Im Kölner Dom ist nachzulesen, welche Rechte Juden im Mittelalter hatten. Foto: Imago/Christoph Hardt

Vor 600 Jahren wurde die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen vertrieben. Sie wurden Opfer politischer und ökonomischer Machtkämpfe.

Die Judenfeindschaft in Deutschland war keine Erfindung der Nationalsozialisten. Ihre unselige Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück. Dabei lebten hier schon Juden, bevor es Deutschland überhaupt gab. In Köln, damals noch „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“, sind sie seit dem vierten Jahrhundert bezeugt. Anno 321 verfügte Kaiser Konstantin I., dass Juden in der Stadt auch in den Rat berufen werden konnten.

Mit der Gleichberechtigung war es aber bald vorbei. Daran änderte auch das „Judenprivileg“ nichts, das als Steintafel im Dom zu besichtigen ist. Es stammt von 1266 und spricht den Juden eine Reihe besonderer Rechte zu, etwa ein Monopol als Geldverleiher. Kurze Zeit später begannen die Juden ihr Viertel in Rathausnähe zu ummauern – wohl aus Furcht vor Übergriffen. Als 1349 die Pest die damals größte Stadt auf deutschen Terrain heimsuchte, wurde das den Juden angelastet. Es kam zur „Judenschlacht“, einem Pogrom, bei dem fast alle jüdischen Bürger vom Pöbel ermordet worden sind.

Die Vertreibung der Juden Ende September 1424 hatte wohl andere Gründe. Der Lokalhistoriker Carl Brisch spekulierte über einen Konflikt zwischen dem Magistrat und dem Erzbischof, dem die Juden zum Opfer fielen. Hermann Greive, bis 1984 Professor für Judaistik in Köln, schreibt hingegen: Mit dem Ausbau des Bankwesens im Spätmittelalter seien die jüdischen Geldverleiher zu unliebsamen Konkurrenten geworden, weshalb „die Städte sich ihrer zu entledigen suchten“. Viele der Kölner Juden wanderten nach Osteuropa aus. Sie sollten „auf ewige Zeiten“ die Stadt verlassen. Mit dem erzwungenen Auszug endete das jüdische Leben in Köln für fast 400 Jahre. Die ehemalige Synagoge wurde zur Ratskapelle umgebaut. Man nannte sie Sankt Maria in Jerusalem – welch ein Hohn.