Bei Dämmerung ist für Autofahrer Vorsicht geboten. Schilder und Abstandsgebote werden oft nicht beachtet.
Freiburg - Eine regnerische Nacht im Oktober, auf der Landstraße zwischen Pfaffenweiler und Ebringen im Markgräflerland ist nicht viel los. Plötzlich erhellen Warnblinker die Nacht, Autos stehen am Straßenrand – auf der Fahrbahn liegen drei tote Wildschweine.
Die Bache und ihre Frischlinge wurden beim Überqueren der Landstraße gleich von mehreren Personenwagen erfasst. Ein Frischling, so die Polizei später, muss wohl den Autos entkommen sein und irrt nun alleine in den Reben umher. Dem Tier steht vermutlich ein qualvoller Hungertod bevor. Die Autofahrer sind alle unverletzt geblieben, aber mehrere Autos wurden teils schwer beschädigt.
Tina Majdecki vom Tierheim Freiburg-Lehen berichtet: »Ich weiß, dass viele Jäger in besonders stark befahrenen Gegenden kaum noch Tiere aus der Population nehmen müssen, da viele sowieso überfahren werden.« Dabei sind die gemeldeten Fallzahlen nicht einmal sehr hoch, wie Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid berichtet. Nicht immer werden Polizei und Forstverwaltung bei Wildunfällen informiert. »Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein«, so Schmid. Er rät zu einer umsichtigen Fahrweise, vor allem dort, wo »Achtung, Wildwechsel«-Schilder stehen, denn dies seien in der Regel tatsächlich mögliche Unfallschwerpunkte.
Allein zwischen den Bereichen Feldberg und St. Märgen wurden zuletzt sechs Wildunfälle binnen weniger Tage gemeldet. Fünfmal war ein Reh beteiligt, einmal ein Fuchs. Ausweichmanöver, so warnt die Polizei, enden oft in Frontalzusammenstößen mit schweren bis hin zu tödlichen Folgen.
Tina Majdecki erläutert: Wenn ein Autofahrer wegen einem kleineren Tier bremse, könne ihm bei einem Unfall ein unerfreuliches Hickhack mit der Versicherung blühen, die das Bremsen unter Umständen nur bei großen Tieren für angebracht halte.
Dunkelziffer der nicht gemeldeten Unfälle ist enorm hoch
Was kann und muss man als Autofahrer tun, wenn man in einen Unfall mit einem Tier verwickelt wird? Einfach das verletzte Wild liegen lassen ist die schlechteste Variante: »Wir wissen aus telemetrischen Daten zum Beispiel von einem Hirsch, der zuletzt in unserer Region angefahren wurde und dann einen mehrtägigen Todeskampf als Folge seiner Verletzungen durchleiden musste«, berichtet Thomas Scheufler. Er ist beim Regierungspräsidium Freiburg im Landesbetrieb Forst-BW für das Thema Jagd zuständig.
Zahlen zu Wildunfällen kann er kaum nennen. »Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten oder nicht bemerkten Unfälle ist einfach zu hoch, und es gibt keine Zusammenfassung der gemeldeten Daten der einzelnen Straßenbehörden bei Kommunen, Bund und Land.« Immer wieder jedoch finde man totes Wild in den Wäldern, das offenbar an den Folgen von Autounfällen qualvoll verendet sei. »Meistens ist es aber auch bei den Tieren, die Jäger und Förster verletzt vorfinden so, dass man sie töten muss, um ihre Leiden zu beenden.« Wildtiere, so Scheufler, seien durch die Unfallfolgen meist so sehr gestresst, so dass sie den Weg zum Tierarzt nicht überstehen würden.
Wer einen Wildunfall nicht meldet, verursacht nicht nur unnötiges Tierleid, er macht sich noch dazu strafbar, wie Michael Mächtel erklärt: Wer Wild anfahre, begehe juristisch gesehen eine Sachbeschädigung am Eigentum des jeweiligen Jagdpächters. Also müsse man warten, bis jemand an die Unfallstelle komme, oder eben die Polizei alarmieren. Eine Verpflichtung, dem Tier zu helfen, gibt es juristisch hingegen nicht. Trotzdem mag mancher Unfallverursacher diese Verpflichtung moralisch für sich als gegeben sehen. Tina Majdecki rät, verletzte Tiere nicht in jedem Fall von Hand einzufangen: »Kleinere Tiere kann man sicherlich mit Schutzmaßnahmen wie Handschuhen und Decke einfangen und zum Tierarzt bringen.« Bei Greifvögeln hingegen sei die Lage schon schwieriger, bei größeren Tieren wie Fuchs, Dachs und Reh sei die Gefahr, als »Retter« selbst verletzt zu werden sogar ziemlich groß.
Größte Gefahr beim Einsetzen der Dämmerung
Die meisten Wildunfälle ereignen sich laut Majdecki bei einsetzender Dämmerung. »Wenn man ein Tier sieht, Aufblendlicht sofort ausschalten, Geschwindigkeit drastisch verringern und hupen«, so Majdeckis Rat. Und: Wo ein Reh steht, können auch mehrere sein. Die Gefahr ist also nicht vorbei, wenn ein Tier aus dem Weg springt.