Die Zukunft fest im Blick: Verleger Dr. Richard Rebmann. Foto: Kienzler

Warum der Schwarzwälder Bote immer ein Stück näher am Leser ist, wo Verlagshäuser die Politik brauchen und wo nicht, weshalb KI im Nachrichtengeschäft (teilweise) außen vor bleibt – ein Gespräch mit Verleger Dr. Richard Rebmann.

Von der Schweizer Grenze bis an den Nordschwarzwald, und vom Kinzigtal bis zur Schwäbischen Alb hat sich der Schwarzwälder Bote über viele Generationen hinweg weiterentwickelt. Die Produktwelt – E-Paper, App oder Web, Nachricht, Service oder Unterhaltung – passt sich ständig den wandelnden Anforderungen unserer Leser und Inserenten an.

 

Eine Konstante im schnelllebigen Zeitungsgeschäft ist Verleger Dr. Richard Rebmann. Seit Jahrzehnten prägt er den Schwarzwälder Boten. Wir sprachen mit ihm am Stammsitz, im Herzen von Oberndorf.

Herr Dr. Rebmann, der pfeifenrauchende Bote mit seinem Hund steht seit 190 Jahren für Zeitungsgeschichte und Zeitgeschichte gleichermaßen. Welche Gefühle weckt das Schwarzwälder Männchen bei Ihnen?

Richard Rebmann: Seit ich bewusst denken kann, ist der Schwarzwälder Bote für mich Wegbegleiter. Mein Vater war Beiratsvorsitzender und ich bin seit 30 Jahren Verleger. Schon als ich ein Kind war, lag die Tageszeitung auf dem Frühstückstisch; und noch heute hängt ein Bild des früheren Verlegers, Wilhelm Wolf, einem Enkel des Zeitungsgründers Wilhelm Brandecker, in meinem Büro. Der Schwarzwälder Bote war und ist ein Teil meines täglichen Lebens.

Die mit Abstand stärkste Gruppe im Zeitungsmarkt sind laut dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) die Regional- und Lokalzeitungen. Sie animieren täglich rund 28 Millionen Menschen – das sind knapp 40 Prozent der Bevölkerung – zur Lektüre der gedruckten Zeitung. Was macht eine Lokalzeitung attraktiv und lesenswert?

Regionalzeitungen müssen authentisch sein. Sie sollten versuchen, das Lebensgefühl und die Lebenswirklichkeit der Leser vor Ort abzubilden. Darüber hinaus sind Medien auch das Bindeglied zwischen Wohnort, Bundesland und Bundesebene. Konkret: Was heißt es für den Leser in unserer Region, wenn in Berlin über Sicherheit diskutiert wird oder neue Gesetze in der Gesundheitsvorsorge verabschiedet werden? Welche Auswirkungen haben globale, europäische oder nationale Entscheidungen auf das Leben vor unserer Haustür? Es gilt, große Themen auf die lokale Ebene herunterzubrechen. Diese Ausrichtung war bisher erfolgreich – und sie wird es auch in Zukunft sein. Der Kern unserer Aufgabe ist nach wie vor die sorgfältige Aufbereitung von Informationen und ihre Verbreitung – gedruckt, und digital, unabhängig vom Medium.

Was macht den Schwarzwälder Boten für Sie unverwechselbar?

Ich erinnere mich noch gut an die Feier zum 150-jährigen Bestehen in der ehemaligen Klosterkirche in Oberndorf. Helmut Kohl war Bundeskanzler und unser Ehrengast. Schon damals habe ich mir überlegt: Wie sieht der Schwarzwälder Bote wohl aus, wenn wir das 200-jährige Bestehen feiern? Jetzt sind wir bei 190 Jahren, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es den Schwarzwälder Boten als Medienunternehmen auch noch in zehn Jahren geben wird. Sein großes Verbreitungsgebiet – von Pforzheim bis Lörrach und von Lahr bis Balingen – macht ihn unverwechselbar und einzigartig. Er stellt eine publizistische Klammer her und verbindet ganz unterschiedliche Kommunikationsräume miteinander. Der Schwarzwälder Bote ist die einzige Zeitung in Deutschland, die über eine namhafte Auflage verfügt, ohne dass es in ihrem Verbreitungsgebiet eine Großstadt gibt. Dieser Struktur folgt die Art und Weise unserer Berichterstattung und die der Marktbearbeitung. Sie ist kleinteiliger und dadurch näher am Leser und am Kunden.

