Dieser Screenshot kursiert derzeit im Netz. Er soll beweisen, dass ein Patent für einen Covid-19-Test bereits im Jahr 2015 angemeldet wurde - korrekt ist das jedoch nicht. Foto: Screenshot Espacenet

Mitglied von Bankiersfamilie Rothschild soll vor fünf Jahren Test erfunden haben. Gerüchte um jüdische Weltverschwörung.

Region - Verschwörungstheorien sind seit dem Beginn der Corona-Krise quasi dauerhaft im Umlauf. Eine von ihnen sorgt dabei besonders für Aufregung: Ein Patent für eine Covid-19-Testmethode wurde angeblich bereits im Jahr 2015 eingereicht. Obendrein noch von einem Mitglied der Bankiersfamilie Rothschild. Für viele ist deshalb klar: Die Pandemie ist von langer Hand geplant worden und Teil einer jüdischen Weltverschwörung.

Aktuelle Informationen zur Corona-Lage in unserem Newsblog

Um diese Behauptung beweisen zu können, wird derzeit ein Screenshot von der Homepage des Europäischen Patentamts herumgeschickt, auf dem unter anderem folgende Fakten zu sehen sind: Ein Herr Richard Rothschild ist als Erfinder für ein Patent mit dem Titel "System and Method for Testing for Covid-19" eingetragen, das mit dem Prioritätsdatum "2015-10-13" (also der 13. Oktober 2015) versehen ist. Unter den Veröffentlichungsdaten steht außerdem dieser Code: US2020279585. Gibt man diesen in das Suchfeld auf der Homepage des Europäischen Patentamts ein, gelangen die User auch tatsächlich zu dem besagten Patent.

Patentamt erklärt, was wirklich dahinter steckt

Doch was steckt nun wirklich hinter diesem Patent? "Die Behauptung, das 2015 angemeldete US-Patent beziehe sich auf Covid-19, ist unzutreffend", sagt ein Pressesprecher des Europäischen Patentamts. Die Patentanmeldung betreffe eine technische Vorrichtung, beziehungsweise ein Verfahren zur Erfassung und Übermittlung biometrischer Daten. Die Anmeldung sei beim US-Patentamt anhängig. Im amerikanischen Patentrecht gebe es ein Prinzip, wonach Patentanmeldungen in Teilen mit weiteren Informationen ergänzt werden können, erklärt der Pressesprecher.

So sei das auch bei diesem Patent gewesen: Die Anmeldung im Jahr 2015 habe laut Europäischen Patentamt lediglich die Übermittlung biometrischer Daten mittels Videosignalen betroffen. Die nachfolgenden späteren Fassungen derselben Patentanmeldung haben dann auch die Verwendung biometrischer Daten zur Erfassung von Gesundheitszuständen erwähnt. Weiter sei ein Verfahren zur Verarbeitung und Darstellung biometrischer Nutzerdaten, ohne jedoch eine konkrete medizinische Anwendung zu nennen, erwähnt worden. 

Wichtig zu wissen sei dabei, dass sich das Prioritätsdatum (in diesem Fall der 13. Oktober 2015) auch bei den nachfolgenden Fassungen derselben Patentanmeldung nicht ändere. Dieses steht für die erste Anmeldung eines Patents. Eine neue Fassung bekomme lediglich eine neue Patentnummer. Das Prioritätsdatum ist vor allem im Falle eines Rechtsstreits relevant: Ein Erfinder kann sich mit diesem darauf berufen, zuerst ein Patent auf eine bestimmte Erfindung angemeldet zu haben.

Covid-19 erst in jüngster Fassung der Patentanmeldung erwähnt

Erst am 5. Mai 2020 sei die jüngste Fassung der Patentanmeldung, die erstmals Covid-19 erwähnt, beim US-Patentamt eingereicht worden, erklärt der Pressesprecher. Am 3. September 2020 wurde sie veröffentlicht. Dabei handle es sich bei dem Patent weiterhin um das Datensammlungs- und Übermittlungsverfahren für biometrische Daten von 2015, diesmal jedoch mit der Ergänzung, dass diese Methode auch im Zusammenhang mit Covid-19 angewendet werden könne. "Somit ist klar, dass sich der Bezug zu Covid-19 ausschließlich für diese jüngsten Anmeldung ergibt", macht der Pressesprecher deutlich. 
 
Die Anmeldung von 2015 sei davon nicht berührt und beziehe sich nicht auf Covid-19. "Das wäre auch gar nicht möglich, denn der Begriff "Covid-19" wurde erst Ende 2019 geprägt und hätte nicht in einer Patentanmeldung älteren Datums verwendet werden können. Das Virus ist auch nicht Gegenstand der angemeldeten Erfindung", heißt es von Seiten des Europäischen Patentamts. 

Juden sind oft Opfer von Verschwörungstheorien

Dass der genannte Erfinder des Patents, Richard Rothschild, von Verschwörungstheoretikern nun dafür missbraucht wird, in diesem Zusammenhang eine jüdische Weltverschwörung aufdecken zu wollen, sei dabei nicht neu: "Verschwörungsmythen gegen die jüdische Bankiersfamilie Rothschild sind auch im deutschsprachigen Netz weit verbreitet - und falsch", weiß Dr. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg. Auch er kennt diese Verschwörungstheorie und weiß, was wirklich dahinter steckt: "Wer nicht schon vorher an eine angebliche jüdische Weltverschwörung glauben wollte, kann das auch leicht erkennen", sagt Blume. 

Doch nicht nur die Familie Rothschild werde im Zusammenhang mit der Corona-Krise Opfer von Verschwörungstheorien: "Tatsächlich gingen bei uns in Baden-Württemberg schon im Januar erste Flugblätter im Namen des Schweizer Sektenpredigers Ivo Sasek ein, in denen behauptet wurde, bei Covid-19 handele es sich um eine von Juden finanzierte, mörderische "Biowaffe". Das war und ist selbstverständlich falsch", sagt der Antisemitismusbeauftragte des Landes. Diese Behauptung gehe auf alte, antisemitische Verschwörungsmythen zurück. "Schon im Mittelalter wurden bei Pandemien Juden als angebliche "Brunnenvergifter" beschuldigt und es kam zu sogenannten "Pestpogromen". Heute sind die meisten Menschen viel besser aufgeklärt. Einige glauben solche antisemitischen Verschwörungsmythen aber leider immer noch und immer wieder."