In einem neuen Strategiepapier umreißt Verteidigungsminister Pistorius die Zukunft der Bundeswehr – deutlich wie nie zuvor.
Als Boris Pistorius Verteidigungsminister wurde, ist er für seinen neuen Stil gelobt worden. Anders als seine Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) strahlte der Niedersachse aus, dass er zupacken will.
Deutsche Waffenlieferungen für die Ukraine, eine Verschlankung von Entscheidungsstrukturen im Ministerium und die langfristige konzeptionelle Aufstellung der Bundeswehr: Baustellen gab und gibt es für Pistorius viele. Jetzt hat der Minister neue verteidigungspolitische Richtlinien vorgelegt, die ersten seit dem Jahr 2011.
Deutschland als Rückgrat
„Der Krieg ist mit Putins brutalem Angriff gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt“, sagte Pistorius. Damit habe sich die Bedrohungslage verändert. „Deutschland muss als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes Land in der Mitte Europas das Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein“, betonte der Sozialdemokrat. Auf diese neue Realität wolle er mit den verteidigungspolitischen Richtlinien eine Antwort geben.
Die Richtlinien sind sogar noch etwas deutlicher. „Abschreckungsfähigkeit, Kriegstüchtigkeit sowie Wirksamkeit im Einsatz sind der Anspruch an eine zukunftsfähige, voll ausgestattete sowie dauerhaft und jederzeit einsatz- und kampfbereite Bundeswehr“, heißt es dort beispielsweise. „Kriegstüchtigkeit“ wird sogar als „Handlungsmaxime“ bezeichnet.
Damit greifen die Richtlinien ein Reizwort auf, mit dem Pistorius erst kürzlich in Reihen der SPD zumindest teilweise angeeckt war. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, hatte Pistorius gesagt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich war daraufhin im Interview mit unserer Redaktion auf Distanz zu ihm gegangen. Er würde sich diese Wortwahl nicht zu eigen machen, hatte Mützenich gesagt. Worte wie „kriegstüchtig“ oder „kriegsfähig“ könnten zu größerer Verunsicherung beitragen, so der SPD-Fraktionschef. „In der Bundesrepublik haben wir bislang zu Recht immer von Verteidigungsfähigkeit gesprochen.“
Als strategische Prioritäten nennen die Richtlinien die Stärkung der Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit, die Förderung der Stabilität in der europäischen Nachbarschaft und die Aufgabe, zum Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung beizutragen. Überraschend ist all das nicht – wenngleich die Frage in den kommenden Jahren stets sein wird, ob dieser Anspruch finanziell ausreichend unterfüttert ist.
Ministerium abspecken
Die Ampel hat – mit den Stimmen der Union – ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aufgelegt. Mit diesem Geld soll die Armee bei Waffen und Ausrüstung erst mal wieder auf den Stand kommen. Das Sondervermögen hat aber allein schon durch die Inflation wieder an Wert verloren. Die verteidigungspolitischen Richtlinien verweisen deshalb auch ausdrücklich auf das Zwei-Prozent-Ziel unter den Nato-Partnern. Erforderlich sei „ein stetig steigender Plafond von mindestens 2 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung“, so ist es in Pistorius’ Richtlinien formuliert.
Die Union begrüßte das Strategiepapier zur Bundeswehr. „Dass jetzt die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien vorliegen, ist gut“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) unserer Redaktion. Er mahnte mit Blick auf das Strategiepapier aber: „Es ist zu hoffen, dass dieses jetzt auch zügig umgesetzt wird und nicht eine Fingerübung bleibt.“ Die Bundeswehr brauche ein klares Ziel und klare Planung. „Jetzt ist Pistorius gefordert, die selbst gegebenen Hausaufgaben der verteidigungspolitischen Richtlinien umzusetzen.“
Unterdessen plant Pistorius auch den Umbau seines aufgeblähten Ministeriums. Wie der „Spiegel“ berichtete, will Pistorius bis zu 300 Dienstposten aus dem Ministerium in den sogenannten nachgeordneten Bereich abschichten. Dazu sollten die zehn Abteilungen im Ministerium verkleinert werden, hieß es. Wer Pistorius kennt, weiß: Der Minister ist kein Fan überlanger Entscheidungsketten, bei denen es darum geht, dass immer noch eine Person mehr ein Dokument unterschreibt.