Der Knackpunkt bei der Anbindung der Fahrradstraße in Richtung Innenstadt: Hier an der Ecke Marxstraße/Königstraße funktioniert dies nur, wenn der Friedrichsplatz einseitig gesperrt wird. Foto: Otto

Rechtzeitig zur Landesgartenschau 2028 soll es in Rottweil eigentlich geknüpft sein: ein Radwegenetz, das diesen Namen verdient und ein Baustein in der Mobilitätswende ist – weg vom Auto. Doch es ist wenig überraschend: Der Teufel steckt mal wieder im Detail.

Rottweil - "Es soll ein durchgehendes und flächendeckendes Radwegenetz für Alltag und Freizeit entwickelt werden" – das ist eine der Kernaussagen, auf die sich die Rottweiler Stadträte Mitte 2018 in einer Klausurtagung zum Mobilitätskonzept geeinigt haben. Rottweil als Knotenpunkt im landesweiten Radwegegeflecht mit Blick auf die Radtouristen ebenso wie die Verbindungen in der Stadt mit Blick auf die Bürger – Lücken sollen geschlossen, die Sicherheit der Radfahrer verbessert werden. Das soll ein Baustein sein im Rottweiler Mobilitätskonzept und helfen, den Umstieg vom Auto mit Verbrennungsmotor auf alternative Verkehrsmittel – nicht nur zur Landesgartenschau – interessanter zu machen.

Verzwickte Sachlage

Horst Bisinger als Mobilitätsbeauftragter der Stadtverwaltung sowie Geschäftsführer Peter Sautter und Projektbearbeiter Moritz Jordan von der Stuttgarter Ingenieur Gesellschaft Verkehr (IGV) "haben sich daran abgearbeitet", wie CDU-Stadtrat Günter Poselt meinte. Er lobte am Mittwochabend in der Sitzung des Umwelt-, Bau- und Verkehrsausschusses (UBV), was da mit Bestandsaufnahme, Analyse und Konzeption gemeinsam mit dem Agenda-Arbeitskreis RadKultur und dem ehrenamtlichen Radbeauftragten Wilfried Geißler entstanden ist. Posselts ausführliche Wortmeldung führte aber geradezu exemplarisch vor Augen, wie verzwickt die Sachlage ist: So manche Verbindung, die die Verkehrsexperten für das Radwegenetz vorschlagen, entsprächen nicht den Routen, die von Radlern auch in der Praxis genutzt würden, zeigte Posselt an verschiedenen Beispielen auf. Andere würden ganz fehlen.

Lange Ergänzungsliste

Verkehrsplaner und Stadtverwaltung taten gut daran, dem Sprecher der CDU-Fraktion sowie Pascal Schneider, Karl-Theodor Häring, Elke Reichenbach, Hubert Nowack oder etwa Hermann Breucha aufmerksam zuzuhören und fleißig all die Anregungen, Korrekturen und Ergänzungswünsche mitzuschreiben. Immerhin geht es um die Diskrepanz zwischen Wegen, die am Reißbrett ausgedacht wurden und Wegen, die Radfahrer in Rottweil auch tatsächlich nutzen.

Indes: Schon ohne den Austausch mit den Ausschussmitgliedern listet das Konzept zwölf Konfliktpunkte im "angestrebten Rad-Zielnetz" auf, die Jordan im aktuellen Sachstandsbericht mit den notwendigen baulichen Maßnahmen verknüpfte. "Je mehr wir in die Karte reinzoomen", meinte denn auch Oberbürgermeister Ralf Broß, "desto mehr merken wir, wo es große Probleme in der Umsetzung geben wird". Jedoch: Unstrittig sei, "dass wir dran sind, die Situation für Radfahrer zu verbessern". Broß stellt aber auch klar, man sei "nicht so vermessen, zu glauben, dass alle aufs Rad umsteigen".

Probleme in der Umsetzung

Einen Vorgeschmack auf die von Broß prognostizierten Probleme in der Umsetzung gab direkt im Anschluss der Bericht über den Planungsstand zum geplanten Umbau der Körnerstraße. Sautter musste erklären, dass aus der ursprünglichen Absicht nichts wird, die 530 Meter lange Straße auf die Schnelle und mit wenig Aufwand durch ein paar Markierungs- und Beschilderungsarbeiten zur Fahrradstraße zu machen. 190 000 Euro waren für diese Idee an Kosten kalkuliert. Dass es sich dann doch nicht so einfach darstellt, hatte Sautter bereits im November in Zusammenhang mit dem Kompetenznetz "Klima Mobil" anklingen lassen, denn Sinn macht so eine Fahrradstraße natürlich nur, wenn sie angebunden ist. Und vor allem Richtung historischer Innenstadt mit dem Übergang via Marxstraße und Königstraße stellt das Planer wie Verkehrsteilnehmer vor Herausforderungen.

Dominoeffekte

Die Marxstraße soll im Bereich zwischen Körner- und Königstraße zwei Radstreifen erhalten, weshalb die bisher getrennten Links- und Rechtsabbiegespuren für Autos zu einer Spur verschmelzen. Doch das, machte der IGV-Geschäftsführer jetzt in der Sitzung am Mittwochabend deutlich, sei nur mit einer längeren Grünphase machbar, was wiederum nur bei einer Reduzierung des innerstädtischen Verkehrs auf der Königstraße möglich ist. Sprich: Um die Körnerstraße zur Fahrradstraße machen zu können, muss der Friedrichsplatz einseitig gesperrt werden. SPD-Stadtrat sprach deshalb von bemerkenswerten "Dominoeffekten" und wähnt schon mal, dass das zur Rushhour zu ganz erheblichen Stockungen führen werde. Indes gab er sich optimistisch: "Ein gewisses Umdenken wird ruckartig in Gang kommen."

Nur machbar mit weniger Verkehr

Mit einfachen Strichen auf der Straße und ein paar Schildern ist es also bei der Umgestaltung der Körnerstraße zur Fahrradstraße nicht getan. Vielmehr greifen die Planer in die Werkzeugkiste: unechte Einbahnstraße, Anliegerverkehr, Bedarfsampeln, links angeordnete Stellplätze oder auch ein durchgängiger Grünstreifen. Unterm Strich geht das mit höheren Kosten einher, für die zunächst mögliche Fördergelder noch abzuklären sind. Jedoch los gehen könnte es noch in diesem Jahr. November bis Mai haben die Experten für die Umsetzung anvisiert.