Windräder, Stuttgart 21 und Sportwetten halten die Richter des Verwaltungsgerichts auf Trab.

Stuttgart -  Der Bau von Windrädern im Land, ein Streit um das sakrale Läuten einer Kirchenglocke, um den Rauch eines Backhauses oder um das Betreiben eines Dominastudios und natürlich Stuttgart 21 - das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat auf allen möglichen Feldern Recht zu sprechen. VG-Präsident Stefan Kuntze und seine Mannschaft tun dies mit Begeisterung.

"Hochinteressant, eminent wichtig, von herausragender Bedeutung, hochspannend, hochbrisant" - wenn Präsident Kuntze von seiner Arbeit spricht, merkt man seine Begeisterung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bald in jedem Satz. Das Wirken des VG diene zur Stabilisierung des demokratischen Rechtsstaats, die Staatsgewalt müsse kontrolliert werden, so Kuntze.

Das tun er und 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 43 Richterinnen und Richter. "Wir sind inzwischen personell so eingedampft, dass ich keine weiteren Kürzungen mehr erwarte", sagt der Präsident.

"Beklemmend aktuell" nennt Kuntze das Verfahren in Sachen Stromerzeugung durch Windräder. Die Regionen in Baden-Württemberg dürfen den Bau von Windkraftwerken nicht grundsätzlich verhindern, hat das VG im Juni 2010 geurteilt. Die Richter gaben damit einem Unternehmen aus Norddeutschland recht, das nun bei Frankenhardt nahe Schwäbisch Hall eine Windkraftanlage bauen darf. Begründung: Da der Regionalplan 2020 des Regionalverbands Heilbronn-Franken deutlich zu wenig Vorranggebiete für Windräder ausweise, sei er nichtig, es handle sich um eine Verhinderungsplanung. Jetzt hängt das Verfahren in der nächsten Instanz beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim.

Zeugen Jehovas klagen gegen das Land

Vor allem die Sportwetten haben die Richter im vorigen Jahr auf Trab gehalten. 780 Klagen wurden eingereicht, das staatliche Glücksspielmonopol scheint zu wanken. Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sagt Stefan Kuntze, hätten viele Kläger, sprich Anbieter privater Wetten, gute Chancen zu gewinnen.

Beim VG geht es allerdings auch kleinteilig zu. So haben sich die VG-Richter in den kommenden Monaten mit dem zweiminütigen Angelusläuten einer katholischen Kirchengemeinde in Heilbronn zu befassen. Ein Ehepaar klagt gegen die "Lärmbelästigung". In Weilheim/Teck im Kreis Esslingen sorgt ein kleines Backhaus, erbaut 1847, für Streit. Ein Anwohner fühlt sich vom Rauch, der beim Anheizen des Backhauses entsteht, belästigt. Um käufliche Liebe und Hiebe geht es bei der Klage einer Frau, die in einem Gewerbegebiet in Esslingen ein Dominastudio betreibt. Das Baurechtsamt hat das untersagt, die Frau klagt.

Spektakulärer ist die aktuelle Klage der Zeugen Jehovas gegen das Land. Die Glaubensgemeinschaft begehrt, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden. Berlin hat das bereits 1990 genehmigt, Baden-Württemberg lehnt dies ab. Wann dieser Fall verhandelt wird, ist noch unklar.

Um gerade einmal 46,67 Euro aber eben auch ums Prinzip geht es bei einer Klage eines Waffenbesitzers gegen das Land. Das Landratsamt Esslingen hat dem Kläger den genannten Betrag nach einer unangemeldeten Überprüfung seines Waffenschranks in Rechnung gestellt. Die Schießprügel waren ordnungsgemäß verschlossen. Der Mann will aber nicht zahlen. Es gebe keine Rechtsgrundlage für diese Gebühr, sagt er.

Daneben hat es das VG mit Ausländerrecht, öffentlichem Dienstrecht und eben mit Stuttgart 21 zu tun. "Wir stehen am Schnittpunkt gesellschaftlicher Kämpfe", sagt Präsident Kuntze.