Whatsapp-Nachrichten und rekonstruierte Internet-Suchverläufe spielen eine große Rolle. (Symbolfoto) Foto: © Sara Michilin – stock.adobe.com

Zeugen zeichnen das Bild einer depressiven, verängstigten und um den Sohn bangenden Frau.

Spaichingen/Rottweil - Am Tag ihrer Tat hat sie als erste Internetsuche die nach Organhandel bei Kindern und sexuellem Missbrauch gemacht - Warum? Dazu hat die des versuchten Totschlags angeklagte 36-jährige Mutter keine Angaben gemacht.

Dreijähriger mit Küchenmesser am Hals verletzt

Am zweiten Prozesstag der ersten Schwurgerichtskammer am Rottweiler Landgericht sollten die Befragungen mehr Licht in das familiäre Umfeld der Frau und ihrer beiden Kinder bringen. Die Frau hatte ihre Kinder mit in den Wald zwischen Spaichingen und Balgheim genommen und dort den Dreijährigen mit einem Küchenmesser schwer am Hals verletzt. Die zwölfjährige Tochter konnte sich losreißen und Hilfe holen.

Eine Leitfrage des Gerichts war, in welchem Grad der seelische Ausnahmezustand der an Depressionen Leidenden an jenem 21. Mai diesen Jahres, gewesen war und ob sie vorhatte, beide Kinder mit in den Tod zu nehmen, oder "nur" den Kleinen. Denn aus Zeugenaussagen zog sich der Eindruck durch, dass die Vorstellung, der Dreijährige könnte zu seinem Vater kommen, ein großes Problem für die Angeklagte darstellte. Mit ihm hatte die Mutter nach Wegzug aus dem Kreis Tuttlingen in Prenzlau gelebt: Er habe sie mehrfach geschubst und den Kleinen an der Gurgel gepackt, sie habe Angst vor ihm gehabt. Im April trennten sie sich und sie zog am 1. Mai wieder in den Kreis Tuttlingen.

Die ersten Beobachtungen zum Zustand seiner damaligen Freundin macht der Vater der Zwölfjährigen, die im Kreis Tuttlingen geboren ist. Seine Partnerin habe sich "dappig angestellt", er habe oft nach einer Woche Arbeit erst einmal einkaufen müssen, sie sei eher auf dem Sofa und im Internet gewesen, als zu arbeiten. Sie habe viele Alltags-Situationen, etwa mit seinen Eltern, negativ gedeutet. Nach sieben Jahren habe "man" von Trennung gesprochen - "und plötzlich war das Kind da". Ungeplant. Aber auch das Kind kann die Beziehung nicht kitten. Das Paar trennt sich. Der Kontakt bricht ab, bis die Tochter plötzlich aus Prenzlau einen Brief schreibt. Von da ab funktioniert der Kontakt relativ gut.

Tochter will keinen Kontakt zur Mutter

Eine neue Phase dann in diesem Jahr mit der Ankündigung, die ehemalige Partnerin wolle wieder zu ihrer Familie ziehen und mit der Bereitschaft, das Sorgerecht zu teilen. Das geschieht schon elf Tage nach dem Umzug. Nach der Tat lebt seine Tochter bei ihm und seiner Freundin. Das Mädchen vermisse den Bruder sehr, so der Vater. Es habe sie sehr getroffen, dass er zu seinem Vater nach Prenzlau gebracht wurde. Kontakt zur Mutter wolle sie nicht.

Weil die Angeklagte selbst nicht spricht, spielen Whatsapp-Nachrichten und rekonstruierte Internet-Suchverläufe eine große Rolle. Daraus geht hervor, dass die Zwölfjährige die Suizidabsichten der Mutter ahnte und ansprach. Ganz zum Schluss schildert der ermittelnde Kripo-Beamte die Spuren am Tatort. Die zeigen, dass die Frau, die rund 30 Minuten mit dem verletzten Kind allein war, nicht Hilfe holen, sondern noch weiter in den Wald gegangen war. Er konnte anhand der Suchverläufe im Internet zeigen, dass sie sich ab dem 7. Mai mit ihrem eigenen Tod beschäftigte und ab dem 9. mit einem erweiterten Suizid. Die Suchen lauteten: "Schnell sterben", "Jugendamt nimmt mir Kinder weg", "Was passiert mit Sohn, wenn ich in die Psychiatrie komme?", "Das eigene Kind töten", "Selbstmord, meinen Sohn mitnehmen" und anderes. Nur einmal sei das Wort "Kind-er" gefallen, sonst sei immer nur von einem Kind die Rede gewesen. Die rätselhaften Eintragungen vom Morgen des Tattags - für die gab es keine Erklärung.

Gutachterin soll beurteilen, ob Mutter den Sohn töten wollte

Der frühere Lebensgefährte der Mutter der Angeklagten hielt den Kontakt und half beim Umzug am 1. Mai. "Ich bin erschrocken, als ich sie gesehen habe, ich kenne sie als lebenslustige Frau und jetzt war sie verängstigt und eingeschüchtert." Später, als die Mutter der Angeklagten aussagt, regiert sie lebhafter, schaut diese immer wieder an und als sie fragt, ob sie ihre Tochter umarmen dürfe, bricht die Angeklagte in Tränen aus. Diese familiäre Bindung zeigt sich auch bei der Vernehmung der 25-jährigen Schwester. Als diese den verhängnisvollen Tag schildert, an dem eigentlich ein gemeinsamer Ausflug geplant war und die Zwölfjährige zum Grillen mit ihrem Vater gehen sollte, weint sie immer wieder und die Angeklagte mit ihr.

Ob die Frau tatsächlich noch während der Tat davon zurück getreten ist, oder ob sie dachte, der Sohn sei schon tödlich verletzt, der Schnitt endete einen Zentimeter neben der Hauptarterie, das muss die Gutachterin in der nächsten Verhandlung am 1. Dezember klären.