Die grüne Kanzlerkandidatin wird als Feindbild aufgebaut. Foto: PublicAd/Thomas Stolte

Dieser Wahlkampf könnte gefährlich werden, warnen Experten: Sie erwarten eine Radikalisierung beim Thema Klimaschutz durch Verschwörungserzählungen und fürchten Gewalt.

Berlin - Vier Monate vor der Bundestagswahl warnen Experten vor der Gefahr eines radikalisierten und mit Verschwörungserzählungen aufgeladenen Wahlkampfs rund um das Thema Klimaschutz. „Die Gefahr ist groß, dass Gewalt zunimmt“, sagte der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume unserer Zeitung. Besonders gefährdet seien aus seiner Sicht Klimaschützer und Frauen in der Politik. „Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ist mit Sicherheit ein Feindbild, so wie schon seit langem Kanzlerin Angela Merkel.“

Sorge vor Terrorismus

Durch die Verschwörungserzählung vom „Great Reset“ werde das zentrale Thema Klimaschutz ideologisiert, so Blume. „Ich glaube, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren wirklich gerade auch im Bereich extremistischer Terrorismus sehr aufpassen müssen.“ Auch Organisationen wie „Fridays for Future“ würden in der Szene schon als Inbegriff des Bösen markiert. Blume forderte Sicherheitskonzepte für Demonstrationen der jungen Klimaschützer.

Die bisherige Forschung zeige, dass Menschen, die ein verschwörungsideologisches Weltbild pflegten, eher bereit seien, Gewalt als politisches Mittel einzusetzen, sagte der Extremismusexperte Josef Holnburger unserer Zeitung. Insofern überrasche es nicht, dass die Polizei mit einem höheren Gewaltpotenzial rechne. Wer ein entsprechendes Weltbild habe, wonach eine absolut bösartige Elite Menschen unterdrücke, der sei vielleicht gewillter, auch radikalere Mittel anzuwenden. Deswegen müsse man auch stärker beobachten, wie sich das Milieu der so genannten Querdenker radikalisiere.

Sicherheitskonzepte für Fridays for Future

„Great Reset“ ist eigentlich ein Diskussionsvorschlag des Weltwirtschaftsforums, der anregt, die Krise der Pandemie zu nutzen, um einen grundsätzlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neustart hin zu einer nachhaltigeren, gerechteren Welt zu versuchen. Daran lehnen sich Verschwörungserzählungen an, denen zufolge, die Pandemie herbeigeführt und inszeniert worden sei, um die Bevölkerung zu entrechten und in eine Art globalen Sozialismus zu führen. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, gehört zu den Feindbildern der Szene.

Warnung vor Antisemitismus

In diesem Zusammenhang warnte Blume auch vor Antisemitismus. Dies lässt sich nach Ansicht Holnburgers bereits jetzt beobachten: „Für sehr gefährlich halte ich, dass man bei Annalena Baerbock jetzt auf antisemitische Narrative aufbaut“, sagte Holnburger, dessen neu gegründetes Center für Monitoring, Analyse und Strategie besonders die Radikalisierung im Netz beobachtet. Im Internet werden – zum Beispiel von einem AfD-Bundestagsabgeordneten – Fotos von Baerbock mit dem jüdischen Milliardär und Stifter Georg Soros als ihrem angeblichen Lehrmeister verbreitet. Soros wird in den Verschwörungserzählungen der rechten Szene seit Jahren als einer der angeblichen Hintermänner geheimer Pläne für einen Bevölkerungsaustausch bezeichnet.