Da gibt es wieder mal Gesprächsbedarf: So wie hier muss Silvia Pötzsch auf ihrer Streife oft aufklären oder Auskunft geben. Foto: Peter Petsch

Über die Bekanntschaft mit einer Politesse freuen sich die wenigsten – schließlich endet die Begegnung oft mit einem Strafzettel. Auf Streife mit einer Politesse zeigt sich jedoch, wie vielseitig die Arbeit der Verkehrsüberwachung ist.

Stuttgart - Die Wahrscheinlichkeit, einen Strafzettel fürs Falschparken zu erhalten, dürfte für Verkehrssünder in der Leuschnerstraße in der Stadtmitte am höchsten sein. Dort ist die Zentrale der Verkehrsüberwachung. Von dort schwärmen die Beschäftigten – umgangssprachlich als Politessen bezeichnet – aus.

Silvia Pötzsch (39) leitet eines von fünf Teams. Ihr Revier ist Stuttgarts Zentrum von der Theodor-Heuss-Straße und dem Rotebühlplatz bis zur Hauptstätter Straße. Seit 16 Jahren arbeitet sie bei der Verkehrsüberwachung, und sie macht ihren Job gern: „Die Arbeit ist abwechslungsreich, man erledigt Büroarbeit, kommt aber auch oft raus und ist in Kontakt mit Menschen.“ Dass ihr Beruf keinen guten Ruf genießt, kann sie nicht verstehen. Tatsächlich suche die Verkehrsüberwachung aber ständig Personal. Ihrer Meinung nach liegt das freilich eher an dem niedrigen Gehalt als an den Arbeitsbedingungen. Als Politesse wird sie nicht gerne bezeichnet. Außerdem: Bei der Verkehrsüberwachung arbeiten auch Männer, für die es keine entsprechende Bezeichnung gibt.

Morgens um halb neun macht sie sich auf den Weg. Um diese Zeit ist es in der Innenstadt noch ruhig, dennoch sind erstaunlich viele Parksünder unterwegs. Nach einem Blick in die Brandschutzzone in der Langen Straße entdeckt Silvia Pötzsch ein paar Meter weiter zwei Autos im eingeschränkten Halteverbot. Doch sie stellt nicht sofort einen Strafzettel aus. „Ich gebe den Autobesitzern eine Chance, falls sie nur kurz angehalten haben, um ihr Auto zu beladen oder zu entladen.“ Als sich nach drei Minuten immer noch kein Fahrzeugbesitzer blicken lässt, sind die Knöllchen unvermeidbar.

„Seit man mit EC-Karte bezahlen kann, fällt auch die Ausrede mit dem fehlenden Kleingeld weg“

„Es geht nicht darum, die Leute zu bestrafen, sondern es geht um die Sicherheit“, sagt sie. Denn dürfte jeder parken, wo er wolle, würde der Straßenverkehr unübersichtlich und damit besonders für Kinder oder Menschen mit Behinderung gefährlich werden.

Die Politesse kontrolliert jedoch nicht nur die Parkscheine, sondern auch, ob die geparkten Autos verkehrstüchtig sind und die Umweltplakette lesbar ist. Liegt hinter einer Windschutzscheibe eine Parkscheibe, überprüft Silvia Pötzsch, ob der nächstgelegene Parkautomat funktioniert. „Seit man mit EC-Karte bezahlen kann, fällt auch die Ausrede mit dem fehlenden Kleingeld weg“, sagt sie. Doch kurze Zeit später läuft ihr ein verärgerter Mann hinterher, in der Hand seinen Strafzettel. „Ich war doch nur kurz Geld wechseln für den Parkschein“, behauptet er. Die Politesse erklärt ihm freundlich, das könne gar nicht sein. Sie habe sich länger in der Straße aufgehalten. Außerdem weist sie ihn darauf hin, dass er auch mit EC-Karte bezahlen kann. „Ich habe keine Karte, und wir sehen uns vor Gericht“, schimpft er und geht zurück zu seinem Auto.

Den Vorfall nimmt Silvia Pötzsch mit einem Schulterzucken hin. Situationen wie diese kommen vor – aber selten. „Die meisten reagieren verständnisvoll“, sagt sie. Vielleicht auch deshalb, weil sie selbst immer freundlich mit den Menschen umgehe. „Es ist aber schade, dass wir so oft belogen werden.“ Daher sei es für sie fast unmöglich festzustellen, ob eine Notlage vorliegt oder es sich nur um eine Ausrede handelt. „Wenn mir jemand eine glaubhafte Erklärung gibt, kann ich auch ein Auge zudrücken“, sagt sie. Die meisten diskutieren nur kurz mit ihr. Welcher Autofahrer auf einen Strafzettel aggressiv reagiere, könne man vorher nie wissen. Oft seien es aber gerade jene, von denen sie gutes Benehmen erwarte. „Männer in Anzügen und mit teuren Autos werden verhältnismäßig oft ausfällig“, sagt sie.

Seine Frau muss man stehen

Abends gehen Silvia Pötzsch und ihre Kollegen nur zu zweit auf Streife. Übergriffe habe sie selbst noch nicht erlebt, von Kollegen habe sie in all den Jahren zweimal davon gehört. „Man darf keine Angst haben und muss seine Frau stehen, sonst kann man die Arbeit nicht machen“, sagt die zierliche Frau. Wird eine Situation aber brenzlig, geht sie einfach weiter. „Ich merke schnell, wann das Diskutieren keinen Sinn mehr hat.“

Nach einer knappen Stunde hat Silvia Pötzsch sechs Strafzettel verteilt und drei unleserliche Umweltplaketten beanstandet. Mit dem Handy fotografiert sie die Autos. „Jeder hat das Recht, Einspruch zu erheben, und dann brauche ich einen Beweis.“

Plötzlich hält neben ihr ein Auto im Parkverbot. Ein Mann springt heraus und ruft: „Ich will hier nicht parken, aber können Sie mir sagen, wie ich zum Flughafen komme?“ Sie erklärt es. Kurz danach wird sie erneut nach dem Weg gefragt. „Durch die Uniform denken die Leute, ich weiß alles“, sagt sie schmunzelnd. Zu ihrem Job gehört es auch, dass sie sich viel Zeit für Passanten nimmt. Doch als sie von einer Frau angesprochen wird, die Fragen zu ihrer Fahrkarte hat, muss sogar Silvia Pötzsch passen. Sie klärt auf, dass sie nichts mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG zu tun habe. „Das wird oft verwechselt.“ Sobald sie die Uniform trägt, ist sie halt Ansprechpartner bei allen Sorgen und Nöten. „Manchmal bin ich auch froh, wenn ich abends die Uniform ablegen und wieder anonym sein kann.“