Die Vermögen superreicher Haushalte in Deutschland dürften größer sein als angenommen: Allein die mehr als 200 Milliardenvermögen könnten laut einer Studie zusammen rund 1400 Milliarden Euro umfassen.
Die Vermögen superreicher Haushalte in Deutschland könnten weitaus größer sein als angenommen: Allein die mehr als 200 Milliardenvermögen dürften sich zusammengerechnet auf rund 1,4 Billionen Euro summieren. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie der gewerkschaftsnahen Düsseldorfer Hans-Böckler-Stiftung hervor. Die bisherigen „Reichenlisten“ unterschätzten die Vermögen demnach deutlich. Die Forschenden weisen deshalb auf Datenlücken hin - und analysieren die Entwicklung der Steuersätze für Erträge aus Milliardenvermögen.
Die gerade aktualisierte „Reichenliste“ des „Manager-Magazins“ schätzte die Gesamtsumme der Milliardenvermögen bislang auf etwa 900 Milliarden Euro. Der Böckler-Studie zufolge dürfte es jedoch mehr Vermögen in Milliardenhöhe geben als bislang angenommen: Die Forschenden identifizierten nach eigenen Angaben elf weitere Milliardenvermögen.
Sie gehen zudem davon aus, dass die bekannten Supervermögen in bisherigen Analysen teilweise unterbewertet waren. Tatsächlich dürfte der Wert der deutschen Milliardenvermögen deshalb mindestens etwa 1,4 Billionen Euro betragen - aber auch zwei Billionen erscheinen den Studienautoren nicht unplausibel.
Hälfte des jährlichen Bruttoinlandprodukts
Die 1400 Milliarden Euro entsprechen demnach gut einem Drittel bis der Hälfte des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Diese Vermögen verteilen sich dabei auf lediglich rund 4300 sehr reiche Haushalte.
Die meisten der über 200 Milliardenvermögen stehen der Erhebung zufolge zwar mit großen Unternehmen in Zusammenhang und entfallen meist auf Mitglieder der aktuellen oder ehemaligen Eigentümerfamilien. In knapp jedem fünften Fall beruht das aktuelle Vermögen aber im Wesentlichen auf dem Verkauf der Firma.
Und auch, wenn Familien noch wirtschaftlich mit einem Unternehmen verbunden sind, wird dieses nur in gut der Hälfte dieser Fälle durch Familienmitglieder gemanagt. Bei der anderen Hälfte beschränkt sich die Rolle der Familie auf eine Mitgliedschaft in den Kontrollgremien oder eine stille Teilhaberschaft.
Bei der Mehrzahl der Milliardenvermögen kann daher nicht von „Unternehmertum“ als direkter Quelle des Reichtums die Rede sein, konstatieren die Studienverantwortlichen Julia Jirmann und Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit - anders als es Interessengruppen Vermögender oft darstellten. Ein ostdeutsches Milliardärsunternehmen gebe es zudem auch über dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung zumindest laut den verfügbaren Daten nicht.
Besteuerung niedriger als vor 30 Jahren
Die Untersuchung zeigt nach Angaben des Böckler-Instituts auch: Die Besteuerung der Erträge aus den Milliardenvermögen ist meist weitaus niedriger als noch vor knapp 30 Jahren. Neben der Aussetzung der Vermögensteuer hat sich beispielsweise der Steuersatz auf nicht ausgeschüttete Gewinne seit 1996 in etwa halbiert - von über 57 Prozent auf unter 30 Prozent. Der Steuersatz auf durchschnittliche Arbeitseinkommen hat sich im Vergleich dazu im gleichen Zeitraum nur geringfügig von 21 auf 18 Prozent reduziert.
Die Forschenden analysieren auch typische Vorbehalte gegen eine stärkere Besteuerung sehr hoher Vermögen. Eine verstärkte legale Steuerflucht als Reaktion auf höhere Steuern erwarten sie mit Blick auf ihre Daten beispielsweise nicht - unter anderem weil die sogenannte Wegzugsbesteuerung einen Umzug mittlerweile unattraktiver macht. Zudem sei die Verschiebung großer Vermögen ins Ausland durch verschiedene Reformen insgesamt schwieriger geworden.
Wie viel die Superreichen in Deutschland wirklich besitzen, weiß niemand genau: Die beiden Studienautoren kritisieren eine „sehr lückenhafte“ Datenlage. Wo Informationen fehlten, habe Lobbyismus leichtes Spiel. Sie fordern deshalb mehr unabhängige Reichtumsforschung.
Für ihre Studie nutzten sie die jährlich veröffentlichten „Milliardärslisten“ der Wirtschaftsmagazine „Forbes“ und „Manager-Magazin“ als Ausgangspunkt. Sie integrierten darüber hinaus Informationen aus weiteren öffentlich zugänglichen Quellen wie Unternehmensdatenbanken.