Kreisarchivar Bernhard Rüth (links) führt ein Kunstgespräch mit Tobias Kammerer. Im Hintergrund links: ein Frühwerk des Künstlers mit dem Titel "Bauernkrieg". Foto: Steinmetz

Tobias Kammerer gehört zu den renommiertesten Künstlern im Landkreis Rottweil – ein "Global Player", wie ihn Kreisarchivar Bernhard Rüth bei der Vernissage am Samstag im Fürstensaal des Glatter Wasserschlosses bezeichnete. Mehr als 50 Frühwerke aus seiner Wiener Zeit stellt Kammerer, heute ein international gefragter Kirchenmaler und Glaskünstler, aus.

Sulz-Glatt - Der Künstler spricht bei seinen frühen Werken von "Tagträumen", Rüth von "Alpträumen", die sich einer von der Seele malte, der ausgezogen war, um das Fürchten zu lernen. Als 14-Jähriger kam Kammerer nach Österreich, um eine Malerlehre zu beginnen, mit 17 begann er gegen den Willen seines Vaters und ohne finanzielle Unterstützung mit dem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. "Das lehrte ihn das Fürchten", stellte Rüth fest.

Die Existenzängste des jungen Mannes und dessen damalige Weltsicht spiegeln die in düsteren Farben gemalten Albtraumbilder wider. Das Leben als Kampf, Gewalt, handgreifliche Auseinandersetzungen, Unterdrückung, Geburt und Tod, diabolische Verführung – alle diese Themen ziehen sich durch das expressive Frühwerk des talentierten "Shooting Stars" der damaligen Wiener Kunstszene. Die Malerei, überhaupt der Drang, Neues zu schaffen, seien für Kammerer der "Ausbruch innerer Urkraft".

Das Figürliche und Körperbetonte treten in den Bildern besonders hervor. Da merkt man auch die klassische Ausbildung an der Wiener Akademie. Er habe sich die Stilmittel aus dem Repertoire der abendländischen Kunstgeschichte zu eigen gemacht, erklärte Rüth.

Vielleicht würde Kammerer nicht so malen, wenn er in Deutschland studiert hätte. Denn hier habe sich, berichtete er, die Kunst in der Nachkriegszeit anders entwickelt als in Österreich. Die Ästhetik der Griechen war wegen der Nazis in Verruf geraten. Akt- und Porträtmalerei waren verpönt, während die Österreicher, so Kammerer, kein Schuldbewusstsein dabei empfunden hätten.

Großen Einfluss übten auf den jungen Kunststudenten auch seine Lehrer, Arik Brauer und Josef Mikl, aus. Die Professoren an der Wiener Akademie waren gleich in mehreren Kunstsparten – Malerei, Bildhauerei, Architektur und sogar Musik – tätig. Kammerer hatte damit Alternativen, war also nicht auf ein "Kunstgenre" festgelegt. Was ebenso wichtig war: Seine Lehrer ließen ihm die Freiheit, sich stilistisch zu entwickeln. Das sowie seine künstlerische Begabung brachten ihm auch früh Auszeichnungen ein.

Der heute 52-Jährige ist Maler in fünfter Generation. Das Talent, sagte Rüth, war ihm somit in die Wiege gelegt. Die Erfolge musste er sich nichtsdestoweniger hart erarbeiten und nach der Rückkehr seinen Platz in Rottweil finden, um ihn gegen andere künstlerische Strömungen zu behaupten. Dabei fand Kammerer die Unterstützung des Landkreises, der ihm mit dem Kauf des Bildes "Bauernkrieg" von 1989/90 eine Starthilfe gab.

Kammerers Frühwerk, fasste Rüth zusammen, erzähle spannende Geschichten. Der junge Künstler sei in Wien ins kalte Wasser geworfen worden: "Er hat im Haifischbecken des Kunstbetriebs das Schwimmen gelernt."

Während des Dialogs sah das Publikum auf der Leinwand bewegte Bilder der Ausstellung. Marius Keller hatte das Video zusammengestellt. Ralf Trouillet (Gitarre, Gesang) und Rita Efinger-Keller (Flöten, Gesang) umrahmten die Vernissage mit Musik.

Die Ausstellung "Das Wiener Frühwerk" dauert bis zum 27. März 2022. Die Öffnungszeiten bis 31. Oktober: Dienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Ab 1. November: Freitag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr (24. und 31. Dezember geschlossen).