Wodurch zeichnet sich Qualitätsjournalismus aus, und was schadet ihm?

Qualitätsjournalismus basiert auf einer sorgfältigen Aufbereitung der Informationen, die an die Redaktion herangetragen oder die selbst recherchiert werden. Daraus resultiert eine fundierte und möglichst objektive Berichterstattung, so dass der Leser sagen kann: Dem Absender vertraue ich. Wenn das gelingt, haben wir Qualitätsjournalismus. Generell wird den Medien weniger vertraut, als dies früher der Fall war. Dies stellt eine Gefahr für den Journalismus dar. Das gilt es aber nicht zu beklagen, sondern dagegenzuhalten, beispielsweise durch eine exzellente Ausbildung der Redakteure. Unsere Standards sind hoch, müssen aber immer wieder überprüft werden. An der Qualität dürfen wir nicht sparen und keine Einschränkungen machen, denn dann verlieren wir den Boden der Glaubwürdigkeit – und damit machen wir uns überflüssig.

Für gute Inhalte braucht es ausreichend Personal …

Die unabhängige Arbeit von Redaktionen kann nicht ausschließlich betriebswirtschaftlich beurteilt werden. Ich halte es für einen Fehler, einfach an Personal oder Honoraren zu sparen. Verlage sind Wirtschaftsunternehmen und müssen Geld verdienen, das steht außer Frage. Aber bei uns geht es nicht ausschließlich um die Optimierung des Ergebnisses. Das unterscheidet uns von anderen Unternehmen. Schließlich haben wir, abgeleitet von der Pressefreiheit, auch eine Wächterfunktion, und dieser Wächterfunktion kann man nur nachkommen, wenn dafür auch entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Die Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Quellen, die Aufbereitung von Daten, die Bedienung der verschiedenen Vertriebskanäle – für all das braucht es tendenziell mehr Personal und Mittel.

Der allgemeine Trend in der Zeitungslandschaft ist aber ein anderer.

Naja, man muss ja nicht jeden Trend für richtig halten, oder? Es gilt auch, Redaktionen von Tätigkeiten zu entlasten, damit sie ihr Kerngeschäft, die Informationsbeschaffung und Informationsaufbereitung, weiter und sinnvoll optimieren können.

Vor welchen Herausforderungen stehen Medienhäuser?

Wir haben die klassischen Themen auf dem Tisch, die jedes andere Unternehmen auch beschäftigen. Stichwort Bürokratie oder Mindestlohn. Es mag begrüßenswert sein, dass es einen Mindestlohn gibt. Dass die Politik aber über eine sogenannte unabhängige Kommission die Höhe vorgibt, halte ich für verfassungswidrig. Pressefreiheit bedeutet nämlich auch, den Zugang zu Medien zu ermöglichen. Wenn aber die Zustellung der Zeitung durch den Mindestlohn so teuer gemacht wird, dass letzten Endes die daraus resultierende Abogebühr für viele Menschen nicht mehr bezahlbar ist, wird dieser Zugang behindert. Ein weiterer Aspekt ist die Lesekompetenz. Immer mehr Schüler und junge Menschen haben Schwierigkeiten zu lesen und Sachzusammenhänge auch zu verstehen. Es ist Aufgabe der Kulturpolitik, die Lesefähigkeit noch mehr zu fördern.

Welche Fähigkeiten braucht es künftig?

