Laut dem Sportgericht des Fußballbezirks Nordschwarzwald werden Schiedsrichter häufiger beleidigt. Foto: Robert Michael/dpa

Allein die ersten beiden Bezirkspokalrunden lösten 22 Sportgerichtsurteile aus: Der Fußballbezirk Nordschwarzwald zeichnet ein düsteres Bild von der Situation auf den Sportplätzen.

„So kann das nicht weitergehen“, schreibt Robert Trautwein in einem offenen Brief an alle Vereine im Fußballbezirk Nordschwarzwald. Und dabei nennt der Vorsitzende des Sportgerichts des Bezirks eine erschreckende Zahl: Allein im Bezirkspokal soll es nach den ersten beiden Runden zu 22 Urteilen gekommen sein. „Ein außergewöhnlich hoher Wert, der Anlass zur Sorge gibt. Zudem bereitet eine zunehmende Verrohung der Sitten bis hin zu Spielabbrüchen große Sorgen“, heißt es dazu in dem offenen Brief.

 

Sogar Ausschreitungen

Neben „zahlreichen Platzverweisen“ registriere das Sportgericht eine „deutliche Zunahme an Fehlverhalten verschiedenster Art“. Dazu zählen demnach Beleidigungen des Schiedsrichters und sogar „Zuschauerausschreitungen“, wie es in dem offenen Brief heißt. Besonders der Jugendbereich bereite Sorgen. Trautwein, der zusammen mit Willi Graf, Karl Eugen Schiller, Martin Schroth und Lothar Gmeiner das Sportgericht des Fußballbezirks Nordschwarzwald bildet, warnt eindringlich: „Wenn diese Tendenz anhält, müssen wir uns personell verstärken, nur um die Vielzahl der Urteile überhaupt abarbeiten zu können.“

Erinnerung an März 2024

Bei der Schiedsrichtergruppe Calw sieht man zumindest auf den Kreis Calw bezogen die Situation deutlich weniger dramatisch. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es viel schlimmer geworden ist“, sagt Obmann Benjamin Haug auf Nachfrage unserer Redaktion. Natürlich gebe es Zwischenfälle, aber gerade im Jugendbereich zahle sich aus, dass die Schiedsrichtergruppe Calw personell so gut aufgestellt ist, zu jedem Spiel einen Referee schicken zu können. „Das nimmt oft den Wind aus den Segeln“, betont Haug. Bei den Aktiven spricht er von einem „engen Verhältnis zu den Vereinen“, etwa durch den jährlich stattfindenden Vereinsdialog und die gute Ansprechbarkeit der Gruppe auch abseits der Spiele. „Ich bin froh, dass wir nie wieder so einen Fall wie im März 2024 hatten, als bei der SG Herzogsweiler/Durrweiler einer unserer Schiedsrichter quer über den Platz gejagt wurde. Dieser Vorfall hat uns sehr schockiert“, sagt Haug.

Zahl der Urteile unklar

Unklar ist, ob es tatsächlich einen Anstieg bei den Sportgerichtsurteilen gibt. Eine Anfrage unserer Redaktion nach der konkreten Zahl ließ Bezirkspressesprecher Ulrich Bernhard unbeantwortet. Er geht nur auf mögliche Gründe für den mutmaßlichen Anstieg ein: „Die Ursachen der Vielzahl an Fällen sind vielschichtig. Aber wir haben ein Auge drauf und werden Vergehen nicht nur beobachten, sondern im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit auch entsprechend sanktionieren.“

Ändern möchte der Fußballbezirk Nordschwarzwald offenbar nun seine Öffentlichkeitspolitik. Bereits vor gut einem Jahr hatte er mehr Transparenz durch das Veröffentlichen von Sportgerichtsurteilen angekündigt. Geschehen ist das bislang zwar so gut wie nie, doch im Zuge des offenen Briefs wurden nun doch zwei aktuelle Urteile publik gemacht – gegen einen Spieler des TSV Altensteig und gegen den SV Glatten, der aus Protest gegen die zu harte Spielweise der SG Herzogsweiler/Durrweiler das Spielfeld verlassen hatte. Ob der Bezirk nun seine Ankündigung umsetzt und er künftig häufiger Urteile veröffentlicht, bleibt offen – auch diese Anfrage unserer Redaktion ließ Bernhard unbeantwortet.

0:3-Wertung gegen SV Glatten

In dem ersten veröffentlichten Urteil geht es um den SV Glatten. Ihm wird wegen eines Vergehens gemäß § 67 RVO (Verschulden eines Spielabbruchs) zu einer Geldstrafe im unteren dreistelligen Bereich verurteilt. Zudem wird das abgebrochene Spiel gemäß § 46 SpO mit 0:3 gegen den SV Glatten und damit zugunsten der SG Herzogsweiler/Durrweiler gewertet. Das Sportgericht Nordschwarzwald hielt fest, dass der SV Glatten das Spielfeld verlassen hatte, da der Verein die Gesundheit seiner Spieler gefährdet sah. Der Schiedsrichter konnte in seinem Bericht jedoch keine eindeutig belastenden Vorfälle schildern, da – wie er selbst angab – „alles hinter seinem Rücken passierte“. Aufgrund der Stellungnahme des SV Glatten und der Rückmeldung durch den Schiedsrichter werden die kommenden vier Spiele der SG Herzogsweiler/Durrweiler unter Verbandsaufsicht gestellt.

Im zweiten Fall geht es um eine Tätlichkeit bei einem Spiel der Kreisliga-A-Reservestaffel. Ein Spieler des TSV Altensteig wurde zu einer Sperre von sechs Monaten verurteilt. Dem Urteil zufolge hatte er seinem Gegenspieler nach einem Foulspiel einen wuchtigen Kopfstoß versetzt, der eine Platzwunde verursachte. Das Sportgericht wertete die Aktion als schweren Fall einer Tätlichkeit. In der Begründung heißt es, der Spieler sei „gewollt mit körperlicher Gewalt gegen seinen Gegenspieler vorgegangen“ und habe „gezielt auf dessen körperliches Wohlbefinden abgesehen“. Eine bloße Mindestsperre sei daher nicht ausreichend gewesen. Neben der Sperre wurde der Spieler verpflichtet, an einem Gewaltpräventionskurs teilzunehmen. Zudem trägt er die Kosten des Verfahrens. Das Sportgericht betont in seiner Entscheidung, dass Tätlichkeiten dieser Art in jüngster Zeit wiederholt aufgetreten sind. Mit der nun verhängten Strafe wolle man ein klares Signal für Fairness und gegen körperliche Übergriffe im Amateurfußball setzen.

Ottmar meldet sich zu Wort

Zitiert wird in dem offenen Brief auch der Bezirksvorsitzende Wolfgang Ottmar. „Ein erster Ansatz wird sein, Spiele von auffälligen Vereinen verstärkt unter Beobachtung durch Bezirksmitarbeiter zu stellen“, heißt es von Ottmar. Und: „Wer den Fußball liebt, muss auch bereit sein, seine Werte zu schützen.“