Seit 1976 ist es in Deutschland Pflicht, sich im Auto anzuschnallen. (Archivfoto) Foto: dpa

Wiederholungstäter fühlen sich in Freiheit eingeschränkt. Bußgeld zu gering.

Region - Die Kinder schreien auf dem Rücksitz, die Mutter möchte sich zu ihnen beugen, um sie zu beruhigen. Der Gurt hindert sie daran. Kurzerhand schnallt sich die Mutter ab. Obwohl es seit 1976 die Anschnallpflicht gibt, halten sich immer weniger Menschen daran.

Das Polizeipräsidium Tuttlingen zählte vom 1. Januar bis 31. Juli diesen Jahres insgesamt 4901 nicht angeschnallte Menschen im Auto – 1353 mehr Verstöße als beim Handy am Steuer. "Ein Großteil schnallt sich auf Kurzstrecken aus Bequemlichkeit nicht an", vermutet Thomas Kalmbach, Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Außerdem gebe es noch die Beifahrer, die sich während der Fahrt abschnallen, um nach den Kindern zu schauen oder etwas zu suchen, sowie die Überzeugungstäter. "Diese fühlen sich durch den Gurt in ihrer Freiheit eingeschränkt", erklärt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV).

2018 waren 232 Verletzte im Bundesland nicht angegurtet

In der 2018 veröffentlichten Studie "Warum legen Pkw-Insassen den Sicherheitsgurt nicht an?" befragten Mitarbeiter der UDV nicht angeschnallte Menschen in Autos. Mehr als 85 Prozent der Befragten gaben an, sie würden sich nicht anschnallen, wenn sie alleine im Pkw sitzen. Bei mindestens einem Beifahrer sinkt die Zahl der nicht angegurteten Insassen auf zehn Prozent.

"Die Gurtanlegequote liegt in Deutschland bei 97 bis 99 Prozent", berichtet Brockmann. "Bei 100 Prozent könnten wir aber die Anzahl der Verkehrstoten um zirka 180 Opfer im Jahr senken.“ Denn bei den tödlichen Autounfällen sei die Anzahl der nicht angeschnallten Insassen überdurchschnittlich hoch.

232 verletzte Fahrzeuginsassen waren 2018 in Baden-Württemberg nicht angegurtet, so das statistische Landesamt. 2012 war bei 103 Unfällen mindestens ein verletzter Insasse nicht angeschnallt. Im Schwarzwald-Baar-Kreis belief sich die Zahl im vergangenen Jahr auf 14 Menschen, im Zollernalbkreis und im Kreis Freudenstadt sechs, und im Landkreisen Rottweil acht.

Bußgeld in Höhe von 30 Euro droht

Wer gegen die Anschnallpflicht verstößt und erwischt wird, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 30 Euro. "Die Summe muss höher sein. Sie ist nicht abschreckend für diejenigen, die sich absichtlich nicht angurten", ist Brockmann überzeugt. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, zu gering.

Technische Fortschritte wie Alarmsignal reichen laut Brockmann nicht aus. "Es gibt inzwischen viele Möglichkeiten, um das Signal auszuschalten oder zu umgehen."