Unsere Leserschaft wird immer heterogener, dies hat Auswirkungen auf unser Informationsangebot. Medienhäuser und Tageszeitungsverlage müssen flexibler auf technische Entwicklungen reagieren. Sie kommen aus einer Welt, in der es in der Regel pro Unternehmen ein Produkt gegeben hat. Heute erreiche ich mit dieser Struktur längst nicht mehr alle Einwohner einer Stadt oder Gemeinde. Das bedeutet, Verlage müssen ihre Produkte differenzieren und Interessensschwerpunkte setzen. Dafür muss ich mehr über die Vorlieben meiner Leser wissen. Stichwort: Datenjournalismus und die Integration von Audio und Video. Es reicht aber nicht aus, Inhalte entsprechend dem Algorithmus von Google zu generieren. Wir müssen unsere Identität schon selbst erarbeiten, und dafür braucht’s mehr technisches Know-how, mehr Flexibilität – auch eine gewisse Fehlerkultur gehört dazu. Nicht jeder Weg wird der richtige sein.

Wie meinen Sie das konkret?

Die Kunst besteht darin, unsere Inhalte an die geänderten Lebensgewohnheiten anzupassen und gleichzeitig digitale Vertriebskanäle aufzubauen. Ziel muss es sein, dies so ausgewogen wie möglich zu machen. Dabei experimentieren die Verlage mitunter auch – sie nehmen Seiten raus, fahren die Umfänge zurück. Dafür kommen neue Inhalte rein, es werden Ausgaben zusammengelegt, Reichweiten erhöht. Doch alle Maßnahmen dürfen die Marke nicht beschädigen, denn sie braucht es auch für den Erfolg im digitalen Bereich. Egal, auf welchem Kanal der Leser unterwegs ist: Er sollte merken, dass der Schwarzwälder Bote dahintersteht.

KI ist auch – oder gerade – aus dem Nachrichtengeschäft nicht mehr wegzudenken. Trotzdem möchten die Leser Informationen, die von Menschen gemacht und geprüft worden sind.

Für mich ist KI momentan in erster Linie ein Hilfsmittel, das nicht kritiklos eingesetzt werden darf. KI enthebt uns nicht von der Sorgfaltspflicht. Wenn Inhalte mithilfe von KI generiert werden, müssen diese zwingend kenntlich gemacht werden.

Welches Thema treibt Sie als Verleger noch um?

Die demografische Entwicklung. Ältere Abonnenten sind es gewohnt, jeden Morgen mit der Tageszeitung auf dem Tisch zu frühstücken. Unsere Leser sind treu, Abonnements werden über Generationen hinweg weitergegeben. Doch je jünger die Menschen sind, desto weniger haben sie diese Verhaltensweisen. Eine Kommunikationswissenschaftlerin sagte einmal, das Zeitungslesen sei nicht mehr habituell verankert. Das bedeutet, der demografische Wandel hat automatisch Auswirkungen auf unsere Auflage. Die Frage ist: Wie lassen sich junge Leute für die Zeitung begeistern? Und dabei geht es nicht nur um die Gewinnung von jungen Lesern, sondern auch darum, als Arbeitgeber für junge Menschen attraktiv zu sein.

Als einer der erfahrensten und einflussreichsten Medienmanager in Deutschland: Was würden Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben, die ihre Berufung im Journalismus sehen?

Ganz allgemein bin ich überzeugt davon, dass man beruflich seinen Neigungen nachgehen sollte, also nichts machen, was einem schon am Anfang keinen Spaß macht. Und beim Journalismus würde ich sagen: einfach machen. Journalisten sind heute noch mehr als früher in aller Regel gut ausgebildete Menschen mit Abitur und Studium, Volontariat und teilweise noch Absolventen einer Journalistenschule. Ich halte den Beruf des Journalisten für faszinierend, obwohl oder gerade weil er komplexer geworden ist.

Zur Person: Dr. Richard Rebmann

Dr. Richard Rebmann, 1958 in Tübingen geboren, ist Verleger des Schwarzwälder Boten und Ur-Ur-Urenkel des Firmengründers. Er war bis 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) und Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger.