Der Vermittlungsausschuss muss über das Bürgergeld beraten. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Union hat die Bürgergeldreform im Bundesrat blockiert. Jetzt soll sich bald der Vermittlungsausschuss treffen. Worüber wird gestritten, wo liegen Kompromissmöglichkeiten? Eine Analyse.

Der Gesetzentwurf der Ampelkoalition zum Bürgergeld hat im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Kein einziges Bundesland, in dem die Union mitregiert, hat zugestimmt. Jetzt soll sich möglichst schnell der Vermittlungsausschuss treffen, in dem je 16 Vertreter von Bundesrat und Bundestag sitzen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird am Tisch sitzen und mitberaten, auch wenn er kein Mitglied im Vermittlungsausschuss ist.

Was ist strittig? Wo herrscht Einigkeit? Wo liegen mögliche Kompromisse?

Regelsatz:

Einigkeit zwischen der Ampelkoalition und der Union herrscht darüber, dass der Regelsatz in der Grundsicherung im kommenden Jahr für einen alleinstehenden Erwachsenen von 449 Euro auf 502 Euro erhöht werden soll. Die Union hat sogar angeboten, diesen Teil des Gesetzes bereits zu beschließen. Das hat die Ampelkoalition allerdings abgelehnt – aus Angst, dass dann der Rest der Reform nicht mehr kommt. Die geplante Erhöhung beruht übrigens auf einem neuen Berechnungsmechanismus. Bei Hartz IV gab es immer nur einen Inflationsausgleich für vergangene Preiserhöhungen. Jetzt soll es auch einen Ausgleich geben, der in die Zukunft reicht.

Vertrauenszeit:

Ein Knackpunkt ist die sogenannte Vertrauenszeit. Nach den Plänen der Ampel können Empfänger des Bürgergeldes in den ersten sechs Monaten künftig nur noch im Fall von krassen Terminversäumnissen sanktioniert werden. Der Union ist das zu wenig. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht hier Möglichkeiten, auf CDU und CSU zuzugehen. Einerseits sagte er der Funke-Mediengruppe, die Union verbreite „Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt“. Wenn die Union an dieser Stelle ein Symbol brauche, sei er bewegungsbereit. Schwieriger ist es für die Grünen: Für sie ist der Abbau von Sanktionen ein wichtiges Thema. Auch bei der SPD-Linken dürfte die Begeisterung nicht groß sein, wenn Arbeitsminister Heil an dieser Stelle nachgibt. Aber irgendwo muss er nachgeben.

Schonvermögen:

Die Union hat bemängelt, das Schonvermögen für Bürgergeldempfänger sei zu großzügig angelegt. Für die ersten beiden Jahre soll niemand sein Vermögen antasten müssen – es sei denn, es liegt höher als 60 000 Euro. Hinzu kommen 30 000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied, die in den ersten beiden Jahren nicht aufgebraucht werden müssen. Eine solche Karenzzeitregelung gab es auch schon während der Coronapandemie. Sie schützt im Kern diejenigen, die sich vor der Arbeitslosigkeit bereits etwas erarbeitet haben, dieses Ersparte schnell zu verlieren. Die Höhe des geschützten Vermögens dürfte allerdings zur Verhandlungsmasse im Vermittlungsausschuss werden. Es spricht viel dafür, dass die Ampel der Union hier entgegenkommen könnte.

Wohnung:

In den ersten beiden Jahren sollen Bezieher des Bürgergelds laut dem Ampelentwurf nicht umziehen müssen – auch wenn die Wohnung etwas zu groß ist. Die Idee dahinter: Die Menschen sollen sich darauf konzentrieren, einen neuen Job zu finden oder eine Ausbildung zu machen, statt dass sich sofort ihr ganzes Leben ändert. Dies ist ein Punkt, bei dem gerade SPD und Grüne nach Möglichkeit nicht nachgeben wollen.

Hinzuverdienst:

Wer Bürgergeld bezieht, soll künftig mehr dazuverdienen können als bei Hartz IV. Darüber besteht im Kern Einigkeit – dies sei ein Anreiz, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Über die genaue Ausgestaltung gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen. Das ist im Kern ein Thema für die Fachpolitiker. Eine Einigung bei diesem Feld könnte dazu beitragen, einen Gesamtkompromiss zu finden. Der ist rasch notwendig, wenn das Gesetz zum Bürgergeld trotz der Verzögerung zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll.