Mit drei neuen Schildern auf kürzester Strecke geht man hier in der Oberndorfer Straße auf Nummer sicher. Foto: Nädele

Der neue "Schilderwald" mit Tempo 30, Tempo 40 – mit Lärmschutz nur nachts oder ohne – treibt vielen Autofahrern den Puls hoch. Der Sinn und Zweck wird heiß diskutiert. Vor allem der stetige Tempowechsel ist kaum mehr zu überblicken.

Rottweil - Nicht nur in den Sozialen Medien ist die neue Verkehrszeichenlage in der Rottweiler Innenstadt Top-Thema. Dient das wirklich dem Lärmschutz? Wie sollen Autofahrer da noch durchblicken? Und was denken Auswärtige da wohl?

Unter etlichen Leserreaktionen, die uns erreichen, ist auch die von Marion Moritz aus Bühlingen. Sie schreibt, dass den Touristen, die Rottweil besuchen, wohl nicht nur die historische Innenstadt und der Testturm in Erinnerung bleiben, sondern auch das Verkehrskonzept, das Ratlosigkeit und Kopfschütteln verursache. Selbst als Einheimischer staune man nicht schlecht. Das Ganze sei wohl eher einem "zu später Nacht tagenden Stammtisch entsprungen, als einem strukturiert denkenden Gemeinderat."

Moritz schildert ihre Eindrücke: "Bei der Durchfahrt von Bühlingen herkommend und das Neckartal ansteuernd erlebt man Wundersames. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung jagt die nächste." Dabei sei sie grundsätzlich rundweg für reduzierte Geschwindigkeiten im Straßenverkehr. "Mein gesunder Menschenverstand sagt mir schon lange, dass wir eine Veränderung in unserem Mobilitätsverhalten benötigen."

Sie fährt also am Freibad die gewohnten 70 km/h, dann mahnt das Ortsschild, die Geschwindigkeit auf 50 zu reduzieren. "Keine 20 Meter weiter hängt das erste rot umrandete Schild und fordert 30 km/h wegen Lärmschutz. So weit, so gut." Über dem Kreisel Richtung Landratsamt geht’s weiter mit 30, mit dem kleinen Hinweis "Lärmschutz". Am nächsten Kreisel geht es links Richtung Innenstadt – wo eine 40-Zone mit Lärmschutz-Täfelchen wartet.

Gibt’s dafür den Comedypreis?

Die Autofahrerin ist hochkonzentriert: "Beflissentlich beobachte ich meine Tachonadel. Alles im grünen Bereich. Ahnend, dass mein Auto auch die 20er-Zone problemlos schafft, fahre ich weiter zum Kriegsdamm-Kreisel. Kurz davor wird die 20er-Zone aufgehoben. Rechts runter Richtung Rhodia. Ups, bloß nicht zu schnell, denn nach dem Kreisel kommt die nächste 30er-Zone." Ihr Fazit: "Vielleicht gibt es dafür den Deutschen Comedypreis?"

Einige andere Straßen bis hinauf zur Saline wurden auf Tempo 40 zwecks Lärmschutz heruntergebremst. Marion Moritz denkt da an unsere Berichterstattung, in der auf später stattfindende Geschwindigkeitskontrollen hingewiesen wurde. "Mir kommt ein Verdacht..", schreibt sie.

In den Sozialen Medien wird man deutlicher: "Das dient der Abzocke", ist einer von vielen Kommentaren. Ein anderer wirft die Frage auf, ob Lärmschutz-Tempolimits eigentlich auch für ihn als E-Autofahrer gelten? Tenor vieler Kommentare ist, dass nichts gegen Tempolimits spricht und man die Belange der Anwohner im Blick haben müsse – es für den Autofahrer aber noch nachvollziehbar sein muss.

Fahrlehrer kann keinen Sinn erkennen

Die fehlende Nachvollziehbarkeit ist es auch, die Fahrlehrer Gotthard Schumacher von "Schumis Fahrschule" in Rottweil kritisiert, als wir ihn nach seiner Einschätzung fragen. "Was ist der Sinn?", fragt er. Man könne den jungen Fahrschülern den ständigen Tempowechsel kaum mehr vermitteln – und einige seien tatsächlich deswegen schon durchgefallen. Erst jüngst habe es wieder eine Fahrschülerin getroffen, die die 30er-Zone in der Prüfung etwas zu spät erkannt hat.

Verkehr läuft noch schlechter

Unter dem Tempo-Hin-und- Her leide auch die Attraktivität der Innenstadt, so Schumacher. Der stetige Wechsel sei für den Verkehrsfluss ein Unding. "Es läuft absolut nicht, und dann hängt man noch an jeder Ampel." Dabei würden ordentlich Schadstoffe rausgeblasen. Sein Fazit: "Rottweil lieben, Rottweil kennen, Rottweil meiden." Viel besser wäre dann eine einheitliche Regelung, auf die auch die Ampeln abgestimmt sind, sagt der Fahrlehrer. "Dann kann man mit 30 durchtuckern, und gut ist."

Und Bühlingen wartet auf Tempo 30

Was Leserin Marion Moritz zudem sauer aufstößt ist die Tatsache, dass man in Bühlingen schon seit einigen Jahren auf eine Ortsdurchfahrt mit 30er-Zone dränge. "Spielende Kinder sind da wohl ein zu schwaches Argument, um eine solche Maßnahme auf den Weg zu bringen?"

Ihr Vorschlag lautet: Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet und den Ortsteilen und Teilorten zum Schutz spielender Kinder und als effektiver Lärmschutz. "Und mancher Autofahrer, der den Weg durch Rottweil als Abkürzung nutzt, würde die Umgehung wählen. Was am Ende zu einer Reduzierung der enormen Verkehrslasten auf Rottweils Straßen führen würde."

Die Stadt hatte auf unsere Nachfrage hin schon im Dezember Stellung zur neuen Beschilderung genommen und die Notwendigkeit der Maßnahmen im Sinne des Lärmaktionsplans zum Schutz der Anwohner betont.

Insgesamt 75 neue Schilder

Der neue Schilderwald umfasst übrigens rund 50 neue Tempo-30-Tafeln von der Stadt, und von der Straßenmeisterei weitere 25 Stück. Also 75 Schilder zusätzlich – da kann man von einem "Schilderwald" durchaus sprechen.