Ein 48-jähriger Albstädter muss sich vor dem Hechinger Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten. Er war auf seine Mutter losgegangen. Foto: Ungureanu

Er hatte Psychopharmaka, THC und Alkohol im Blut, als er mit einer Alu-Stehleiter auf seine Mutter einschlug. Jetzt muss sich der 48-jährige Albstädter vor dem Hechinger Landgerichts verantworten.

Hechingen/Albstadt - Dem Mann wird versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung vorgeworfen. Laut Anklageschrift war der Mann am 5. Juni 2022 gegen 19.30 Uhr auf sein Motorrad gestiegen – im Vollrausch. Er kam nicht weit: In einer Kurve flog er mit seiner Maschine eine Böschung hinunter. Das Motorrad blieb liegen, er ging zu Fuß nach Hause. Mit einer Verletzung am Schienbein, die später genäht werden musste. Und er war in Rage. Letzteres bekam seine Mutter zu spüren.

 

Zunächst hatte sie auf sein Klopfen nicht reagiert, der Sohn lief auf die Rückseite des Hauses, schnappte sich eine Bodenvase, stieg die Treppe zur Terrasse hinauf, schlug die Scheibe an der Terrassentür ein und ging auf seine Mutter los. "Das war nicht mein Sohn", sagt die 80-Jährige im Zeugenstand. "Das war ein Monster, und es kam auf mich zu." Bei der polizeilichen Vernehmung hatte sie angegeben, sie habe Angst gehabt: "Er wollte mich umbringen. Er wollte mich mit der Leiter erschlagen."

Notruf abgesetzt

Als der Mann die Alu-Leiter ergriff und nach der Mutter schlug, gelang es dieser, einen Notruf abzusetzen: "Bitte, kommen Sie gleich, mein Sohn will mich umbringen!" Dann sind Geräusche zu hören, die wie Schläge klingen, dazwischen Schmerzensschreie und unverständliche Worte. Schließlich die Stimme des Polizeibeamten: "Es kommt jemand."

Zwei Nachbarn helfen

Die Frau ging nach einem Schlag gegen die linke Wade zu Boden. Er habe sie gefragt, ob sie sterben wolle, sagt sie im Zeugenstand. Irgendwie sei es ihr gelungen, in den Hof zu gelangen. Er sei ihr gefolgt. "Er lief nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Roboter, ein Außerirdischer." Der Angeschuldigte muss mehr als einmal zugeschlagen haben. Fakt ist, dass die Frau mit einem offenen Wadenbeinbruch, zwei gebrochenen Rippen und mehreren Platzwunden, unter anderem am Hinterkopf, ins Krankenhaus kam. Möglicherweise wäre noch mehr passiert, wären nicht zwei Nachbarn hinzugeeilt die den rabiaten Mann festhielten, bis die Polizei kam. Auch die konnte ihn nicht beruhigen: Der Mann randalierte, beschimpfte die Polizisten als "Arschlöcher" und "Drecksbullen" und drohte, sie daheim aufzusuchen und zu töten.

"Wollte meine Mutter nicht töten"

Vor Gericht wirkt er gepflegt. Er drückt sich präzise aus, erzählt mit vielen Einzelheiten von seiner Kindheit, davon, wie er von seinen Eltern häufig geschlagen wurde. Und dass er in der Schule ein Außenseiter gewesen sei.

Er erzählt von Cannabis- und Alkohol-Genuss, von abgebrochenen Studien und gescheiterten Beziehungen, von hingeschmissenen Jobs. Er erzählt auch von Antriebslosigkeit, davon, dass er keine Lust mehr gehabt habe, zu leben. Und er erzählt von seiner Borderline-Störung, die er jetzt, seit er mit Psychopharmaka richtig "eingestellt" sei, gut im Griff habe.

Warum er auf seine Mutter losgegangen sei, wisse er nicht. Vielleicht, weil sie ihn wegen verschiedener Kleinigkeiten gegängelt habe. "Ich wollte sie niemals töten", versichert er. Später, als die Mutter im Zeugenstand spricht, unterdrückt er nur mühsam die Tränen.

Fortsetzung am 5. Dezember

Die Verhandlung wird am 5. Dezember um 9 Uhr fortgesetzt. Unter anderem sollen fünf weitere Zeugen und zwei Sachverständige gehört werden.