 bis 21,2 Prozent“, sagt Hauptgeschäftsführer Eberhard Trumpp.

Mit Details hält der Verband hinterm Berg, denn ein Ranking verbietet sich angesichts der territorialen Unterschiede: So hat etwa der Kreis Breisgau-Hochschwarzwald mit seinem Netz von Gebirgsstraßen ganz andere Infrastrukturaufgaben zu bewältigen als etwa ein Stadtkreis. Auch bei diesen gibt es erhebliche Unterschiede: Während Stuttgart, Karlsruhe, Ulm, Heilbronn und Pforzheim das Einsparziel erreichen, hinken Heidelberg, Freiburg und Baden-Baden noch hinterher.

Die Schwachstellen

Die Schwachstellen
In einigen Verwaltungszweigen hat sich seit Inkrafttreten der Reform die Geschäftsgrundlage geändert – und das macht den Kreisen zu schaffen. Vor allem die Wartung von Bundes- und Landesstraßen setzt ihren Haushalten derart zu, dass laut Landkreistag innerhalb von fünf Jahren ein Defizit von mehr als 31 Millionen Euro entstanden ist. „Bisher hat das Land einen Ausgleich abgelehnt“, sagt Trumpp.

Die größte Schwachstelle aber ist die Lebensmittelüberwachung. Schon zu Beginn der Reform war offensichtlich, dass die Stellen des früheren Wirtschaftskontrolldienstes nicht ausreichen, um in jedem Kreis eine schlagkräftige Überwachung zu gewährleisten. Dieses strukturelle Problem besteht bis heute: 276 zusätzliche Stellen wären eigentlich nötig, rechnet der Landkreistag vor. Grün-Rot hat für den Haushalt 2013/2014 allerdings lediglich 22 weitere Lebensmittelkontrolleure zugesagt.

Auch die Vermessungsverwaltung bereitet den Landräten Kopfzerbrechen. Denn eigentlich sollte bis übernächstes Jahr 80 Prozent dieser Dienstleistung von öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren erbracht werden. Durch diese Privatisierung fehlen den Vermessungsämtern die Einnahmen – doch dieses Defizit trägt das Land nur bedingt. „Die Kreise müssen ihren Teil zum Erreichen des generellen Ziels beitragen, indem sie das Personal im Vermessungsbereich entsprechend reduzieren“, heißt es im Innenministerium: „Dafür reicht wohl in einzelnen Kreisen die altersbedingte Personalfluktuation nicht aus.“

Die grün-roten Pläne
Wie Grün-Rot mit Teufels Verwaltungsreform umgehen wird, ist noch nicht klar erkennbar. „Nicht in allen Bereichen konnten bisher die damit verbundenen Erwartungen erfüllt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag – verbunden mit der Ankündigung, die Auf- und Ausgaben kritisch zu überprüfen und Korrekturen vorzunehmen.

Einen ersten kräftigen Akzent hat die Koalition bereits bei der Polizei gesetzt. Diese war 2005 als einziger Verwaltungsbereich von der Reform ausgenommen worden – gegen den Willen von Erwin Teufel. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat diesen Schritt jedoch nicht in dessen Sinn vollendet, sondern die Verwaltungskarte der Polizei gänzlich neu zugeschnitten.

Möglicherweise dreht Grün-Rot auch noch an anderen Stellschrauben. So ist hören, das Land wolle die Straßenbauämter wieder unter seine Fittiche nehmen – was die Kreise wiederum ablehnen.

Bereits von der schwarz-gelben Vorgängerregierung sind die Schulämter aus den Landratsämtern herausgelöst worden. Kritiker hatten bemängelt, die Kreisorientierung führe zu einer Zersplitterung und Schwächung der Schulberatung. Der Landkreistag sieht darin einen rein politisch motivierten Akt lokaler Abgeordneter. Dass bei den Schulämtern ein Konzentrationsprozess eingesetzt hat, ist jedoch nicht zu bestreiten: Hatte es 2004 noch 30 Schulämter gegeben, so sind es seit 2009 nur noch 21.

Wie Grün-Rot künftig mit der Verwaltungsreform umgeht, betrachten die Landräte mit Argusaugen, denn sie wissen, dass die SPD eine komplett andere Landkarte im Kopf hat: Die Roten plädieren für Regionalkreise, in denen wesentliche Aufgaben der Landkreise und der Regierungspräsidien aufgehen. Ob und wann dies kommt, lässt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht entlocken: „So etwas macht man in der zweiten Legislaturperiode, nicht in der ersten“, lautet sein Kommentar.